OGH 13Os72/04

OGH13Os72/0414.7.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Juli 2004 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Kirchbacher als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Felbab als Schriftführerin in der Strafsache gegen Johannes K***** wegen Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 25. Februar 2004, GZ 14 Hv 115/03w-52, und die implizierte Beschwerde gegen den gemeinsam mit dem Urteil verkündeten und ausgefertigten Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die implizierte Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet. Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Johannes K***** der Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 206 Abs 1, 15 StGB - gemeint: mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB, von denen einige im Stadium des Versuchs nach § 15 StGB blieben - und der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB sowie des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Demnach hat er im Sommer 1999 in Feldkirchen

I. wiederholt mit dem am 8. Februar 1993 geborenen Patrick K*****, sohin mit einer unmündigen Person, eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung

  1. 1. unternommen, indem er ihn drei Mal mit dem Penis anal penetrierte;
  2. 2. durch Analpenetration mit dem Penis in insgesamt vier Fällen zu unternehmen versucht;

    II. anlässlich der zu I.1. geschilderten Tathandlungen in zwei Fällen den am 8. Februar 1993 geborenen Patrick K***** außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB mit Gewalt zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er ihn mit dem Bauch auf das Bett legte, ihn mit seinem Körpergewicht fixierte, seine Hände und Beine festhielt und ihm zumindest einmal auch einen Schlag auf den Kopf versetzte;

    III. den am 8. Februar 1993 geborenen Patrick K***** durch die Äußerung, er werde in ein Heim kommen, wenn er jemandem davon etwas erzählte, mithin durch gefährliche Drohung zur Unterlassung der Mitteilung der zu I. und II. geschilderten Tathandlungen zu nötigen versucht.

Rechtliche Beurteilung

Die auf § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Der Verteidiger stellte in der Hauptverhandlung den Antrag auf Durchführung eines Lokalaugenscheins in der Wohnung des Angeklagten "zum Beweis dafür, dass das Zimmer des Angeklagten, in welchem auch nach den Angaben des Zeugen Patrick K***** sexuelle Übergriffe stattgefunden hätten, ein Durchgangszimmer mit direkter Verbindung zur Küche ist, wo sich nach den Angaben des Zeugen Patrick K***** zum Zeitpunkt von zumindest zwei vollendeten Tathandlungen die Zeugin Rosa W***** aufgehalten haben soll," was für die Schuldfrage insofern von Bedeutung sei, "als dass damit unter Beweis gestellt werden kann, dass der Angeklagte nach den Schilderungen des Zeugen Patrick K***** praktisch in Kauf genommen hätte, von der sich in der Küche befindlichen Zeugin Rosa W*****, welche jederzeit die unversperrte Türe zum Zimmer des Angeklagten öffnen hätte können, auf frischer Tat ertappt zu werden" (S 217/II).

Die beantragte Beweisaufnahme betraf keinen erheblichen Umstand. Nach der Begründung des abweisenden Zwischenerkenntnisses schließt auch die Annahme des unter Beweis gestellten Umstandes, "dass das Zimmer unversperrt war und jederzeit von der Mutter des Angeklagten betreten werden konnte", ein "tatsächliches Handeln des Angeklagten nicht" aus (S 218/II). Der unter Beweis gestellte Umstand war demnach - auch aus der bei Prüfung der Verfahrensrüge maßgebenden Sicht des Obersten Gerichtshofes - im Hinblick auf die dem Erstgericht im Antragszeitpunkt vorgelegenen Beweisergebnisse nicht geeignet, die zur Feststellung entscheidender Tatsachen anzustellende Beweiswürdigung maßgeblich zu beeinflussen. Der Lokalaugenschein konnte daher der Beschwerde zuwider ohne Schmälerung von Verteidigungsrechten unterbleiben (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 341). Gleiches gilt für die beantragte Einholung eines weiteren psychiatrischen Sachverständigengutachtens "zum Beweis dafür, dass der Angeklagte keine pädophilen Neigungen hat". Das zur Begründung des Antrags erstattete Vorbringen, der beigezogene Sachverständige sei "von der Richtigkeit der Angaben des Belastungszeugen Patrick K***** ausgegangen" und habe diese als Grundlage für seine gutachterlichen Äußerungen herangezogen (S 217/II), macht keine Mängel des Gutachtens im Sinn des § 126 StPO geltend (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 351) und geht außerdem darüber hinweg, dass der Gutachter ausdrücklich hervorhob, er wäre auch allein auf Grund seiner Exploration zur Ansicht gelangt, dass beim Angeklagten eine Pädophilie bisexuellen Typs vorliegt (S 215/II).

Die Mängelrüge (Z 5) zeigt mit dem Hinweis auf Ausführungen des Sachverständigen, wonach dieser in den wesentlichen Zügen von der Richtigkeit der Angaben des Zeugen Patrick K***** ausgehe, auch allein auf Grund seiner Exploration zur Ansicht gelangt wäre, dass beim Angeklagten eine Pädophilie bisexuellen Typs vorliege, und auch die Angaben des Angeklagten ihm gegenüber ihn zu diesem Schluss kommen ließen (S 216/II), keine - in der Beschwerde unsubstanziiert behauptete - Widersprüche auf. Daher war das Erstgericht zu einer näheren Erörterung der Depositionen des Gutachters nicht verhalten. Eine in der Beschwerde angeführte Aussage des Gutachters, wonach er nicht bei jedem Menschen auf Grund eines Explorationsgespräches von einer Stunde "völlig verlässliche Aussagen diesbezüglich" treffen könne, wurde so nicht getätigt (vgl S 216/II).

Ein Begründungsmangel liegt demnach nicht vor.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 und 2 StPO), woraus die Zuständigkeit des Gerichtshofs zweiter Instanz zur Entscheidung über Berufung und implizierte Beschwerde folgt (§ 285i StPO). Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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