OGH 6Ob14/04h

OGH6Ob14/04h27.5.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Markus T*****, vertreten durch die Mutter Sibylle Sigrid T*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der W***** Versicherung Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Winkler Reich-Rohrwig Illedits Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 18. November 2003, GZ 2 R 293/03b-26, womit der Rekurs der Versicherung gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 13. Oktober 2003, GZ 20 P 3004/95f-21, zurückgewiesen wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Rekursgerichtes wird aufgehoben. Dem Rekursgericht wird eine neuerliche Entscheidung über den Rekurs der Versicherung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung

Das Versicherungsunternehmen rekurrierte gegen die vom Pflegschaftsgericht zur Wahrung der Rechte eines Minderjährigen verfügten Aufträge, die Feuerversicherung in der Weise zu sperren, dass ohne gerichtliche Zustimmung eine Vertragskündigung, Minderung der Versicherungssumme oder Auszahlung nicht erfolgen könne. Das Pflegschaftsgericht sei ferner von jedem Verzug bei der Prämienzahlung zu verständigen.

Das Rekursgericht stellte nach dem Akteninhalt im Wesentlichen Folgendes fest:

Seit der einvernehmlichen Scheidung der Eltern des Kindes am 9. 11. 1995 steht die Obsorge der Mutter alleine zu. Aufgrund des Scheidungsfolgenvergleiches wurde die Mutter Alleineigentümerin einer Liegenschaft mit einem Einfamilienhaus. Für dieses bestand eine Feuerversicherung bei einem anderen Versicherungsunternehmen. Die Feuerversicherung "war zugunsten des Minderjährigen vinkuliert". Die Mutter bevollmächtigte eine Versicherungsagentur, beim Pflegschaftsgericht namens des Minderjährigen zu beantragen, dass die Versicherungssperre aufgehoben werde, weil bei der Revisionsrekurswerberin eine neue Versicherung abgeschlossen werden sollte, die bereits ebenfalls zugunsten des Minderjährigen vinkuliert sei.

Das Erstgericht hob die Versicherungssperre der zuletzt bestehenden Feuerversicherung auf und traf die angefochtenen Verfügungen zur neuen, bei der Revisionsrekurswerberin abgeschlossenen Versicherungspolizze. Die Revisionsrekurswerberin hatte dem Erstgericht zuvor noch Folgendes mitgeteilt:

"Versicherungssumme EUR 236.104 für den Neubauwert. Wir bestätigen, dass uns von Ihnen zu oben angeführter Polizze das Pfandrecht angemeldet wurde.

Es gelten die §§ 99 bis 107 b Versicherungsvertragsgesetz. Nach einem Feuerschaden werden wir den vom Pfandrecht erfassten Entschädigungsbetrag nur mit Ihrer Zustimmung zur Auszahlung bringen, solange die Sicherung der Verwendung des Geldes zum Wiederaufbau nicht gegeben ist. Wir werden Ihnen weiters jede Kündigung des Versicherungsvertrages oder Herabsetzung der Versicherungssumme oder des Haftungsumfanges sowie jeden Verzug in der Prämienzahlung gemäß den Bestimmungen des § 101 Versicherungsvertragsgesetz bekanntgeben". Das Rekursgericht wies den Rekurs der Versicherung mangels Beschwer zurück. Die angefochtene Entscheidung entspreche dem Antrag der Mutter. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels sei ein Eingriff in die Rechtssphäre des Rechtsmittelwerbers. Dieser müsse durch die angefochtene Verfügung in seinen rechtlich geschützten Interessen unmittelbar beeinträchtigt werden. Die Berührung bloß wirtschaftlicher Interessen genüge nicht. Hier werde nicht in die Rechtssphäre des Vesicherungsunternehmens eingegriffen. Die Rekurswerberin führe selbst aus, dass alleine die Rechte der Versicherungsnehmerin, also der Mutter des Minderjährigen, berührt seien, sodass sich schon daraus keine Rechtsmittellegitimation ergebe.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 20.000 EUR übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Mit ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs beantragt das Versicherungsunternehmen die Aufhebung der Rekursentscheidung und in der Sache selbst die ersatzlose Behebung der Verfügungen des Erstgerichtes.

Die Mutter als gesetzliche Vertreterin des Kindes hat sich zum Revisionsrekurs nicht geäußert.

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichtes zulässig und im Sinne einer Aufhebung der Rekursentscheidung zur neuerlichen Entscheidung über den Rekurs in der Sache selbst auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

I. Der Oberste Gerichtshof hatte sich erst jüngst in zwei Entscheidungen bei ähnlichen Sachverhalten mit dem Problem der Beschwer eines Versicherungsunternehmens durch vom Pflegschaftsgericht angeordnete Verfügungen auseinanderzusetzen. In den Entscheidungen 9 Ob 7/04a und 6 Ob 233/03p wurde eine Beschwer des Versicherungsunternehmens jeweils deshalb verneint, weil nach den getroffenen Feststellungen und dem Revisionsrekursvorbringen klargestellt war, dass es bei Eintritt des Versicherungsfalls keinesfalls zu einer Auszahlung an den Pflegebefohlenen kommen könne, weil dieser (jeweils) nicht Versicherungsnehmer war. In der Entscheidung 9 Ob 7/04a wurde darauf hingewiesen, dass das verfügte Kündigungsverbot sich nicht auf das Kündigungsrecht der Versicherung beziehe. In 6 Ob 233/03p wurde noch ausgeführt, dass der relevierte interne Verwaltungsaufwand eine Beschwer nicht begründen könne. Den beiden Vorentscheidungen lag insofern ein anderer Sachverhalt zugrunde, als dort in den Mitteilungen des Pflegschaftsgerichtes an den Versicherer jeweils nicht auf eigene Rechte des Pflegebefohlenen am Versicherungsobjekt hingewiesen worden war. Nach dem wiedergegebenen Sachverhalt wurde der Versicherung dort auch nicht eine Handlungspflicht (Meldepflicht bezüglich Prämienrückstände) aufgetragen.

II. Das Erstgericht begründete seine Verfügungen lediglich damit, dass für das Kind ob der Liegenschaft (dem Versicherungsobjekt) Rechte einverleibt seien. Feststellungen über den aktuellen Grundbuchsstand wurden nicht getroffen. Aktenkundig ist nur das schon 1996 eingetragen gewesene Veräußerungsverbot (§ 364c ABGB) zugunsten des Minderjährigen, wie es im Scheidungsvergleich der Eltern vereinbart worden war. Unstrittig steht ferner fest, dass die Mutter des Kindes Versicherungsnehmerin in ihrer Eigenschaft als Liegenschaftseigentümerin ist. Feststellungen aus dem Versicherungsvertrag wurden mit Ausnahme der nicht näher konkretisierten Feststellung, dass der beim vormaligen Versicherungsunternehmen bestehende Versicherungsvertrag (der aufgehoben wurde) zugunsten des Kindes vinkuliert war. Ob der Versicherungsvertrag selbst begünstigende Bestimmungen zugunsten des Kindes enthält, steht ebensowenig fest wie allfällige Ansprüche des Kindes gegenüber seiner Mutter auf Sicherung des offenkundig mit der Einräumung des Veräußerungsverbots angestrebten Zwecks der Erhaltung der Liegenschaft für den Erbfall (dazu RIS-Justiz RS0010747).

Ausgehend von diesem Sachverhalt ist Folgendes auszuführen:

1. Die bekämpften Maßnahmen haben ihre Grundlage in der Aufsichtspflicht des Gerichtes über die Verwaltung des Vermögens Pflegebefohlener durch den gesetzlichen Vertreter des Kindes (§ 193 AußStrG idF des KindRÄG 2001) und setzen das Vorhandensein eines Kindesvermögens voraus. Wenn ein solches existiert, kann das Gericht Sicherungsmaßnahmen treffen, die auch in bestehende Verträge eingreifen können, wie etwa die Sperre von Bankguthaben oder andere dem § 382 EO entsprechende Maßnahmen (§ 193 Abs 1 AußStrG). Wenn das Kind selbst Eigentümer des Versicherungsobjektes und Versicherungsnehmer ist, muss der Versicherer derartige Sicherungsmaßnahmen akzeptieren, weil sie ausschließlich die Sphäre seines Vertragspartners betreffen, dessen Verfügungsgewalt vom Gesetz beschränkt wird. Eine Auszahlungssperre gibt dann nur die gesetzliche Rechtslage wieder, weil eine schuldbefreiende Zahlung an Pflegebefohlene eben nur an dessen gesetzlichen Vertreter, ab einer gewissen Höhe auch nur unter Mitwirkung des Pflegschaftsgerichtes erfolgen kann. Ohne vermögenswerte Rechte des Pflegebefohlenen am Versicherungsobjekt bedeuten Sicherungsmaßnahmen aber einen Eingriff in fremde Vertragspositionen, hier in diejenige des Versicherers und der Mutter als Versicherungsnehmerin. Bei einem derartigen Eingriff kann aber eine Beschwer des Versicherers nicht mehr verneint werden. Seine vertragliche Rechtsposition erfährt Einschränkungen. Die verfügten Unterlassungs- und Handlungspflichten begründen dann eine Beteiligtenstellung und eine Rekurslegitimation des Versicherers, in dessen Rechtssphäre hier schon dadurch eingegriffen wurde, dass er bei einer Befolgung der Aufträge der Versicherung unter Umständen dem Risiko ausgesetzt wird, berechtigen Forderungen des Vertragspartners (der Mutter) nicht Folge leisten zu können (vgl für den vergleichbaren Fall des Risikos einer Doppelauszahlung: 1 Ob 172/99x). Die Anordnung einer Meldepflicht über Prämienrückstände ist eine in die Rechtssphäre des Versicherers eingreifende Verfügung.

2. Das Veräußerungsverbot (das meist auch ein Belastungsverbot inkludiert: Spielbüchler in Rummel ABGB3 Rz 3 zu § 364c mwN) hindert grundsätzlich jede Übertragung der Sache, stellt aber selbst kein Vermögensrecht dar, sondern ist ein höchstpersönliches, nicht verwertbares Recht (RS0010805; RS0010723). Wenn es alleine die Grundlage der Sicherungsmaßnahmen des Pflegschaftsgerichtes darstellte, hätten diese mangels Vorliegens eines sicherungsfähigen Vermögens des Kindes zu entfallen.

3. Ein Vermögenswert des Kindes könnte allerdings in einem Anspruch gegen seine Mutter begründet sein, wenn sie sich gegenüber dem Kind verpflichtet hätte, den im Gebäudewert liegenden Vermögenswert zu erhalten und die Versicherungssumme nach einem Brandschaden für die Wiedererrichtung des Gebäudes zu verwenden. Derartiges wurde vom Erstgericht im Rahmen seiner amtswegigen Untersuchungspflicht aber nicht festgestellt. Eine Verpflichtung der Mutter könnte überdies im Scheidungsvergleich oder im Versicherungsvertrag selbst begründet worden sein, wofür allenfalls der aktenkundige Umstand sprechen könnte, dass in einigen Mitteilungen der früheren Versicherer von einem Pfandrecht (des Kindes) die Rede ist. Wenn ein vermögenswerter Erhaltungsanspruch des Kindes gegenüber seiner Mutter zu bejahen wäre, wären Sicherungsmaßahmen im Sinne des § 193 Abs 1 AußStrG iVm § 382 Z 7 EO zulässig. In sinngemäßer Anwendung dieses Sicherungsmittels wäre der Versicherer dann als Drittschuldner aufzufassen, der Mutter könnte ein Verfügungsverbot erteilt werden, dem Versicherer ein Auszahlungsverbot.

4. Im Gegensatz zu den zitierten Vorentscheidungen des Obersten Gerichtshofes kann hier eine Beschwer der Rechtsmittelwerberin schon wegen der verfügten Handlungspflicht, aber auch wegen der für eine verlässliche Beurteilung der Sache noch aufklärungsbedürftigen aufgezeigten Umstände nicht verneint werden. Dazu ist nochmals auf den Umstand hinzuweisen, dass in früheren Versicherungsverträgen (die Revisionsrekurswerberin ist der letzte Versicherer in einer Kette übergegangener Feuerversicherungsverträge) einmal das Kind sogar (offensichtlich fälschlich) als Liegenschaftseigentümer, jedenfalls aber auch als pfandberechtigt bezeichnet wurde und dass die Rechtsvorgänger der Revisionsrekurswerberin und diese selbst die Versicherungssperre wegen eines Pfandrechtes zur Kenntnis nahmen, sodass auch zu prüfen sein wird, ob die angefochtenen Verfügungen des Pflegschaftsgerichtes ihre Grundlage in einem zugunsten des Kindes bestehenden Pfandrecht haben. Zur Verfahrensergänzung wird es allenfalls auch erforderlich sein, Feststellungen aus dem Versicherungsvertrag zu treffen.

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