OGH 14Os49/04 (14Os50/04)

OGH14Os49/04 (14Os50/04)5.5.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. Mai 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Felbab als Schriftführerin, in der Mediensache des Antragstellers Mag. Josef W***** gegen die Antragsgegnerin P***** GesmbH wegen Entschädigung nach § 7a MedienG über die vom Generalprokurator gegen die Urteile des Landesgerichtes Innsbruck vom 7. Februar 2003, GZ 24 Hv 182/02g-7, und des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 31. Juli 2003, AZ 7 Bs 236/03, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Plöchl, und des Vertreters der Antragsgegnerin Dr. Lorenz zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

In der Ausgabe der Wochenzeitung "B*****" vom 30. Oktober 2002 wurde unter dem Titel "'Schlagender' Schuldirektor a. D. Josef W***** klagte die Mutter eines Schülers und verlor - VS-Skandal M*****:

Statt übler Nachrede gab's klares Urteil!" mit Bezug auf ein zuvor eingestelltes Disziplinarverfahren gegen den früheren Direktor der Volksschule M***** vom Ausgang eines von diesem angestrengten Zivilprozesses berichtet. Die Richterin sei nach einem umfangreichen Beweisverfahren zum Schluss gekommen, dass W*****, dessen Name im Artikel insgesamt sieben Mal erwähnt wurde, dem Sohn der Beklagten zumindest ein Mal mit einem Holzlineal auf den Kopf geschlagen und ihm zumindest ein Mal eine Ohrfeige versetzt habe. Zudem habe er "einen Schlüsselbund nach dem Sohn der Beklagten geworfen, der diesen hinter dem rechten Ohr traf und verletzte."

Der Artikel schloss mit folgenden Worten: "Im Gerichtsverfahren konnte die Mutter aufgrund der engagierten Vertretung ihres Rechtsanwaltes sämtliche Argumente vortragen und auch die notwendigen Beweismittel erbringen, was beim Disziplinarverfahren nicht möglich war. RA P*****: 'Für den Volksschuldirektor ergibt sich jetzt die Konsequenz, dass er nun seinerseits mit Schmerzensgeldforderungen des betroffenen Kindes rechnen muss und unter Umständen sogar eine Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens denkbar wäre.'"

In den angefochtenen Urteilen des Landes- und des Oberlandesgerichtes Innsbruck wurde ein auf § 7a MedienG gegründeter Entschädigungsanspruch des Josef W***** mit der Begründung verneint, angesichts zuvor über Monate in verschiedenen lokalen Zeitungen erfolgter identifizierender Berichterstattung habe mit Blick auf die durch das Urteil eines (vom Antragsteller selbst angerufenen) Zivilgerichtes eingetretene "Wende" ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Namensnennung bestanden.

In seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde führt der Generalprokurator Folgendes aus:

Bei der Preisgabe der Identität der im § 7a Abs 1 Z 2 MedienG genannten Personen ist - abgesehen von hier nicht relevanten Ausnahmen - ein strenger Maßstab anzulegen, bei Abwägen der Interessen des Betroffenen und dem (behaupteten) Veröffentlichungsinteresse jedoch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Ein Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit an der Identität eines Betroffenen darf jedenfalls nur insoweit berücksichtigt werden, als dies unbedingt notwendig ist (EvBl 1997/63 mwN).

Vorliegend wurden durch die Namensnennung jedenfalls schutzwürdige Interessen des Antragstellers verletzt, weil sich die Verdachtslage bloß auf Vergehen bezog (§ 7a Abs 2 Z 2 MedienG). Demgegenüber tritt das Interesse der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung des Namens des Antragstellers in den Hintergrund, zumal dieser als einer von zahllosen Schulleitern und angesichts seiner am 1. September 2002 erfolgten Pensionierung zur Zeit des inkriminierten Reports keineswegs im Blickpunkt des öffentlichen Lebens stand, sodass sein Interesse an der Wahrung seiner Anonymität das Interesse der Öffentlichkeit an seiner Identität überwog.

Selbst unter Berücksichtigung der besonderen Sensibilität des unmittelbar betroffenen Kindes und dessen Eltern, aber auch Angehöriger des Lehrerstandes gegenüber Gewalttätigkeiten in der Schule wäre - entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichtes Innsbruck - ein Bericht über den Ausgang des Zivilprozesses und die für die Klagsabweisung maßgeblich Gründe möglich und von gleichem sachlichen Informationswert für die (regionale) Bevölkerung gewesen, wenn der Name des Betroffenen nicht veröffentlich worden wäre.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

Nach § 7a Abs 1 Z 2 MedienG ist nur anspruchsberechtigt, wer "einer gerichtlich strafbaren Handlung verdächtig ist oder wegen einer solchen verurteilt wurde". Der Begehung einer (gerichtlich) strafbaren Handlung verdächtig ist, wem zur Last liegt, eine oder mehrere Taten gesetzt zu haben, welche einer oder mehreren strafbaren Handlungen (rechtlichen Kategorien; vgl 13 Os 53/02, 15 Os 27, 60/02 [RZ 2003/8, EvBl 2002/196] uva, Ratz in WK2 Vorbem §§ 28-31 Rz 1 und WK-StPO § 281 Rz 209) subsumierbar sind. Stellt der von der Veröffentlichung angesprochene Medienkonsument (vgl 14 Os 118, 119/97 = EvBl 1998/71 = SSt 62/149) eine solche Verbindung nicht her, scheidet eine auf § 7a Abs 1 Z 2 MedienG gegründete Entschädigung aus.

Soll eine Person in den Augen dieses maßgeblichen Medienkonsumenten einer gerichtlich strafbaren Handlung verdächtig sein, muss dieser über die strafrechtliche Implikation eines berichteten Sachverhaltes wenigstens so weit Bescheid wissen, dass er, auch ohne juristische Fachkenntnis zu besitzen, diesen (rechtlichen) Sinnzusammenhang nach Art eines Aha-Erlebnisses versteht (vgl 14 Os 68/00, EvBl 2001/87, 356; vgl auch WK-StPO § 281 Rz 138). Kann der berichtete Sachverhalt in seinen Augen hingegen bloß zu disziplinären Konsequenzen führen, schlägt der angesprochene Medienkonsument also keine Brücke zur - im Fall der Überführung des Verdächtigen - Subsumtion der Tat unter irgend eine (gerichtlich) strafbare Handlung (wie im Anlassfall jene nach § 115 Abs 1 StGB und nach § 83 Abs 2 [allenfalls § 88 Abs 1] StGB), liegt die Anspruchsvoraussetzung nicht vor.

Nach den Feststellungen der angefochtenen Urteile richtet sich die Bezirkszeitung "B*****" an die Allgemeinheit. In der Veröffentlichung wurde keinerlei Hinweis darauf gegeben, dass die Josef W***** angelasteten Handlungen gerichtlich strafbar sein könnten. Feststellungen zur Frage, ob der Antragsteller vom angesprochenen Leser der lokalen Wochenzeitung "B*****" aus anderen Gründen als jemand wahrgenommen wird, der Gefahr läuft, strafgerichtlich schuldig erkannt zu werden, enthalten die angefochtenen Urteile nicht, sodass auf der Basis der getroffenen Feststellungen eine Entschädigung nach § 7a MedienG nicht in Frage gekommen wäre.

Einen Feststellungsmangel (vgl 13 Os 179/03) zu dieser Frage macht die Nichtigkeitsbeschwerde nicht geltend (vgl erneut EvBl 1998/71 = SSt 62/149), sodass sie zu verwerfen war.

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