OGH 12Os41/04

OGH12Os41/0427.5.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Mai 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber, Dr. Philipp, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Pröstler-Zehetmaier als Schriftführer, in der Strafsache gegen Romulus A***** und Ioan S***** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßig schweren Diebstahls als Mitglied einer kriminellen Vereinigung nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 130 zweiter und dritter Fall und 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten S***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Jugendschöffengericht vom 2. Februar 2004, GZ 143 Hv 9/04y-39, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen der Angeklagten Ioan S***** und Romulus A***** (in Ansehung des Letztgenannten gemäß § 290 Abs 1 StPO) zu Punkt II/A und demgemäß in den Strafaussprüchen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner gegen den Strafausspruch gerichteten Berufung wird der Angeklagte S***** auf diese Entscheidung verwiesen. Dem Angeklagten S***** fallen auch die auf den erfolglosen Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde entfallenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Angeklagten Romulus A***** und Ioan S***** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten (richtig - vgl Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 148 Rz 10) gewerbsmäßig schweren Diebstahls als Mitglied einer kriminellen Vereinigung nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 130 (richtig:) zweiter und dritter Fall und 15 StGB schuldig erkannt.

Darnach haben sie in Wien und an anderen Orten Österreichs, jeweils im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) gewerbsmäßig (US 14) und als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung eines oder mehrerer anderer Mitglieder dieser Vereinigung, teilweise gemeinsam, teilweise mit gesondert verfolgten oder bislang unbekannten Mittätern fremde bewegliche Sachen in einem 2000 EUR übersteigenden Wert anderen mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern,

I. weggenommen und zwar

A) Romulus A***** und Ioan S***** gemeinsam mit dem flüchtigen

Dumitru T***** (alias "Cesar") in Wien

1. am 14. Oktober 2003 der Maria P***** einen Bargeldbetrag von 2.880 EUR, indem sie ihr eine Bankomatkarte „stahlen" und mit dieser anschließend 2.880 EUR an einem Geldausgabeautomaten vom Konto behoben;

2. am 17. Oktober 2003 dem Kurt S***** in drei Angriffen einen Bargeldbetrag von 3.490,18 EUR indem sie ihm die Bankomatkarte „stahlen" und mit dieser

  1. a) bei einem Bankomaten 400 EUR behoben;
  2. b) bei einem Geldausgabeautomaten 3000 EUR behoben, sowie
  3. c) Waren der Firma M***** im Wert von 90,80 EUR bezahlten;

    3. am 18. Oktober 2003 den Kurt S***** in weiteren vier Angriffen weitere 4.198 EUR Bargeld, indem sie mittels der am 17. Oktober 2003 weggenommenen Bankomatkarte

  1. a) bei einem Bankomaten 400 EUR Bargeld behoben;
  2. b) bei einem Geldausgabeautomaten 3000 EUR behoben, sowie
  3. c) im D***** Waren im Wert von 215 EUR und 583 EUR per Bankomatkasse bezahlten;

    B) Romulus A***** und Ioan S***** am 30. Oktober 2003 in St. Pölten

    gemeinsam mit dem gesondert verfolgten Claudiu L***** dem Bertram P***** 12,06 Liter Superbenzin im Wert von 11,08 EUR, indem sie an dessen Tankstelle tankten und ohne zu bezahlen mit dem PKW davonfuhren;

    C) Ioan S***** gemeinsam mit den gesondert verfolgten Dumitru T*****

    (alias "Cesar") Gheorge C*****, Nadja H***** und Vasilica N***** sowie weiteren bislang unbekannt gebliebenen Mittätern im Jahre 2003 an verschiedenen Orten Österreichs in zumindest 10-15 Angriffen bislang unbekannt gebliebenen Personen Bargeld in nicht bekannter Höhe, indem sie diesen die Bankomatkarte entwendeten und bei Bankomaten bzw. Bargeldausgabeautomaten Geld von den Konten der Geschädigten behoben;

    II. wegzunehmen versucht, und zwar Romulus A***** und Ioan S***** gemeinsam mit dem gesondert verfolgten Dumitru T*****, alias "Cesar" in Wien

    A) am 12. Oktober 2003 der Sretana K***** eine unbestimmte Menge

    Bargeld, indem sie ihr die Bankomatkarte entwendeten, um damit später Bargeld zu beheben, wobei es jedoch infolge zwischenzeitlich durchgeführter Sperre der Karte zu keiner Behebung mehr kam;

    B) am 18. Oktober 2003 dem Kurt S*****, indem sie versuchten, mit der

    ihm am 17. Oktober 2003 entwendeten Bankomatkarte im D***** in Wien in einem weiteren Angriff Waren im Wert von 1.000 EUR über die Bankomatkasse zu bezahlen, was wegen zwischenzeitlicher Sperre der Karte misslang.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen vom Angeklagten Ioan S***** aus den Gründen der Z 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt bloß teilweise Berechtigung zu.

Die Subsumtionsrüge (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) ist zur Gänze nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt:

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, dass die Tatopfer nicht durch den Gewahrsamsbruch, sondern erst durch die Kontoabbuchungen geschädigt wurden, vermag er das Strafgesetz dessen Annahme er statt des herangezogenen anstrebt, nicht anzugeben (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 10 E 8). Im Übrigen ist Gewahrsamsbruch des durch die Tat Geschädigten nicht Tatbildmerkmal des Diebstahls (Bertel in WK2 § 127 Rz 10).

Soweit sich die Rüge gegen die Annahme der Qualifikation nach § 130 dritter Fall StGB richtet, geht sie über die Feststellung hinweg, dass es den Angeklagten "regelmäßig" auf die fortlaufende Begehung schwerer Diebstähle in der Höhe des jeweiligen Abhebungslimits von 3.000 EUR ankam (US 14).

Im Recht ist hingegen die auf die Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Rüge, wonach zu Punkt II/A des Urteils einen strafbaren Diebstahlsversuch tragende Feststellungen nicht getroffen wurden:

Nach § 15 Abs 2 StGB ist die Tat dann versucht, sobald der Täter seinen Entschluss, sie auszuführen oder einen anderen dazu zu bestimmen (§ 12 StGB), durch eine der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung betätigt. Die Annahme eines Versuchs setzt somit eine zeitliche und örtliche Ausführungsnähe und eine unmittelbare sinnfällige Beziehung zum tatbildmäßigen Unrecht voraus. Ausführungsnahe ist ein Verhalten in objektiver Beziehung, wenn es im nahen Vorfeld der Erfolgsverwirklichung liegt, in subjektiver Beziehung, wenn seine Handlung nach seinen Vorstellungen (Tatplan) der Ausführung unmittelbar vorangeht (siehe Fabrizy StGB8 § 15 Rz 17 mwN).

Zum Faktum II/A hat das Erstgericht die Feststellungen getroffen, dass die drei Täter nach Erbeutung der Bankomatkarte flüchteten, das Tatopfer sofort das Fehlen dieser Karte bemerkt hat und diese sperren ließ, so dass es zu keinen Abhebungen kam (US 7). Eine Verwendung der entfremdeten Bankomatkarte stellte das Erstgericht nicht fest. Somit liegen keine Konstatierungen vor, die eine Beurteilung des Verhaltens der Angeklagten als ausführungsnah in Bezug auf einen Gelddiebstahl mittels der entzogenen Bankomatkarte zuließen.

Dieser Mangel (an rechtsirrtümlich unterlassenen Feststellungen) kommt auch dem Angeklagten Romulus A***** - der keine Nichtigkeitsbeschwerde erhoben hat - zugute und war daher gemäß § 290 Abs 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmen (§§ 285e, 290 Abs 1 StPO). Im Übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde schon in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO).

Im erneuerten Verfahren werden - auf Grund der Aktenlage nicht auszuschließende - Feststellungen dahin zu treffen sein, ob die Angeklagten oder ein anderes Mitglied der kriminellen Vereinigung Anstalten getroffen haben, die entfremdete Bankomatkarte zu verwenden. Weiters wird das Schöffengericht die zur Beurteilung, ob die Angeklagten durch die Entfremdung der Bankomatkarte das Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB zu verantworten haben (SSt 56/89, 14 Os 71, 78/96), nötigen Konstatierungen zu treffen haben. Bei der Subsumtion werden die durch das Strafrechtsänderungsgesetz 2004 (BGBl I Nr. 15/2004) neu geschaffenen Strafbestimmungen hinsichtlich unbarer Zahlungsmittel sowie die Übergangsbestimmung zu beachten sein.

Schließlich ist anzumerken, dass die Bestimmung des § 36 StGB bei Verhängung von Freiheitsstrafen über Personen unter einundzwanzig Jahren jedenfalls anzuwenden ist und daher - der verfehlten Auffassung des Erstgerichtes zuwider - bei der Bemessung der Freiheitsstrafe des jungen Erwachsenen Romulus A***** statt von einem Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren von einem solchen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren (§ 36 dritter Satz StGB) auszugehen ist. Mit seiner Strafberufung war der Angeklagte Ioan S***** auf die Kassation des Strafausspruchs zu verweisen.

Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.

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