Spruch:
I.) In Ansehung der Schadenersatzforderung von 100 EUR s.A. wird die außerordentliche Revision zurückgewiesen.
II.) Im Übrigen, somit in Ansehung der Klagsforderung von 42.513,61 EUR s.A. wird der Revision Folge gegeben.
Insoweit werden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Am 29. Dezember 2000 schlossen die österr. I***** GmbH als Lizenzgeberin und die - nicht verfahrensbeteiligte - amerikanische C*****, Ltd. als Lizenznehmerin (im Folgenden nur Lizenznehmerin) einen nach den Vertragsbestimmungen österr. Recht unterliegenden Software-Lizenz- und Pflegevertrag (im Folgenden nur Vertrag Beilage 2), dessen Inhalt das Erstgericht mit der dem erstinstanzlichen Urteil angeschlossenen Vertragsurkunde Beilage 2 feststellte. Danach gewährte die Lizenzgeberin der Lizenznehmerin eine nicht-ausschließliche, nicht-übertragbare Lizenz zur Nutzung des i.Sell Merchandiser Bundle sowie Lieferung und Implementierung eines Softwarepakets zwecks Einrichtung eines Internet-Marktplatzes. Für die von der Lizenzgeberin für das Vertragsprodukt zu erbringenden Pflegeleistungen (I*****-OpenLine Updates, Upgrades, TechInfo Center, Sonderkonditionen für Trade-Ups, Telefonunterstützung, Lösung von Produkt-Problemen, Extended Hours(24x7) und Regency Pflegeleistungen) war eine anfängliche "Pflegedauer" von 1. Jänner bis 31. Dezember 2001 vereinbart. Die Lizenznehmerin verpflichtete sich zur Leistung von insgesamt 1.257.076 ATS = 91.355,28 EUR für das Vertragsprodukt und die Abgeltung der Pflegeleistungen pro 2001. Laut Teil II. Punkt C. 4. darf jede Vertragspartei die Vereinbarung für Pflegeleistungen unter Einhaltung einer Frist von mindestens einem Monat rechtzeitig vor Ablauf der anfänglichen Pflegedauer schriftlich kündigen. Teil III. enthält allgemeine Bestimmungen u.a. zu Laufzeit und Kündigung, wonach die Verletzung von Vertragspflichten durch die andere Partei zur Kündigung berechtigt, sofern die Verletzung trotz Aufforderung nicht binnen 30 Tagen behoben wird. Unter Teil III. Punkt E. Sonstiges ist festgehalten: 1. Vereinbarten die Parteien, dass eine Abtretung von Ansprüchen aus dieser Vereinbarung durch den Lizenznehmer nur mit vorheriger schriftlicher Einwilligung durch ... [Lizenzgeberin] wirksam ist.
Die klagende Partei stützte ihre Klage auf Rückzahlung des Werklohns von 42.513,61 EUR s.A. und Schadenersatz von (vorläufig) 100 EUR s.A. zusammengefasst auf folgendes Vorbringen: Die beklagte Partei sei in die Kundenverträge anstelle der ursprünglichen Vertragspartnerin, der Lizenzgeberin eingetreten. Die klagende Partei habe bei der Lizenzgeberin eine komplette Internet-Business to Business-Lösung in Form eines virtuellen Marktplatzes gemäß Auftragsbestätigung vom 17. August 2000 und Softwarelizenz und Pflegevertrag vom 29. Dezember 2000 in Auftrag gegeben. Das Projekt, die Einrichtung eines via Internet zugänglichen virtuellen Marktplatzes, in dem Kunden bzw. Partner der klagenden Partei eigene Shops in einer Shopping Mall betrieben könnten, sei von der klagenden Partei gemeinsam mit ihrem Partner ... (Lizenznehmerin) geplant und die Umsetzung der Rechtsvorgängerin der beklagten Partei (Lizenzgeberin) gemäß Auftragsbestätigung vom 17. August 2000 in Auftrag gegeben worden; Auftraggeberin sei die klagende Partei gewesen. In dieser Auftragsbestätigung laute es u.a.: Zur rechtlichen Wirksamkeit des Abschlusses bedarf es eines gesonderten I*****-Lizenzvertrages. Im Vertrag Beilage 2 mit dem gleichen Vertragsgegenstand scheine die klagende Partei nicht mehr als Vertragspartner auf. Da sie jedoch die Teilzahlungen von 42.513,61 EUR aus eigenem an die beklagte Partei geleistet habe, sei ihr der Rückersatzanspruch von der Lizenznehmerin abgetreten worden. Die klagende Partei sei als Bevollmächtigte für ihre Partnerunternehmung ... (Lizenznehmerin) aufgetreten.
Die beklagte Partei habe Ende 2001 ihre Geschäftstätigkeit in Österreich und damit für die klagende Partei und die Lizenznehmerin zur Gänze eingestellt und sämtliche für dieses Projekt tätige Mitarbeiter gekündigt. Für die klagende Partei und die Lizenznehmerin sei die Einrichtung des virtuellen Marktplatzes in dem hiefür vorgesehenen Zeitraum vom 1. Jänner bis 31. Dezember 2001 erklärtermaßen von wesentlicher Bedeutung gewesen, weil die Kunden der klagenden Partei bereits über dieses Projekt und deren Fertigstellung im Jahr 2001 informiert worden seien und überdies ein entsprechender Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenzprodukten durch die rechtzeitige Zurverfügungstellung des Marktplatzes erreicht werden sollte. Die beklagte Partei habe jedoch nur das Standardprogramm "I***** i. Sell" in Form von Kassetten geliefert, die Implementierung (Programmierung) aber ungeachtet diverser Mahnungen nicht vorgenommen. Die klagende Partei habe eine über die vertraglich vereinbarte 30-tägige Kündigungsfrist hinausgehende Zeitspanne zur Inangriffnahme der geschuldeten Leistungen eingeräumt, welche ergebnislos verstrichen sei. Die bisher erfolgte Lieferung der Software-Disketten ohne Programmierung begründe als eine für die klagende Partei nicht verwertbare Vorleistung keinen Zahlungsanspruch der beklagten Partei. Die klagende Partei habe mit 27. Februar 2002 den Rücktritt vom Vertrag Beilage 2 erklärt und die Rückabwicklung des Vertrags durch Rückzahlung des Werklohns von 42.513,61 EUR begehrt.
Die beklagte Partei wendete ein, der klagenden Partei fehle die aktive Klagslegitimation; Vertragspartnerin der beklagten Partei (offenbar gemeint: der Lizenzgeberin) sei die Lizenznehmerin gewesen; eine Abtretung ihrer vertraglichen Ansprüche an die klagende Partei wäre nach Punkt III.E. des Vertrags Beilage 2 nur mit Zustimmung der beklagten Partei möglich gewesen, worum sich die klagende Partei nie bemüht habe. Die beklagte Partei habe überdies ihre Verpflichtungen stets erfüllt; die klagende Partei habe nicht konkret dargelegt, welche vertraglichen Pflichten die beklagte Partei verletzt habe. Zudem sei der von der klagenden Partei am 27. Februar 2002 schriftlich erklärte Vertragsrücktritt gegenstandslos, weil in diesem keine Vertragsverletzung behauptet worden sei und - entgegen von Punkt III.C. des Vertrags Beilage 2 - auch die erforderliche Nachfristsetzung zur Vertragserfüllung nicht erfolgt sei. Selbst wenn jedoch eine wirksame Vertragsbeendigung erfolgt wäre, hätte die klagende Partei gemäß dem Vertragspunkt D.(d) (der Dienstleistungsvereinbarung) der beklagten Partei alle bis zum Beendigungszeitpunkt erbrachten Leistungen zu zahlen; die Zahlung sei ohnehin nur gegen erfolgte Abnahme der erbrachten Leistungen erfolgt.
Das Erstgericht wies das Schadenersatzbegehren auf Grund fehlender Konkretisierung des Schadens bzw. des rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens der beklagten Partei als unsubstantiiert und unschlüssig ab. Im Übrigen sei das Vertragsverhältnis ausgehend von seinem Inhalt als Dauerschuldverhältnis zu werten. In Vollzug gesetzte Dauerschuldverhältnisse könnten jedoch nicht durch Rücktritt gemäß § 918 ABGB aufgelöst, sondern nur aus wichtigem Grund ex nunc beendet werden; "der allein auf Vertragsrückabwicklung gestützte Anspruch" der klagenden Partei sei daher auch insoweit ohne weitere Beweisaufnahme abzuweisen.
Die klagende Partei wendete in der Berufung gegen dieses Urteil u.a. ein, durch die Lieferung von Software allein, die ohne Implementierung wertlos sei und keine teilbare Leistung des Gesamtauftrags darstelle, könne das Dauerschuldverhältnis nicht in Vollzug gesetzt worden sein. Die beklagte Partei habe darüber hinaus ihre Leistung verweigert.
Das Berufungsgericht verneinte (unanfechtbar) eine Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO und bestätigte im Übrigen das Ersturteil. Dass eine rechtliche Beurteilung ohne zu Grunde liegende Feststellungen getroffen worden sei, betreffe die - in diesem Fall nicht gegebene - gesetzmäßige Ausführung des Urteils. Die Frage der aktiven Klagelegitimation werde im Berufungsverfahren nicht mehr angeschnitten, weshalb sie als gegeben angenommen werde. Dem Klagebegehren auf Rückabwicklung sei weiters immanent, dass Leistungen - hier im Rahmen des Dauerschuldverhältnisses - erbracht worden seien. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil die zweite Instanz "in Übereinstimmung mit der von ihr zitierten Rsp entschieden habe" und eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei ist in Ansehung des Schadenersatzbegehrens von 100 EUR sA nicht zulässig, im Übrigen jedoch zulässig und mit ihrem Aufhebungsantrag auch berechtigt.
I.) Zur Teilabweisung der nicht ausreichend substanziierten Schadenersatzforderung von 100 EUR s.A. wird im Rechtsmittel nichts vorgetragen, was irgendwie als Relevierung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO angesehen werden könnte. Insoweit ist das Rechtsmittel zurückzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).
II.) Zur Teilabweisung des Betrags von 42.513,61 EUR s.A.:
a) Der behauptete Nichtigkeitsgrund liegt, wie der Oberste Gerichtshof prüfte, nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
b) Nach stRsp und herrschender Lehre können Dauerschuldverhältnisse mit Wirkung ex tunc durch Rücktritt gemäß §§ 918 ff ABGB aufgelöst werden, solange sie noch nicht begonnen, d.h. noch nicht in das Abwicklungsstadium getreten sind (EvBl 1960/223; MietSlg 40.069; 6 Ob 572/95 = JBl 1996, 177 = RZ 1996/22 mwN u.a.; RIS-Justiz RS0018365; Reischauer in Rummel3, vor §§ 918 bis 933 ABGB Rz 13 mwN). Ein noch nicht in Vollzug gesetztes Dauerschuldverhältnis kann somit nach § 918 ABGB gelöst werden. Der Rechtsansicht der zweiten Instanz, dass es sich im vorliegenden Fall auf Grund der Lieferung von Software, die den individuellen Bedürfnissen der klagenden Partei anzupassen und in der Folge zu pflegen gewesen sei, um ein Dauerschuldverhältnis handle, kann beim festgestellten Sachverhalt noch nicht überprüft werden. Das Vorbringen der klagenden Partei, nur das Standardprodukt I***** i.sell sei in Form von Kassetten geliefert, die (vereinbarte) Implementierung (Programmierung) von der beklagten Partei jedoch nicht vorgenommen worden, blieb ungeprüft; dass vor einer Programmierung die "Pflege" des Produkts bereits in Vollzug gesetzt worden sei, ist nur schwer vorstellbar. Der Rechtsmittelvorwurf der klagenden Partei, in den Urteilen der Vorinstanzen fehlten konkrete, für die rechtliche Beurteilung wesentliche Feststellungen, ob es sich beim vorliegenden Vertrag Beilage 2 um ein Dauerschuldverhältnis handle, ist daher berechtigt. Vorerst muss feststehen, auf Grund welcher vertraglicher Abmachungen welche konkreten Leistungen die Vertragsparteien und/oder ihre Rechtsnachfolger und/oder die Streitteile wann und wie zu erbringen hatten. Dabei wird auch die von der klagenden Partei in ihrem Vorbringen ins Spiel gebrachte Auftragsbestätigung vom 17. August 2000 zu berücksichtigen sein, im Besonderen, ob durch den Vertrag Beilage 2 diese Auftragsbestätigung nicht in Kraft gesetzt, abgeändert oder aufgehoben wurde oder beide nebeneinander bestehen sollten. In gleicher Weise ist dann zu klären, ob, allenfalls wann und durch welche konkreten beiderseitigen Leistungen der Vertrag Beilage 2 und/oder die Auftragsbestätigung in Vollzug gesetzt wurde. Die zweite Instanz führte dazu aus, es fehlten keine Feststellungen, weil schon dem Begehren der klagenden Partei auf Rückabwicklung immanent sei, dass Leistungen erbracht worden seien. Die klagende Partei gestehe auch zu, dass an dem Projekt Mitarbeiter der beklagten Partei beschäftigt gewesen und ihr Software-Disketten geliefert worden seien. Eine substanziierte Bestreitung durch die beklagte Partei sei nicht erfolgt, weshalb dieses Vorbringen als zugestanden zu beurteilen und der rechtlichen Beurteilung zu Grunde zu legen sei. Übersehen wird aber dabei, dass bei Dauerschuldverhältnissen erst nach Beginn der Dauerleistung ein Rücktritt wegen Verzug nicht mehr zulässig ist (RIS-Justiz RS0018327). Da vorerst noch gar nicht feststeht, was Vertragsinhalt war, kann auch noch nicht beurteilt werden, welche Leistung die Dauerleistung war und ob diese schon begonnen hatte. Dazu hat noch keine Partei etwas behauptet; auch festgestellt wurde dazu nichts.
b) Falls bei Vorliegen eines Dauerschuldverhältnisses der Vertrag Beilage 2 noch nicht in Vollzug gesetzt wurde und daher ein Vertragsrücktritt der klagenden Partei nach § 918 ABGB zulässig wäre, bedarf es noch eine Auseinandersetzung mit dem bereits in erster Instanz substantiierten Einwand der beklagten Partei, es fehle der klagenden Partei die aktive Klagelegitimation. Zutreffend wendet die beklagte Partei dazu in ihrer Revisionsbeantwortung ein, das Berufungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, die Frage der Legitimation werde im Berufungsverfahren nicht mehr angeschnitten, weshalb sie als gegeben angenommen werde. Widersprechen doch dem die mehrseitigen Ausführungen in der Berufungsbeantwortung der beklagten Partei (ON 12 S 3 ff = AS 69 ff), in denen die beklagte Partei umfassend zur ihrer Ansicht nach fehlenden aktiven Klagslegitimation Stellung nimmt.
c) Nach Lehre und Rsp (für viele dazu eingehend 1 Ob 340/98a = RdW 1999, 589 = immolex 1999, 328 = MietSlg 51/16 mwN aus Lehre und Rsp) können befristete wie unbefristete Dauerschuldverhältnisse analog den §§ 1117 f ABGB, aber auch zu anderen Regelungen im ABGB mit der Wirkung ex nunc jederzeit aus wichtigem Grund vorzeitig aufgelöst werden. Wenn dem maßgeblichen Klagevorbringen in erster Instanz noch entnommen werden könnte, die klagenden Partei strebe auch eine derartige Vertragsbeendigung durch Kündigung an (vgl. dazu das Protokoll über die Tagsatzung vom 24. Jänner 2003 ON 8 S 2 = AS 35), findet sich jedenfalls in ihrer Revision dazu nichts mehr. Im fortgesetzten Verfahren ist daher dieser Aspekt einer Kündigung eines - hier unterstellten - Dauerschuldverhältnisses nicht mehr zu prüfen.
c) Der Erstrichter wird sich im fortgesetzten Verfahren mit den zu a) und b) genannten Erwägungen auseinanderzusetzen und in einer neuen Entscheidung dazu konkrete Feststellungen zu treffen haben. Die vorinstanzlichen Entscheidungen müssen demnach aufgehoben und die Rechtssache muss an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen werden.
Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 52 Abs 1 ZPO.
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