OGH 9ObA64/04h

OGH9ObA64/04h26.5.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald Kaszanits und Anton Gabmayer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Markus L*****, Arbeiter, *****, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1011 Wien, wegen Feststellung (Streitwert EUR 20.000), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 9. März 2004, GZ 15 Ra 17/04v-19, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Im vorliegenden Fall ist die Berechtigung der Entlassung des Klägers strittig, der als Hausmeister eines Bundesrealgymnasiums beschäftigt war. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen wurde er nach § 34 Abs 2 lit b VBG entlassen, nachdem dem Vertreter des Dienstgebers bekannt geworden war, dass der Kläger eine ebenfalls an der Schule tätige Reinigungskraft sexuell belästigt hatte, einmal, indem er sie am Pullover gezogen, ein anderes Mal, indem er ihr in den Ausschnitt gegriffen hatte.

Eine Diskriminierung auf Grund des Geschlechts liegt unter anderem vor, wenn eine Dienstnehmerin im Zusammenhang mit ihrem Dienstverhältnis durch Dritte, das sind von der Vertreterin oder dem Vertreter des Dienstgebers verschiedene Personen, sexuell belästigt wird (§ 7 Abs 1 Z 2 B-GBG). Eine Diskriminierung liegt auch vor, wenn es der Vertreter des Dienstgebers in einem derartigen Fall schuldhaft unterlässt, angemessene Abhilfe zu schaffen (§ 7 Abs 1 Z 3 B-GBG). Sexuelle Belästigung ist anzunehmen, wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt, das für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig ist und eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft (§ 7 Abs 2 B-GBG). Jede derartige Diskriminierung durch Bedienstete verletzt die Verpflichtungen, die sich aus dem Dienstverhältnis ergeben, und ist nach den dienst- und disziplinarrechtlichen Vorschriften zu verfolgen (§ 8 B-GBG).

Sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz sind inakzeptabel, denn sie verletzen die Menschenwürde (9 ObA 292/99b = DRdA 2001/15 [Smutny]; 9 ObA 143/03z ua). Es handelt sich um Gewaltakte in dem Sinn, dass es von den Betroffenen nicht erwünschte Handlungen sind, die ihre Persönlichkeitsgrenzen und ihre Selbstbestimmung nicht achten. Unter sexuelle Belästigungen fallen Handlungen, die geeignet sind, die soziale Wertschätzung der betroffenen Frauen durch Verletzung ihrer Intimsphäre und der sexuellen Integrität im Betrieb herabzusetzen und deren Ehrgefühl grob zu verletzen (9 ObA 319/00b = DRdA 2001/16 [Smutny]). Körperliche Kontakte gegen den Willen der betroffenen Frauen ("Begrapschen") überschreiten im Allgemeinen die Toleranzgrenze (9 ObA 292/99b). Durch die sexuellen Übergriffe entsteht ein belastendes Arbeitsklima, das die Arbeitsfähigkeit der Betroffenen nachhaltig beeinträchtigt. Sie fühlen sich in ihrer Bewegungsfreiheit am Arbeitsplatz eingeschränkt und stehen unter permanenter Anspannung (Beermann/Meschkutat, Psychosoziale Faktoren am Arbeitsplatz unter Berücksichtigung von Stress und Belästigung 25; Smutny/Mayr, GlBG 319 ff ua).

Der Dienstgeber hat dafür zu sorgen, dass die geschlechtliche Selbstbestimmung, sexuelle Integrität und Intimsphäre der DienstnehmerInnen nicht gefährdet wird (§ 7 Abs 1 Z 3 B-GBG; 9 ObA 292/99b). Der Schutz der Fürsorgepflicht umfasst die Persönlichkeit der DienstnehmerInnen; es geht nicht nur punktuell um die Rechtsgüter Leben, Gesundheit, Sittlichkeit und Eigentum, sondern um die Persönlichkeitsrechte in ihren diversen Ausstrahlungen schlechthin (9 ObA 143/03z).

Das Dienstverhältnis kann, wenn es für unbestimmte Zeit eingegangen wurde, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist von jedem Teil aus wichtigen Gründen gelöst werden (§ 34 Abs 1 VBG). Ein wichtiger Grund, der den Dienstgeber zur Entlassung berechtigt, liegt insbesondere vor, wenn der Vertragsbedienstete sich einer besonders schweren Verletzung der Dienstpflichten oder einer Handlung oder einer Unterlassung schuldig macht, die ihn des Vertrauens des Dienstgebers unwürdig erscheinen lässt, insbesondere wenn er sich Tätlichkeiten oder erhebliche Ehrverletzungen gegen Vorgesetzte oder Mitbedienstete zuschulden kommen lässt (§ 34 Abs 2 lit b VBG). Wie der Senat bereits erkannte, ist sexuelle Belästigung ein wichtiger Grund, der den Dienstgeber zur vorzeitigen Auflösung des Dienstverhältnisses berechtigt (9 ObA 2217/96m; 9 Ob 292/99b ua). Der Dienstgeber darf das Verhalten des Belästigers mit der sofortigen Beendigung des Dienstverhältnisses des Belästigers beantworten, um sich unter anderem nicht dem Vorwurf auszusetzen, nicht für geeignete Abhilfe gesorgt zu haben (§ 7 Abs 1 Z 3 B-GBG; 9 ObA 292/99b). Die festgestellten Übergriffe des Klägers wirkten für die betroffene Mitbedienstete nicht nur in objektiver Hinsicht ehrverletzend, sondern riefen diese Wirkung auch in subjektiver Hinsicht hervor (RIS-Justiz RS0029827, RS0029845 ua). Da bei der Beurteilung des Vorliegens eines Entlassungsgrunds ein objektiver Maßstab anzulegen ist, ist es nicht entscheidend, ob die sexuell belästigte Dienstnehmerin die Entlassung des Belästigers wollte (9 ObA 15/01y). Dass die sexuellen Übergriffe des Dienstnehmers, als sie dem Dienstgeber bekannt wurden, bereits mehr als ein halbes Jahr zurückliegen, nimmt ihnen nicht die Unzumutbarkeit der weiteren Beschäftigung des Dienstnehmers (9 ObA 292/99b). Aus dem Vergleich mit anderen Sachverhalten sexueller Belästigung ist für den Standpunkt des Klägers nichts zu gewinnen. Letztlich hängt es von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab, ob eine sexuelle Belästigung als entlassungswürdig zu qualifizieren ist (vgl Kuderna, Entlassungsrecht² 123; Eichinger in DRdA 1997, 51 [58]; 9 ObA 254/90; 9 ObA 292/99b ua). Diesen Umständen kommt in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zu, sofern nicht eine unvertretbare Beurteilung des Berufungsgerichtes vorliegt. Von einer solchen kann hier jedoch keine Rede sein.

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