OGH 13Os57/04

OGH13Os57/0414.7.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Juli 2004 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Kirchbacher als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Felbab als Schriftführerin in der Strafsache gegen Stanislaw R***** und andere Angeklagte wegen der teils in der Entwicklungsstufe des Versuches nach § 15 StGB gebliebenen Verbrechen nach § 28 Abs 2 zweiter und vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Bartlomiej J***** sowie die Berufungen des Angeklagten Stanislaw R***** und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 4. Dezember 2003, GZ 8 Hv 160/03y-115, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten Bartlomiej J***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch Schuldsprüche des Angeklagten Stanislaw R***** enthaltenden Urteil wurde der Angeklagte Bartlomiej J***** der Verbrechen nach § 28 Abs 2 zweiter und vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG (I. 1.) und des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs 1, Abs 2 und Abs 4 zweiter Fall StGB (IV.) schuldig erkannt. Danach hat er (soweit für das Nichtigkeitsverfahren von Bedeutung) zu I. 1. vorwiegend in Laa an der Thaya den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG) jeweils in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, eingeführt und in Verkehr gesetzt, indem er

a) zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Jahr 2002 50 Gramm Amphetamin (Speed)

  1. b) im Herbst 2002 150 bis 200 Gramm Amphetamin (Speed)
  2. c) im Juni 2003 280 Gramm Amphetamin (Speed)

    aus Polen über eine nicht näher bekannte Fahrtroute über Laa an der Thaya nach Österreich einführte und hier dem Stanislaw R***** zum Weiterverkauf gegen Gewinnbeteiligung überließ.

Rechtliche Beurteilung

Trotz umfassenden Aufhebungsantrages ersichtlich nur gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten J*****, die jedoch fehl geht.

Vorweg: Da das Gesetz ausdrücklich nur eine einzige Ausführung der Beschwerdegründe zulässt, war nur auf die (zuerst eingelangte) Nichtigkeitsbeschwerde des gewählten Verteidigers Dr. Andrezej Remin (ON 124) Rücksicht zu nehmen. Die erst am 26. Februar 2004 bei Gericht eingelangte Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde des gemäß § 41 Abs 2 StPO beigegebenen Verteidigers Dr. Martin Gärtner, dessen Bestellung im Übrigen zu diesem Zeitpunkt bereits erloschen war (§ 41 Abs 6 StPO), ist demnach unbeachtlich; eine Zurückweisung dieses Schriftsatzes scheidet jedoch aus (Ratz, WK-StPO § 285 Rz 6 f). Die undifferenziert und überaus weitwendig ausgeführte Mängel- und Tatsachenrüge (Z 5 und 5a) versucht unter allgemeiner theoretischer Erörterung der möglichen Ursachen einer Falschbeschuldigung und des darauf folgenden Widerrufs belastender Angaben, verbunden mit dem konkreten Hinweis auf ein denkbares Motiv bzw Prozessinteresse des Angeklagten R***** an der Falschbelastung des Beschwerdeführers und das Fehlen zusätzlicher Beweise, die Richtigkeit der ursprünglichen belastenden Angaben des Stanislaw R***** nach Art einer im Verfahren gegen kollegialgerichtlichen Urteile nicht vorgesehenen Schuldberufung in Zweifel zu ziehen und der leugnenden Verantwortung des Angeklagten doch noch zum Durchbruch zu verhelfen. Solcherart werden aber weder Begründungsmängel noch sich aus den Akten ergebene erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zu Grunde gelegten entscheidenden Tatsachen aufgezeigt. Gleiches gilt für die Behauptung, die der Sicherheitsbehörde entgegengebrachte Kooperationsbereitschaft des Stanislaw R*****, der unmittelbar nach seiner Festnahme ein umfassendes Geständnis - auch hinsichtlich bis dahin nicht bekannter Straftaten - abgelegte und freiwillig sein Drogenversteck offenbarte, würde erhebliche Zweifel an dessen psychischem Gesundheitszustand und damit an seiner Glaubwürdigkeit nahe legen, seine den Beschwerdeführer belastenden Angaben könnten daher dem Schuldspruch in keiner Weise zu Grunde gelegt werden.

Soweit damit im Zusammenhang das Fehlen einer amtswegigen Beweisaufnahme, nämlich der Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens zur Klärung des Geisteszustandes des Angeklagten R***** im Zeitpunkt seiner Festnahme, gerügt wird, versäumt der Beschwerdeführer darzulegen, wodurch er - obwohl anwaltlich vertreten - an seinem Recht, die Einholung eines derartigen Gutachtens zu beantragen, gehindert war und daher hätte belehrt werden müssen (§ 3 StPO), um so die Ermittlung der Wahrheit in erheblichen Punkten zu fördern (vgl Ratz in WK-StPO § 281 Rz 480 mwN).

Dem erst in der Beschwerdeausführung gestellten Begehren, "den Beweis aus dem psychiatrischen Gutachten zuzulassen" und ein solches Gutachten nunmehr einzuholen, ist zu erwidern, dass das Nichtigkeitsverfahren der Überprüfung der Richtigkeit des Urteils (iSd Vorliegens oder Fehlens von Nichtigkeitsgründen) dient; es können daher im Verfahren über eine Nichtigkeitsbeschwerde weder neue Tatsachen berücksichtigt werden, noch die Tatsachengrundlage durch Beweisergänzung erweitert werden (Fabrizy, StPO9 § 281 Rz 2; JUS 6/2247).

Mit der bloßen Behauptung, die belastenden (angeblich verleumderischen) Aussagen des Erstangeklagten wären unlogisch, unkonsequent und ungenau, wird die Mängelrüge nicht deutlich und bestimmt bezeichnet; sie ist damit einer sachbezogenen Erwiderung nicht zugänglich.

Der Beschwerde zuwider waren präzisere Daten bezüglich der Drogenlieferungen nicht erforderlich, da die genauen Tatzeiten fallbezogen keine entscheidungswesentlichen Tatsachen darstellen. Im Übrigen hat sich das Erstgericht eingehend mit der Verantwortung des Angeklagten Stanislaw R***** auseinandergesetzt und den Grundsätzen der Logik sowie der Lebenserfahrung nicht widersprechend begründet, weshalb es dessen ursprünglicher Verantwortung, insbesondere anlässlich der untersuchungsrichterlichen Vernehmung, gefolgt ist und der den Beschwerdeführer entlastenden Aussage in der Hauptverhandlung keinen Glauben geschenkt hat (US 14 bis 16). Weshalb die Heranziehung der regen Reisetätigkeit des Beschwerdeführers in sein Heimatland als Indiz für häufige Schmuggelfahrten den Denkgesetzen widersprechen sollte, wird in der Beschwerde nicht dargelegt.

Dass auch andere für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen möglich gewesen wären, vermag eine Nichtigkeit im Sinne der Z 5 nicht zu begründen (Mayerhofer StPO5 § 281 Z 5 E 145 ff). Indem der Beschwerdeführer den Beweiswerterwägungen der Tatrichter bloß seine eigenen gegenüberstellt und zum Ergebnis kommt, dass der Angeklagte R***** seine ursprünglichen Anschuldigungen gegen Bartlomiej J***** in der Hauptverhandlung überzeugend und glaubwürdig widerrufen hat, wendet er sich wieder nur in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Die Urteilsannahme, Stanislaw R***** hätte seine ursprünglichen Aussagen abgeändert, weil er dazu von J***** während des Aufenthalts in der Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Graz angestiftet worden wäre, hat das Erstgericht der Beschwerde zuwider nicht allein daraus abgeleitet, dass die beiden Angeklagten während der Spaziergänge in der Haft Gelegenheit hatten, miteinander zu sprechen, sondern auch aus den diesbezüglichen Angaben des Erstangeklagten (US 15), sodass von einer offenbar unzureichenden Begründung keine Rede sein kann.

Auch die Urteilsannahmen zur gemeinsam verabredeten Tatausführung hat das Erstgericht keineswegs ausschließlich aus der Bekanntschaft der beiden Angeklagten gefolgert, sondern vielmehr auch aus der ursprünglich geständigen Verantwortung des Stanislaw R*****. Die Häufigkeit der telefonischen Kontakte zwischen den beiden Angeklagten wurde vom Erstgericht ohnehin nicht als Argument für die Absprache von Drogengeschäften herangezogen.

Weshalb der Umstand, das die Genannten pro Woche etwa nur einmal miteinander telefonierten, der Feststellung eines gemeinsam geplanten "Drogendeals" entgegenstehen sollte, wird in der Beschwerde nicht nachvollziehbar dargetan.

Die Frage, in welchem konkreten Gespräch die Angeklagten auf die Idee kamen, gemeinsam Suchtgiftgeschäfte zu betreiben, betrifft keine für die Lösung der Schuldfrage entscheidende Tatsache und war daher auch nicht erörterungsbedürftig.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen. Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Graz zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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