OGH 13Os58/04

OGH13Os58/0414.7.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Juli 2004 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll, Dr. Kirchbacher und Dr. Schwab als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Felbab als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ottilie G***** und andere Angeklagte wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Ottilie G*****, Rudolf G*****, Josef W***** sowie Dkfm. Manfred Wi***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau als Schöffengericht vom 29. Jänner 2003, GZ 16 Hv 1055/01b-158, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Ottilie G***** (als unmittelbare Täterin nach § 11 erster Fall FinStrG; A/I), Rudolf G***** (A/II/1), Josef W***** (A/II/3) und Dkfm. Manfred Wi***** (A/II/4; jeweils als Beteiligte nach § 11 dritter Fall FinStrG) wurden des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG, Ottilie G***** und Rudolf G***** darüber hinaus des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB (B) schuldig erkannt.

Nach dem über ein Jahr nach der - erst nach 11 Hauptverhandlungsterminen und mehrjähriger Dauer des Strafverfahrens erfolgten - Verkündung ausgefertigten Urteil (auch die Rechtsmittelfristen wurden gem § 285 Abs 2 StPO verlängert) haben A/I. Ottilie G***** am 4. Mai 1994 im Bereich des Finanzamtes G***** vorsätzlich unter Verletzung ihrer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenbarungs- oder Wahrheitspflicht durch die Aufnahme von insgesamt fünf im Urteil näher bezeichneten Scheinrechnungen in die Jahresumsatzsteuererklärung 1992 eine Verkürzung an Umsatzsteuer in der Höhe von 2,303.398 S bewirkt;

A/II. Rudolf G*****, indem er die Ausstellung dieser Rechnungen veranlasste (1),

Manfred M***** (2), Josef W***** (3) und Dkfm. Manfred Wi***** (4), indem sie die im einzelnen bezeichneten Rechnungen ausstellten, vorsätzlich zu dem unter Pkt A/I genannten Finanzvergehen beigetragen;

B. Ottilie und Rudolf G***** 1992 "in Wien, H***** und andernorts" mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz als Mittäter dadurch, dass sie diese Scheinrechnungen mit der Prüfung von Förderungsansuchen beauftragten Angestellten der Ö***** GesmbH vorlegten, Funktionsträger der E***** GesmbH und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten durch Täuschung über Bauvolumen und Eigenkapitaleinsatz beim Umbau eines Hotels dazu verleitet, einen Zinsenzuschuß nicht zurückzufordern und einen weiteren zu gewähren, was diese Institutionen um insgesamt 1,370.302,13 S (99.583,73 Euro) am Vermögen schädigte.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richten sich von Ottilie und Rudolf G***** aus Z 1, "2 oder 3", 4, 5, 5a, "9" und 10, von Josef W***** aus Z 5 und 5a sowie von Dkfm. Manfred Wi***** aus Z 5, 5a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerden, denen jedoch keine Berechtigung zukommt.

Zur - gemeinsam ausgeführten - Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Ottilie und Rudolf G*****:

Aus Z 1 wird keine Tätigkeit der Vorsitzenden als Untersuchungsrichterin in derselben Sache (§ 68 Abs 2 StPO) genannt. Der - vom aufklärenden Bericht der Vorsitzenden in Abrede gestellte - Umstand, dass "die strittige I*****-Rechnung" deren Namenszug trage, stellt einen Ausschlussgrund nicht dar.

Welche mit ausdrücklicher Nichtigkeit bedrohte Formverletzungen oder Verfahrensmängel der Beschwerdeführer aus "Z 2 oder 3" mit angeblich dem Gericht nicht vorgelegten - nicht näher bezeichneten - Unterlagen der Finanzbehörden ansprechen will, ist unerfindlich. Dem Antrag auf "Beiziehung eines Buchsachverständigen aus dem Gebiet des Steuerrechtes zum Beweis dafür, dass es keine Steuerschuld gibt" (Bd VIII, S 921), war nicht zu entnehmen, aufgrund welcher konkreten Tatumstände der beizuziehende Sachverständige zu einem solchen Schluss kommen sollte. Zudem blieb unklar, welche für die Schuldfrage erhebliche Tatsache hätte erwiesen werden sollen. Welche für das vorliegende Strafverfahren erheblichen Umstände mit der "Beischaffung des kompletten Steueraktes" (Bd VIII, S 921 bis 923) hätten aufgeklärt werden sollen, blieb gleichermaßen offen. Warum nicht näher bezeichnete "Unterlagen der I*****" erweisen könnten, dass es sich bei den Rechnungen mit den Nummern 81701/a und 80700/a nicht um bloße Scheinrechnungen handelt, ließ der Antrag auf deren Beischaffung (Bd VIII, S 919) nicht erkennen. Ob Rechnungen, denen keine tatsächlichen Leistungen zugrunde liegen, "formal richtig" sind, ist unerheblich, Rechtsfragen sind nicht Gegenstand einer Beweisaufnahme und nachträgliches Vorbringen im Rechtsmittel ist unbeachtlich.

In der allein maßgeblichen, weil nach § 276a StPO neu durchgeführten, Hauptverhandlung vom 29. Jänner 2003 wurde schließlich ein Antrag auf Einvernahme von Roman L*****, Andreas S*****, Dr. Sp***** und Dr. P***** gar nicht gestellt (vgl Bd VIII, S 923), ebensowenig wie ein solcher auf "Beischaffung der kompletten Buchhaltung des Finanzamtaktes Ottilie G*****".

Schon angesichts der Neudurchführung der Hauptverhandlung am 29. Jänner 2003 (Bd VIII, S 793) kann die angebliche Verletzung des § 276a StPO am 16. Oktober 2002 auf sich beruhen. Eine aus Z 3 mit Nichtigkeit bedrohte Formverletzung wird damit ohnehin nicht bezeichnet.

Aus Z 5 wird weder deutlich und bestimmt eine Feststellung noch ein Grund für die Feststellung einer entscheidenden Tatsache als undeutlich gerügt. Was die Behauptung, seitens der Fa. I***** seien an "diverse ausländische Bezieher von Waren" "falsche Rechnungen" ausgestellt worden, zugunsten der Beschwerdefüher austragen sollte, ist unerfindlich.

Soweit die Beschwerdeführer Kritik daran üben, dass eine Vielzahl ihnen günstig erscheinender Fragmente aus den Aussagen der Angeklagten und anderer Beweispersonen, Auseinandersetzungen zwischen der Vorsitzenden und dem Verteidiger, Zitate aus der Anklageschrift, Beweisanträge und von Verteidigern gestellte Fragen nicht "festgestellt" worden seien, wird erneut ein Bezug zu den Anfechtungskriterien einer Mängelrüge verfehlt. Auch werden nicht deutlich und bestimmt konkrete, angeblich unerörtert gebliebene Beweisergebnisse mit just daraus zugunsten der Beschwerdeführer ableitbaren Schlüssen auf das Nichtvorliegen einer festgestellten entscheidenden Tatsache in Verbindung gebracht und demnach keine Unvollständigkeit geltend gemacht. Dass das Gericht nicht verhalten ist, jedes Aussagedetail, das zu Gunsten der Angeklagten ins Treffen geführt werden könnte, im Einzelnen zu referieren, ergibt sich bereits aus dem Gebot einer gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO). Die Aussagen der Angeklagten, der Zeugen Dr. D*****, P***** und W***** sowie der Sachverständigen Dipl. Ing. S***** und Ing. P***** wurden im Übrigen gar wohl erörtert. Was aus Angaben weiters genannter Zeugen (Dr. M*****, Mü*****, Dr. H***** und Dr. G*****) an erheblichen Umständen zugunsten der Beschwerdeführer abgeleitet werden könnte, wird nicht klar.

Auch das restliche Vorbringen missachtet die Anfechtungskriterien des Nichtigkeitsgrundes und entzieht sich damit einer inhaltlichen Auseinandersetzung.

Aktenwidrigkeit liegt schließlich nach dem klaren Gesetzeswortlaut nur vor, wenn zwischen den Angaben der Entscheidungsgründe über den Inhalt einer bei den Akten befindlichen Urkunde oder über eine gerichtliche Aussage und der Urkunde oder dem Vernehmungs- oder Sitzungsprotokoll selbst ein erheblicher Widerspruch besteht. Derartiges behauptet die Mängelrüge indes nicht.

Aktenkundige Umstände, welche erhebliche Bedenken an den dem Schuldspruch zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen, erwecken, vermag die Tatsachenrüge nicht zu nennen (Z 5a).

Indem Rechts- und Subsumtionsrüge nicht Maß an den getroffenen Feststellungen nehmen, verfehlen auch sie eine an den Verfahrensgesetzen orientierte Darstellung.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Josef W*****:

Soweit sich das Rechtsmittel darin erschöpft, die Richtigkeit der Aussage des Angeklagten zu beteuern und zu betonen, dass sich durch die Rechnung Nr 8206 "das Steueraufkommen erhöht" habe, ist es unter dem Gesichtspunkt der Z 5 unbeachtlich (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 450). Da kein unrichtiges Referat des Inhalts einer gerichtlichen Aussage oder Urkunde behauptet wird, kann in Hinsicht auf den Vorwurf der Aktenwidrigkeit auf bereits Gesagtes verwiesen werden. Die Angaben des Sachverständigen Dipl. Ing. S***** (welcher sich eingangs seiner Befragung ausdrücklich auf sein schriftlich erstattetes Gutachten berufen hatte; Bd VIII, S 695 bis 697) wurden, der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider, ebenso erörtert wie die Aussagen der Zeugen Dr. D***** und Dr. R*****. Was aus einem nicht näher bezeichneten "Schreiben des Arch. Dr. F*****, in welchem sämtliche Preise laut Rechnung 19. 8. 1992 ausdrücklich aufgelistet werden", zugunsten des Beschwerdeführers abzuleiten sein sollte, sagt die Beschwerde nicht. Weiters bleibt unklar, was aus dem Umstand folgen soll, dass die am 19. August 1992 verrechneten Leistungen "auch tatsächlich vorhanden waren", gingen die Tatrichter doch davon aus, dass die Rechnung vom 19. August 1992 nur zum Schein aufgrund bereits erbrachter, indes gesondert in Rechnung gestellter Leistungen erstellt wurde. Auch sind von Zeugen angestellte rechtliche Wertungen unerheblich. Die zuletzt vorgetragenen rechtstheoretischen Erwägungen zu der gegenüber § 9 StGB unterschiedlichen Regelung des Verbotsirrtums in § 9 FinStrG lassen keinen Bezug zu einem gesetzlichen Nichtigkeitsgrund erkennen.

Mit dem aus Z 5a angestellten Verweis auf die unter Z 5 angestellte Urteilskritik werden erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundeliegenden entscheidenden Tatsachen nicht erweckt.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dkfm. Manfred W*****:

Soweit der Beschwerdeführer eingangs seine Verteidigungsposition wiederholt, orientiert er sich nicht an den Kriterien des angezogenen Nichtigkeitsgrundes. Die Aussage Dris. R***** wurde weder übergangen noch - in Bezug auf das Fehlen einer Mitteilung darüber, dass der Rechnung Nr 38003 bereits bezahlte Lieferungen zugrunde lagen - aktenwidrig referiert (vgl Bd VIII, S 407 bis 409 und 411 bis 413 sowie US 122). Warum im Einzelnen hervorgehobene Teile der Aussage dieses Zeugen trotz des Gebotes zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe gesondert erörterungsbedürftig gewesen wären, wird nicht deutlich gemacht. Was die theoretischen Erwägungen zur Vorschrift des § 9 FinStrG anlangt, kann auf das vorstehend Gesagte verwiesen werden.

Erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen ergeben sich aus einem unter dem Aspekt der Z 5a angestellten Verweis auf die Argumentation zur Z 5 nicht.

Fehlende rechtliche Erwägungen bilden keinen Nichtigkeitsgrund (WK-StPO § 281 Rz 413 f). Auch darf eine Rechtsrüge, will sie erfolgversprechend sein, nicht den Boden der Feststellungen des angefochtenen Urteils verlassen.

Die Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerden bereits in nichtöffentlicher Sitzung (§ 285d Abs 1 StPO) hat die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufungen zur Folge (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht der Angeklagten gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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