OGH 14Os46/04

OGH14Os46/045.5.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. Mai 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Felbab als Schriftführer, in der Strafsache gegen Christian N***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 16. Jänner 2004, GZ 16 Hv 24/03s-11, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Christian N***** von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe als Bürgermeister der Stadt H*****, mithin als Beamter, ebendort seine Befugnis, im Namen der Stadt als Baubehörde erster Instanz in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, mit dem Vorsatz, dem Staat bzw Stefanie B***** und Uwe R***** an ihrem Recht auf Einstellung von Bauten, für welche keine rechtskräftige Baubewilligung vorliegt, sowie auf Strafverfolgung gemäß § 55 Abs 1 lit i Vorarlberger Baugesetz, wissentlich missbraucht, und zwar indem er

1) ab dem 20. Jänner 2003 bis zum 28. März 2003 die Bauführung der "Bauberechtigungsgemeinschaft Synagoge" duldete, obgleich der diesbezügliche Baubewilligungsbescheid zufolge Berufung der Stefanie B***** und des Uwe R***** nicht rechtskräftig war,

2) es spätestens ab Mitte Juni 2003 bis zum 12. August 2003 unterließ, gemäß § 39 Abs 1 Vorarlberger Baugesetz eine Einstellung zu verfügen, sowie

3) nach dem 20. August 2003 gegen die Bauführer bzw die Ha***** GesmbH keine Anzeige bei der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn gemäß § 55 Abs 1 lit i Vorarlberger Baugesetz erstattete, obgleich diese die eingestellten Arbeiten fortsetzten,

gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von der Staatsanwaltschaft aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Eine Unvollständigkeit der Urteilsbegründung liegt nach Ansicht der Beschwerdeführerin vor, weil das Erstgericht dem Umstand nicht Rechnung getragen habe, dass der Angeklagte Rechtshandlungen, die auf eine Bewilligung des Bauwerks hinausgelaufen seien, unverzüglich, hingegen solche Verfahrensschritte, die auf eine Verzögerung oder Einstellung des Bauverfahrens abgezielt hätten, "nur sehr zögerlich vorgenommen habe".

Der Beschwerde zuwider geben die Urteilskonstatierungen den chronologischen Ablauf der vom Angeklagten gesetzten Verfahrenshandlungen vollständig wieder (US 4 bis 10). Die Tatrichter haben die behaupteten "Verzögerungen" logisch und empirisch einwandfrei auf die vom Angeklagten auch in der Hauptverhandlung vertretene Rechtsansicht zurückgeführt, der Bauführer dürfe noch vor Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides mit den Bauarbeiten beginnen. Sie verwiesen diesbezüglich auf die Korrespondenz zwischen dem Amt der Stadt H***** und der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn (US 11, 13). Damit fand die zeitliche Abfolge des Geschehens Eingang in die beweiswürdigenden Erwägungen der Erkenntnisrichter, welche daraus andere Schlüsse zogen als die Anklagebehörde. Das Erstgericht war aber nicht verpflichtet, sich mit den Beweisergebnissen in Richtung aller denkbaren Schlussfolgerungen auseinanderzusetzen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 428). Die Mängelrüge erweist sich daher - zumal anders als bei den von der Beschwerdeführerin zitierten oberstgerichtlichen Entscheidungen gar keine den Feststellungen entgegenstehende Verfahrensergebnisse aufgezeigt werden - als Bekämpfung der Beweiswürdigung nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Gleiches trifft auf den Beschwerdeeinwand zu, das Erstgericht habe sich nicht mit der Tatsache auseinandergesetzt, dass der Angeklagte infolge Besuchs von Schulungen im Bereich des Baurechts von der Unrichtigkeit seiner Rechtsansicht gewusst habe. Dazu führt das Urteil aus, Christian N***** habe zwar Weiterbildungskurse besucht, verfüge aber über keine rechtliche Ausbildung und habe sich deshalb auf seine rechtskundigen Mitarbeiter verlassen (US 11 f). Gerade aus dem persönlichen Eindruck, insbesondere seiner juristisch nicht exakten Ausdrucksweise, schlossen die Tatrichter auf die fehlende Rechtskenntnis des Angeklagten. Die Beschwerdeführerin greift mit ihrem Vorbringen bloß einen einzelnen Umstand aus dem Beweisverfahren in isolierter Betrachtungsweise heraus und vermag demnach auf diese Weise keinen Begründungsmangel aufzuzeigen (Ratz aaO Rz 410). Entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft hat das Erstgericht schließlich auch den Ausspruch, es könne nicht festgestellt werden, dass der Angeklagte von der Bauführung zwischen 20. und 28. bzw 29. August 2003 gewusst habe, begründet: Nachdem die Baufirma vom Einstellungsbescheid in Kenntnis gesetzt worden sei, habe N***** - der Urteilsbegründung zufolge - davon ausgehen können, dass sich der Generalunternehmer an die Anordnung halte bzw - offenbar in Bezugnahme auf die Aussage des Angeklagten in der Hauptverhandlung (S 105) - nur noch Absicherungsarbeiten durchführe (US 16). Mit dem Hinweis auf die Verantwortung des Nichtigkeitswerbers und den Umstand, dass nach den Urteilskonstatierungen zwei Mitarbeiter des Amts der Stadt H***** von einer Bautätigkeit in diesem Zeitraum wussten, zeigt die Anklagebehörde keine den erstrichterlichen Feststellungen entgegenstehenden Verfahrensergebnisse auf. Dies umso weniger, als der Schluss aus der Kenntnis zweier Mitarbeiter auf eine solche des Angeklagten keineswegs zwingend ist.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Generalprokurators - schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO).

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