Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei und der Nebenintervenientin binnen 14 Tagen die mit je 499,39 EUR (darin 83,23 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu zahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die beklagte Partei ist Mieterin eines Geschäftslokals in einem im Eigentum des Klägers stehenden Haus. Im Zeitpunkt ihrer Gründung (1994) waren fünf Gesellschafter an ihr beteiligt, nämlich die Eheleute Johann und Helga K***** sowie deren Kinder Sabine P***** und Hannes K***** mit jeweils 22 %, und der Bruder von Helga K***** mit 12 %. Am 6. 6. 1998 schied Letzterer aus der beklagten Partei aus, wodurch sich die Anteile von Johann und Helga K***** auf je 28 % erhöhten. Vor diesem Zeitpunkt leiteten die Eheleute das Unternehmen, waren Johann K***** alleiniger Geschäftsführer und Helga K***** Prokuristin. Seit 1998 ist Hannes K***** Geschäftsführer der beklagten Partei. Die im Juni 1998 erfolgte Veräußerung der Geschäftsanteile wurde dem Kläger bzw dessen Hausverwaltung nicht angezeigt. Mit der formellen Abwicklung der Abtretung der Geschäftsanteile war Dr. P***** - in der Folge Nebenintervenient genannt - beauftragt worden. Dieser hatte den Gesellschaftern gegenüber verneint, dass die Übernahme der Geschäftsanteile mietrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könnte. Nachdem der Kläger - zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt - vom Übergang der Geschäftsanteile erfahren hatte, hob er mit Schreiben vom 28. 2. 2002 den Mietzins "auf das angemessene Ausmaß" an und wurden die seiner Meinung nach seit 1. 6. 1999 aushaftenden Mietzinsbeträge nachgefordert.
Der Kläger begehrte die Zahlung von 6.812,39 EUR sA. Im Juni 1998 sei es zu einer Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeit bei der beklagten Partei gekommen, die dem Kläger nicht angezeigt worden sei. Aufgrund der gerechtfertigten Anhebung auf das angemessene Ausmaß hafte für die letzten drei Jahre ein Hauptmietzinsbetrag in Höhe des Klagebegehrens aus. Die Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeit liege darin, dass die Ehegatten Johann und Helga K***** seit 6. 6. 1998 gemeinsam über 56 % der Geschäftsanteile verfügten. Die beiden hätten "eine einheitliche Interessenlage"; ihr Sohn - und Geschäftsführer - sei dem Willen seiner Eltern völlig ausgeliefert.
Die beklagte Partei wendete ein, die Anhebung des Mietzinses sei zu Unrecht erfolgt, denn die rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten hätten sich nicht geändert. Lediglich die Anteile eines (familienfremden) Gesellschafters (12 %) seien aufgeteilt worden, die Einflussmöglichkeit der einzelnen Gesellschafter sei unverändert geblieben.
Der Nebenintervenient schloss sich den Einwendungen der beklagten Partei an und führte aus, keine falsche rechtliche Auskunft erteilt und damit keine Pflichtverletzung begangen zu haben.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Erhöhung des Hauptmietzinses nach § 12a Abs 3 MRG sei nicht berechtigt gewesen, weil keine Änderung in den wirtschaftlichen und rechtlichen Einflussmöglichkeiten der Gesellschafter eingetreten sei. Es sei zu keinem Machtwechsel in der Gesellschaft gekommen, weil keiner der Gesellschafter für sich allein über eine Mehrheit verfüge. Ob Helga und Johann K***** als Ehepaar eine Interesseneinheit bildeten, sei irrelevant, und eine solche einheitliche Interessenlage sei auch nicht ersichtlich. Die Identität der Mieterin (= beklagte Partei) sei auch nach dem Ausscheiden des einen Gesellschafters im Juni 1998 gleich geblieben.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach letztlich aus, dass die Revision zulässig sei. Bei Kapitalgesellschaften werde eine wesentliche Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten und damit die Voraussetzung für eine Mietzinsanhebung nur verwirklicht, wenn die Veränderung der Geschäftsanteile ein "Kippen der Mehrheitsverhältnisse" bewirke. Der Umstand, dass zwei Gesellschafter gemeinsam (nunmehr) über eine Mehrheit der Anteile verfügen, sei nicht maßgeblich, weil die Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeit gesellschaftsrechtlich begründet sein müsse. Bloße, allein das Innenverhältnis betreffende Absprachen zwischen mehreren Gesellschaftern bewirkten kein "Kippen der Mehrheitsverhältnisse".
Die Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 12a Abs 3 erster Satz MRG darf der Vermieter die Anhebung des Hauptmietzinses (bis zu dem nach § 16 Abs 1 MRG zulässigen Betrag) verlangen, wenn sich in der Mieter-Gesellschaft die rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten entscheidend ändern. Dabei ist auf die Änderung der Machtverhältnisse in der Gesellschaft abzustellen, denn der Gesetzgeber wollte mit der Formulierung der zitierten Gesetzesstelle den Machtwechsel in der Gesellschaft erfassen und hat deshalb die Veräußerung von Anteilen an der Gesellschaft bewusst als bloßes Beispiel seines umfassenderen Verständnisses der in diesem Zusammenhang bedeutsamen Änderungen genannt (SZ 71/157 uva). Für einen Machtwechsel in der Gesellschaft reicht bei Kapitalgesellschaften ein schlichtes "Kippen der Mehrheitsverhältnisse", also die Tatsache, dass ein Gesellschafter, der bisher lediglich einen Minderheitsanteil hielt, von anderen Gesellschaftern so viele Anteile erwirbt, dass er jetzt mit mehr als 50 % am Stammkapital beteiligt ist und damit über die Mehrheit der Stimmen verfügt (RdW 2002, 659 mwN). Die Gesellschaft mbH ist eine Kapitalgesellschaft, wenngleich sie bei einer "Familiengesellschaft" - wie die beklagte Partei - gewiss auf eine personalistische Struktur angelegt ist (vgl Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbH-Recht I2 Rz 1/56; Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht4 993). Selbst wenn bei einer solchen "personalistischen Gesellschaft mbH" das Mietzinsanhebungsrecht des Vermieters nicht unbedingt ein Kippen der Mehrheitsverhältnisse in der zuvor beschriebenen Weise voraussetzt, sondern ein Machtwechsel auch durch andere Umstände erfüllt sein kann (vgl RdW 2002, 659 mwN), hat im hier zu beurteilenden Fall - ausgehend von den Feststellungen der Vorinstanzen - kein Machtwechsel stattgefunden. Der Revisionswerber übersieht nämlich, dass jeder Machtwechsel gesellschaftsrechtlich begründet sein muss und eine Änderung der rechtlichen Entscheidungsmöglichkeiten nur dann vorliegt, wenn es dem Machtträger aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen Position möglich ist, die Geschicke der Gesellschaft faktisch zu bestimmen, weil deren rechtliche Strukturen keine Handhabe bieten, ihn daran zu hindern (SZ 73/91; SZ 71/157; SZ 70/216; 4 Ob 2357/96p). Nun verfügen die Ehegatten jeweils über Geschäftsanteile von 28 %. Damit ist jeder für sich allein keinesfalls in der Lage, aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen Position die Geschicke der beklagten Partei zu bestimmen. Die im § 12a Abs 3 MRG formulierte "entscheidende Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten" tritt in der Regel erst dann ein, wenn die Mehrheitsverhältnisse "kippen". Als "entscheidende Änderung" im Sinne des § 12a Abs 3 MRG könnte eine sonstige Veränderung der gesellschaftsrechtlichen Position nur beurteilt werden, wenn besondere Umstände dargelegt würden, die - auch ohne dass das vom Gesetzgeber genannte "Paradebeispiel" zuträfe - dessen ungeachtet eine solche Änderung herbeiführten (SZ 73/91 mwN; SZ 71/157; SZ 70/248). Solche Umstände wurden weder vorgebracht, noch sind sie sonstwie zu erkennen. Der Umstand, dass zwei (Familien-)Gesellschafter, die beiden Ehegatten, gemeinsam Geschäftsanteile von zusammen 56 % halten, vermittelt für sich allein noch keine gesellschaftsrechtliche Position, die es faktisch ermöglichte, die Geschicke der Gesellschaft zu bestimmen. Die Behauptung, die beiden Ehegatten hätten eine "einheitliche Interessenlage", stellt eine rein spekulative Unterstellung dar, die durch keinerlei besondere (konkrete) Umstände untermauert wurde. Genausogut ließe sich behaupten, die Interessen eines Elternteils seien mit denen der Tochter oder des Sohns gleichgelagert, weil auch zwischen ihnen familiäre Bande existieren: Die familiäre Verbundenheit aller vier Gesellschafter ist nicht zu leugnen. Allfällige interne Absprachen zwischen Gesellschaftern sind nach ständiger Judikatur nicht maßgeblich. Sie könnten allenfalls dann von Bedeutung sein, wenn sie im Sinne des § 12a Abs 3 letzter Satz MRG der Umgehung dienten (SZ 70/216; Würth in WoBl 1998, 99, vgl auch SZ 73/91). Die Tatsache, dass zwei Gesellschafter der beklagten Partei miteinander verheiratet sind, spricht - ebenso wie der Umstand, dass deren Kinder die restlichen Geschäftsanteile halten - für eine besondere personalistische Ausrichtung der Gesellschaft, und damit für eine intensivere Treuepflicht: Sämtliche Gesellschafter sind der beklagten Partei durch familiäre Bande verbunden, und sie trifft sowohl gegenüber der Gesellschaft wie auch untereinander eine Treuepflicht, die sich an den Grundsätzen von Treu und Glauben sowie des redlichen Verkehrs und am Gebot der guten Sitten orientiert (2 Ob 264/00p). Der Kläger hat keinerlei Umstände dargetan, die darauf schließen ließen, einzelne der (Familien-)Gesellschafter der beklagten Partei wollten sich ihrer aus dieser besonders kolorierten Gesellschafterstellung abzuleitenden Treuepflicht entziehen: Damit gehen aber die durch nichts belegten Ausführungen der Revision ins Leere, zwei bestimmte Gesellschafter - eben die Ehegatten - würden die Gesellschaft nach dem Anwachsen ihrer Geschäftsanteile (widerrechtlich) dominieren.
Der Revision ist ein Erfolg zu versagen.
Der Ausspruch auf Ersatz der Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Streitgenossenzuschlag gebührt dem Nebenintervenienten jedoch nicht, weil dessen Rechtsanwalt weder mehrere Personen vertreten hat noch mehreren Personen gegenüber gestanden ist (§ 15 RATG).
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