OGH 14Os85/04

OGH14Os85/0410.8.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. August 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Philipp, Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Sengstschmid als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Thomas S***** wegen der teilweise im Stadium des Versuchs (§ 15 StGB) verbliebenen Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 16. Oktober 2003, GZ 34 Hv 37/03a-34, sowie über dessen Beschwerde gegen den gleichzeitig gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO verkündeten Beschluss nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben.

Es werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch I.1., demgemäß auch im Strafausspruch (jedoch mit Ausnahme des Abschöpfungserkenntnisses) und der gleichzeitig gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO verkündete Beschluss aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung und Beschwerde wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch enthält, wurde Thomas S***** der teilweise im Stadium des Versuchs (§ 15 StGB) verbliebenen Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG (1.) sowie der Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB (2.) und des tätlichen Angriffs auf einen Beamten nach § 270 Abs 1 StGB (3.) schuldig erkannt.

Danach hat er in Salzburg

1. von November 2001 bis Ende März 2002 den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG) durch Weitergabe in Verkehr gesetzt, und zwar

a) durch Verkauf von einer Vendal-Tablette an Christian und Nicola K*****,

b) durch Verkauf von rund 150 Stück Substitol-Tabletten und 3 Stück Vendal-Tabletten an Ylmaz C*****,

  1. c) durch Verkauf von 6 morphinhältigen Tabletten an Andreas P*****,
  2. d) durch unentgeltliche Weitergabe von 5 bis 6 Stück morphinhältigen Tabletten an Thomas F*****,

    e) durch Verkauf von unbekannten Mengen an Substitol- und Vendal-Tabeletten an unbekannt gebliebene Personen;

    2. in der Nacht vom 3. zum 4. Jänner 2002 eine fremde bewegliche Sache, und zwar ein Mobiltelefon der Marke Nokia 6150, einem Verfügungsberechtigten der Firma Q***** mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;

    3. am 28. März 2002 dadurch Beamte während einer Amtshandlung tätlich angegriffen, dass er

    a) während einer Personenkontrolle Revierinspektor Thomas L***** an der Schulter packte und von sich wegstieß und

    b) im Zuge seiner Festnahme dem MEK-Beamten Manfred V***** einen Schlag mit der flachen Hand gegen die Brust versetzte.

Rechtliche Beurteilung

Der inhaltlich nur gegen den Schuldspruch 1. gerichteten, auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt Berechtigung zu.

Die Mängelrüge (Z 5) macht geltend, die Feststellung, der Angeklagte habe die Suchtmittelgeschäfte mit dem Vorsatz getätigt, durch das fortlaufende Inverkehrversetzen von jeweils geringen Mengen an Suchtmittel insgesamt eine große Menge in Verkehr zu setzen (US 10), sei nicht oder nur unzureichend begründet.

Tatsächlich haben die Tatrichter für die zitierte Feststellung keine Begründung angeführt. Die ausführliche Würdigung aller wesentlichen Beweismittel zu den Verbrechen nach dem Suchtmittelgesetz (US 10/11 sowie 13 bis 19) betrifft nur den objektiven Sachverhalt. Obwohl zahlreiche Indizien auf das Vorliegen des festgestellten Vorsatzes hinweisen, wurden tragfähige Argumente hiefür nicht angeführt. Damit liegt aber der geltend gemachte formelle Nichtigkeitsgrund vor, weshalb sich eine neue Hauptverhandlung nicht vermeiden lässt. Das angefochtene Urteil war somit, ohne dass es eines Eingehens auf die weiter geltend gemachte Nichtigkeitsgründe bedurfte, im Schuldspruch 1. bei nichtöffentlicher Beratung sofort aufzuheben und - unter Verweisung des Angeklagten mit seiner Berufung und Beschwerde hierauf - dem Erstgericht die neue Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang aufzutragen (§ 285e StPO).

Obwohl sich die Nichtigkeitsbeschwerde inhaltlich nur gegen den Schuldspruch 1. richtet, erstrecken sich die Rechtsmittelanträge (... das angefochtene Urteil aufzuheben ...) auch auf die anderen Schuldsprüche. Diesbezüglich fehlt es aber an der vom Gesetz vorausgesetzten deutlichen und bestimmten Bezeichnung von gesetzlichen Nichtigkeitsgründen oder von Tatumständen, die solche bilden sollen (§ 285d Abs 1 Z 1 iVm § 285a Z 2 StPO). Im erneuerten Verfahren wird das Erstgericht - im Falle des Schuldspruchs - die subjektive Tatseite nicht nur festzustellen, sondern auch aus den Beweisergebnissen tragfähig zu begründen haben.

Darüber hinaus bleibt anzumerken:

Das Urteilsfaktum 1. e) enthält keine dem § 260 Abs 1 Z 1 StPO entsprechende Individualisierung der Tat.

Ein Schuldspruch wegen des versuchten Verbrechens nach § 15 StGB, § 28 Abs 2 vierter Fall SMG muss auf Feststellungen beruhen, dass der Täter seinen Entschluss, erneut eine große Menge in Verkehr zu setzen, schon durch eine der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung betätigt hat (vgl 14 Os 166/03, 14 Os 29/04 ua). Als für die ausführungsnahe entscheidende Handlung kommt bei - wie im vorliegenden Fall - mehraktigem Inverkehrsetzen nur jene Tathandlung in Betracht, bei welcher der Täter in der Lage und Willens ist, (neuerlich) in Summe die Grenzmenge zu erreichen.

Auch darauf wird im zweiten Rechtsgang Bedacht zu nehmen sein. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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