Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die am 16. 12. 1943 geborene und am 16. 8. 2003 verstorbene Gerlinde M***** bezog vom Land Wien Pflegegeld der Stufe 3. Mit Bescheid vom 10. 1. 2003 hat das Land Wien den Erhöhungsantrag vom 16. 1. 2002 abgewiesen.
Das Erstgericht hat die dagegen erhobene Klage abgewiesen und unter anderem festgestellt, dass der Verdacht, dass Gerlinde M***** an Multipler Sklerose litt, aus anamnestischen Gründen nicht objektiviert werden konnte.
Das Berufungsgericht hat die Entscheidung des Erstgerichts bestätigt. Es sah als unbedenklich an, dass das Erstgericht die Diagnose Multiple Sklerose nicht als erwiesen erachtete, und übernahm die Feststellungen des Erstgerichts. Die ordentliche Revision wurde mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht zugelassen. In der außerordentlichen Revision wird geltend gemacht, dass dem Berufungsgericht mehrere grobe Fehlbeurteilungen anzulasten seien. Insbesondere sei das Berufungsgericht dem Erstgericht (trotz grober Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens) darin gefolgt, dass Gerlinde M***** nicht an Multipler Sklerose gelitten habe. Weiters sei Gerlinde M***** vom Berufungsgericht - trotz Fehlens entsprechender erstgerichtlicher Feststellungen - zu Unrecht als "passive" Rollstuhlfahrerin qualifiziert worden.
Rechtliche Beurteilung
Nach ständiger Rechtsprechung können Mängel des Verfahrens erster Instanz, die bereits in der Berufung geltend gemacht wurden und die das Berufungsgericht verneint hat, im Revisionsverfahren nicht mehr mit Erfolg aufgegriffen werden; dies gilt auch für Verfahren nach dem ASGG (SSV-NF 7/74, 11/15 uva; RIS-Justiz RS0042963 [T45] und RS0043061; Kodek in Rechberger, ZPO2 § 503 Rz 3).
Aus den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils geht hervor, dass das Berufungsgericht seiner Pflicht, die Beweiswürdigung des Erstgerichtes zu überprüfen, nachgekommen ist. Es hat dargestellt, warum es die von der Berufungswerberin geltend gemachten Bedenken gegen diese Beweiswürdigung nicht teilt, sondern die bekämpfte Negativfeststellung des Erstgerichts zur Frage des Vorliegens einer Multiplen Sklerose für richtig hält. Die Rüge, dass sich die Tatsacheninstanzen dabei nicht mit bestimmten Beweisergebnissen auseinandergesetzt hätten, stellt eine im Revisionsverfahren unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung dar (RIS-Justiz RS0043131).
Die Mindesteinstufungen nach § 4a Abs 1 bis 3 WPGG (ebenso § 4a Abs 1
bis 3 BPGG) knüpfen an das Vorliegen bestimmter Diagnosen an,
darunter eine Encephalitis disseminata (Multiple Sklerose). Zwar ist
§ 4a WPGG trotz der taxativen Aufzählung der Diagnosen grundsätzlich
analogiefähig (10 ObS 280/00z; RIS-Justiz RS0114271). Allerdings
kommt die analoge Anwendung der in § 4a WPGG normierten
diagnosebezogenen Mindesteinstufung nur dann in Betracht, wenn der
Pflegegeldwerber eine der in § 4a Abs 1 ausdrücklich angeführten
Diagnosen ihrem Inhalt nach vergleichbare und in ihren Auswirkungen
gleichzusetzende Diagnose aufweist (10 ObS 110/00z = SSV-NF 14/55; 10
ObS 211/02f = SSV-NF 16/83). Dies ist bei einer morbiden Adipositas
aber nicht der Fall.
Somit kommt der Frage der Qualifikation der Pflegegeldwerberin als "aktive" oder "passive" Rollstuhlfahrerin keine Bedeutung mehr zu. Die außerordentliche Revision ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
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