OGH 1Ob111/04m

OGH1Ob111/04m25.6.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Staatsanwaltschaft Wien wider die beklagten Parteien 1. Michael B*****, vertreten durch Dr. Ulrike Koller, Rechtsanwältin in Melk, und 2. Grazyna B*****, vertreten durch Dr. Armin Bammer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehenichtigkeit infolge außerordentlicher Revision der zweitbeklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 7. Jänner 2004, GZ 42 R 812/03b-59, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin liegt ausreichende höchstgerichtliche Judikatur zur Frage der Grenzen des Untersuchungsgrundsatzes in vom Prinzip der amtswegigen materiellen Wahrheitsforschung beherrschten Verfahrensarten vor. Danach findet der Untersuchungsgrundsatz dort seine Grenze, wo eine weitere Beweisaufnahme nicht möglich ist oder deren Durchführung zu einer nicht absehbaren Prozessverschleppung führen würde (RIS-Justiz RS0043158, EFSlg 41.692, 7 Ob 615/85 mwN).

Im vorliegenden Fall konnte ein Zeuge deshalb nicht vernommen werden, weil er an den bisher bekannten Anschriften nicht aufhältig war und dem Gericht vom Postzusteller bekannt gegeben wurde, er wohne nun "in Amerika" (vgl ON 49). Die Parteien konnten keine Anhaltspunkte für dessen Aufenthaltsort nennen; die Zweitbeklagte erklärte lediglich, ihren Antrag auf Ausforschung und Ladung des Zeugen aufrecht zu erhalten. Wenn die Vorinstanzen unter diesen Umständen im Ergebnis die Auffassung vertraten, der Versuch einer Ausforschung des Zeugen würde zu einer nicht absehbaren Prozessverschleppung führen, so ist dies jedenfalls nicht als krasse Fehlbeurteilung anzusehen, die einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte. Der Hinweis der Revisionswerberin, bei Verwandten des Zeugen hätte allenfalls eine Anschrift in Amerika erfragt werden können, geht schon deshalb ins Leere, weil gar nicht behauptet wird, dass über dessen Aufenthaltsort informierte Verwandte auszuforschen gewesen wären.

Soweit die Ausforschung eines Zeugen zu Recht unterlassen wurde, liegt weder ein Verfahrensmangel noch ein Nichtigkeitsgrund vor. Eine weitere - allenfalls unzutreffende - Begründung des Berufungsgerichts für die Abstandnahme von der Ausforschung ist dann nicht von Bedeutung.

2. Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens im Zusammenhang mit der Erledigung der Beweisrüge liegt nach herrschender Judikatur nur dann vor, wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweiswürdigungsrüge gar nicht oder nur so mangelhaft befasst hat, dass keine nachvollziehbaren Überlegungen über die Beweiswürdigung angestellt und im Urteil festgehalten sind (Judikaturnachweise bei Kodek in Rechberger2, Rz 3 zu § 503 ZPO). Das Berufungsgericht ist nicht gehalten, auf jedes einzelne Beweisergebnis und jedes Argument in der Beweisrüge einzugehen; vielmehr reicht es regelmäßig aus, wenn aus den Erörterungen in der Berufungsentscheidung erkennbar ist, dass sich das Berufungsgericht mit den Ausführungen des Berufungswerbers ernsthaft auseinandergesetzt hat (vgl nur Arb 8982; EFSlg 55.108; SZ 52/196 ua).

Da die Behandlung der Beweisrüge stets von den Umständen des Einzelfalls abhängig ist, stellen sich hier regelmäßig erhebliche Rechtsfragen des Verfahrensrechts nicht. Die Revisionswerberin vermag auch nicht aufzuzeigen, dass das Berufungsgericht in unvertretbarer Weise erhebliche Beweisergebnisse außer Acht gelassen hätte. Ungeachtet der eher unglücklichen Formulierungen ist doch mit ausreichender Deutlichkeit zu erkennen, dass der Berufungssenat die Auffassung des Erstgerichts, den klaren und unbedenklichen Aussagen des Erstbeklagten stünden keine widersprechenden Beweisergebnisse entgegen, beitreten wollte; das Fehlen einer Auseinandersetzung mit der Aussage des vernommenen Trauzeugen lässt sich damit erklären, dass dieser zu den maßgeblichen Fragen keine konkreten Angaben machen konnte (oder wollte).

3. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen war für die Zweitbeklagte Grund für die Heirat ihr Interesse an einer Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung, um sich damit eine Anwartschaft auf den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft zu verschaffen. Damit ist der Tatbestand des § 23 Abs 1 EheG erfüllt, der eine Ehe für nichtig erklärt, die ausschließlich oder überwiegend zu dem Zweck geschlossen wird, einem Ehepartner den Erwerb der Staatsangehörigkeit des anderen zu ermöglichen, ohne dass die eheliche Lebensgemeinschaft begründet werden soll. Das Gesetz differenziert nicht danach, ob der Erwerb der Staatsbürgerschaft unmittelbar durch die Eheschließung oder erst später eintreten soll. Daran, dass die Eheschließung den Erwerb der Staatsbürgerschaft "ermöglichen" sollte, kann aber nach den getroffenen Feststellungen kein Zweifel bestehen. Steht nun das Motiv der Eheschließung im dargelegten Sinn fest, ist es für die Frage der Nichtigkeit auch nicht von Bedeutung, wenn ein Ehegatte von der Weiterverfolgung des ursprünglich ins Auge gefassten Zwecks abrückt oder gar die Erreichung dieses Ziels vereitelt, sofern nicht der Ausnahmetatbestand des § 23 Abs 2 EheG erfüllt ist. Dem Umstand, dass die Zweitbeklagte kurz nach der Eheschließung nach München zog, kommt daher entgegen den Revisionsausführungen keine Bedeutung zu.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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