Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die Kläger sind schuldig, den Beklagten die mit 3.102,37 EUR bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 313,71 EUR USt und 1.220,15 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Kläger sind Hälfteeigentümer der Liegenschaft EZ *****. Die Liegenschaft gehörte ursprünglich zum geschlossenen Hof „U*****hof" und wurde dem Vater des Erstklägers als weichendem Erben ins Eigentum übertragen. Die Eltern des Erstklägers errichteten auf der Liegenschaft in den Jahren 1955 bis 1957 ein Haus; das Haus wurde von der Familie des Erstklägers noch 1957 bezogen. Der Erstkläger erhielt die Liegenschaft 1995 von seinem Vater übertragen. Die Liegenschaft ist nach Norden hin mit einer mit PKW befahrbaren Zufahrt mit der W*****straße verbunden.
An das Grundstück der Kläger grenzt im Nordosten die Parzelle 564/1, die zum U*****hof gehört. Der Hof steht im Hälfteeigentum der Beklagten; der Erstbeklagte ist ein Vetter des Erstklägers. Das Grundstück 564/1 ist eine durch Mähen und Abweiden genützte Wiese. Das Grundstück der Kläger ist mit einem Jägerzaun umgeben, der auf Höhe des Wohnhauses der Kläger auf einer Länge von etwa 3 m herausgehoben und dadurch geöffnet werden kann. Hinter dem Jägerzaun befindet sich auf dem Grundstück der Kläger eine Thujenhecke; die Beklagten haben etwa 1 m von der Grundstücksgrenze entfernt einen elektrischen Weidezaun aufgestellt.
Quer durch die Wiese der Beklagten führte ein bis 1995 intensiv genützter, etwa 20 m langer Weg, der das Haus der Kläger mit dem geschotterten und nunmehr geteerten W*****weg verband und als Abkürzung diente, wobei sich nordöstlich der ehemaligen Wegeeinmündung Hof und Stallgebäude der Beklagten befinden. Der Erstbeklagte hat im März 2001 einen Zaun errichtet und damit eine weitere Benützung des die Wiese querenden Wegs verhindert.
In den Jahren 1955 bis 1957 wurde das für den Hausbau notwendige Baumaterial mit Ross und Schlitten über den Wiesenweg gebracht, und zwar jeweils im Winter, um Flurschäden zu vermeiden. In der Folge wurde mehr als 30 Jahre hindurch täglich die Milch auf dem elterlichen Hof geholt (= gekauft) und dazu die Abkürzung über die Wiese genommen.
Der Weg wurde im Winter von Schnee frei geschaufelt und auch für gegenseitige Besuche genutzt. Die Mutter des Erstklägers benutzte den Weg, wenn sie auf dem Hof bei landwirtschaftlichen Arbeiten mithalf. Sie erhielt dafür Geld und Naturalien. Im Winter brachte der Hofeigentümer über den Wiesenweg Brennholz zum Haus der Kläger. Der Vater des Erstklägers nutzte als Briefträger den Weg; wie häufig und über welchen Zeitraum hinweg, steht nicht fest. Ebenso wenig konnte festgestellt werden, ob er mit dem Moped über die Wiese fuhr.
Bis Mitte der 70-iger Jahre nutzten auch Schulkinder den Weg als Abkürzung, um zur Schule zu gelangen. Auch die Sternsinger und die Adventsinger gingen über die Wiese, ohne dass die Beklagten oder deren Rechtsvorgänger die Benutzung des Wegs je verboten hätten. Zwischen den Streitteilen und deren Rechtsvorgängern wurde nie darüber gesprochen, ob den Klägern (ihren Eltern/Schwiegereltern) ein Wegerecht zustehe.
Mitte der 90-iger Jahre kam es zwischen den Familien der Streitteile zu einem Zerwürfnis. Von da an wurde keine Milch mehr geholt und auch die wechselseitigen Besuche hörten auf. Noch in den 70-iger Jahren war der Wiesenweg als schmale Grasnarbe mit einer maximalen Breite von 50 cm in der Natur erkennbar gewesen. Nach dem Zerwürfnis wurde er seltener benutzt und war bald nur mehr als Spur im Gras zu erkennen.
Die Kläger begehren, 1. zwischen ihnen und den Beklagten festzustellen, dass den Klägern als grundbücherlichen Eigentümern des herrschenden Grundstücks 565/1 ***** und deren Rechtsnachfolgern im Eigentum dieses Grundstückes gegenüber den Beklagten als grundbücherlichen Eigentümern des dienenden Grundstückes 564/1 ***** und deren Rechtsnachfolgern im Eigentum dieses Grundstücks die Dienstbarkeit des Gehens auf dem in der beiliegenden, einen integrierenden Bestandteil des Urteils bildenden Planskizze eingezeichneten ca 0,5 m breiten Weg über das dienende Grundstück 564/1 zusteht; 2. die Beklagten schuldig zu erkennen, in die grundbücherliche Einverleibung der in Punkt 1) des Urteilsspruchs genannten Dienstbarkeit des Gehens auf dem in der einen integrierenden Bestandteil dieses Urteils bildenden Planskizze rot eingezeichneten ca 0,5 m breiten, über das dienende Grundstück 564/1 ***** führenden Weg für EZ ***** zu Gunsten der Kläger einzuwilligen, 3. die Beklagten schuldig zu erkennen, unverzüglich bei sonstiger Exekution den am 26. 3. 2001 an der Grundstücksgrenze zwischen Grundstück 564/1 und Grundstück 565/1 errichteten ca 3 bis 4 m breiten Zaun zu entfernen und jede ähnliche Störung der Ausübung der unter Punkt 1) des Urteilsspruchs beschriebenen Dienstbarkeit zu unterlassen. Die Kläger hätten ein Gehrecht zum Wiesenhofweg ersessen. Bis zum März 2001 hätten sich die Beklagten niemals der Ausübung der Dienstbarkeit widersetzt. Im Sommer 2000 habe Weidevieh der Beklagten den Jägerzaun und Pflanzen beschädigt.
Die Beklagten beantragen, das Klagebegehren abzuweisen. Der Weg sei in der Vergangenheit nur für gegenseitige Besuche begangen worden. Die behauptete Dienstbarkeit sei für die Kläger sinnlos, weil sie den Wiesenhofweg ohnehin viel leichter über die asphaltierte Weerbergstraße erreichten. Beschädigungen durch das Weidevieh würden durch einen von ihnen nunmehr aufgestellten Elektrozaun verhindert.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren im ersten Rechtsgang ab; das - die Dienstbarkeit bejahende - Berufungsgericht hob das Urteil auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück, ohne auszusprechen, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Aufgehoben wurde das Ersturteil, weil im Begehren ein Grundstück .671 erwähnt war, das weder in den Entscheidungsgründen noch in den im Akt erliegenden Grundbuchsabschriften aufschien.
Im zweiten Rechtsgang änderten die Kläger das Klagebegehren dahin, dass - wie oben wiedergegeben - die im Grundstück 565/1 aufgegangene Bauparzelle 671 im Ausmaß von 78 m² nicht mehr genannt wurde.
Die Beklagten ergänzten ihre Einwendungen und brachten vor, dass keine der festgestellten Benutzungshandlungen die behauptete Ersitzung rechtfertige. Den Klägern habe die Redlichkeit gefehlt, weil sie gewusst hätten, dass die Beklagten das Begehen der Wiese aus reiner Gefälligkeit und nur wegen der Möglichkeit des jederzeitigen Widerrufs geduldet hätten.
Im zweiten Rechtsgang wies das Erstgericht das Klagebegehren erneut ab. Zusätzlich zum eingangs wiedergegebenen Sachverhalt stellte das Erstgericht - insoweit von den Klägern im zweiten Rechtsgang bekämpft - fest, dass durch 30 Jahre hindurch nur die Benützung des Weges zum Milchholen erwiesen sei und dass die Abkürzung über die Wiese aus diesem Grund habe genommen werden dürfen, dies aber nur für die Dauer, „als dieses Geschäft mit der Milch läuft". Das Milchholen sei langfristig der Grund für das Entstehen des Wegs gewesen, der niemals eigens ausgemäht und eingezäunt gewesen sei. Dass der Vater des Erstklägers den Weg durch 30 Jahre hindurch benutzt hätte, um zum Wiesenhofbauern zu gelangen, mit dem er im Winter Karten gespielt habe, stehe nicht fest. Er könnte auch einen anderen Weg genommen haben, der zwar ein Umweg, aber weniger beschwerlich gewesen sei. Der Vater des Erstklägers habe die Duldung der Benützung des Wegs zum Briefaustragen als Gefälligkeit für die Dauer seiner Tätigkeit als Briefträger gedeutet. In der rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Auffassung, dass die Rechtsmeinung des Berufungsgerichts nicht bindend sei, weil sich der Sachverhalt geändert habe. Es stehe nun fest, dass der Gehweg in erster Linie durch wechselseitige Besuche und durch das Milchholen entstanden sei. Durch mehr als 30 Jahre hindurch sei nur das Milchholen auf dem Hof der Beklagten erwiesen; die sonstigen Nutzungen hätten, soweit feststellbar, wesentlich kürzer gedauert. Die familiäre Beziehung lasse auf ein rein obligatorisches Recht, wenn nicht überhaupt auf ein Prekarium schließen. Ein durch Ersitzung erworbenes dingliches Wegerecht könne daraus nicht abgeleitet werden.
Das Berufungsgericht gab den Begehren zu 1 und 2 vollinhaltlich, dem Begehren zu 3 unter Festsetzung einer Leistungsfrist von 14 Tagen, statt, wies das Mehrbegehren auf unverzügliche Zaunentfernung ab und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, aber nicht 20.000 EUR übersteige und - aufgrund eines Antrags nach § 508 ZPO - dass die ordentliche Revision zulässig sei. Das Berufungsgericht habe das Ersturteil im ersten Rechtsgang nach § 496 Abs 1 Z 3 ZPO als ergänzungsbedürftig aufgehoben, gleichzeitig aber den festgestellten Sachverhalt dahin beurteilt, dass die Kläger eine Wegedienstbarkeit ersessen hätten. Bei einer Aufhebung nach § 496 Abs 1 Z 3 ZPO sei es den Parteien zwar nicht verwehrt, neue Tatsachen vorzubringen und neue Beweismittel anzubieten, abschließend erledigte Streitpunkte könnten aber nicht wieder aufgerollt werden. Das Verfahren wäre daher im zweiten Rechtsgang auf den von der Aufhebung betroffenen Teil zu beschränken gewesen und das Erstgericht hätte dem Klagebegehren in seiner geänderten Fassung ohne weiteres stattgeben müssen. Dennoch werde auf die Behauptungen der Beklagten im zweiten Rechtsgang eingegangen und ihnen entgegenzuhalten, dass die rechtsgeschäftliche Überlassung einer Sache die Ersitzung nur dann ausschließe, wenn die Sache von den im Rahmen eines Vertragsverhältnisses auszutauschenden Leistungen unmittelbar berührt werde oder unmittelbar damit zusammenhänge. Das treffe für den Erwerb von Milch und Brennholz sowie für die Erbringung von Arbeitsleistungen nicht zu. All dies hätte auch geschehen können, wenn die Kläger die Abkürzung nicht benutzt hätten. Feststellungen, die das Erstgericht aufgrund von Behauptungen im zweiten Rechtsgang getroffen habe, seien überschießend und damit nicht beachtlich. Die Beklagten hätten die mangelnde Redlichkeit des Ersitzungsbesitzers bereits im ersten Rechtsgang behaupten und beweisen müssen. Das Begehren der Kläger bestehe daher grundsätzlich zu Recht; sie hätten jedoch keinen Anspruch darauf, dass der Zaun unverzüglich entfernt werde. Den Beklagten sei dafür ein angemessener Zeitraum von 14 Tagen einzuräumen.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision der Beklagten ist zulässig und berechtigt.
Das Berufungsgericht hat die im zweiten Rechtsgang getroffenen ergänzenden Feststellungen als überschießend unberücksichtigt gelassen und auch die dagegen gerichtete Beweisrüge nicht erledigt, weil es die davon betroffenen Streitpunkte als bereits im ersten Rechtsgang abschließend erledigt erachtet hat. Aufgehoben hatte das Berufungsgericht die Entscheidung des Erstgerichts allein deshalb, weil im Begehren eine Bauparzelle .671 genannt war, zu der es kein Vorbringen und keine Feststellungen gab. Nur insoweit hätte das Erstgericht das Verfahren daher zu ergänzen gehabt; zur Frage, ob die Kläger die Dienstbarkeit des Gehens über die Wiese der Beklagten ersessen hatten, waren keine weiteren Erörterungen und Ergänzungen aufgetragen worden. Diesen Streitpunkt hatte das Berufungsgericht abschließend erledigt; eines Ausspruchs, dass und in welchen Punkten eine abschließende Erledigung vorliege, bedurfte es entgegen der Meinung des Erstrichters nicht.
Dass das Berufungsgericht zur Frage des Bestehens einer Dienstbarkeit keine weiteren Ergänzungen und Erörterungen für notwendig erachtet und diese Frage damit abschließend beurteilt hat, bedeutet aber naturgemäß nicht, dass diese Beurteilung nicht überprüft werden könnte. Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts kann im zweiten Rechtsgang selbst dann bekämpft werden, wenn ein vom Berufungsgericht zugelassener Rekurs an den Obersten Gerichtshof nicht erhoben wurde (Kodek in Rechberger, ZPO² § 519 Rz 5 mwN); das gilt um so mehr, wenn - wie hier - das Berufungsgericht den Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss gar nicht zugelassen hat.
Das Berufungsgericht hat den im ersten Rechtsgang festgestellten Sachverhalt rechtlich dahin beurteilt, dass die Kläger die Dienstbarkeit des Gehens über die Wiese der Beklagten ersessen hätten. Seine Beurteilung hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand:
Grundvoraussetzung jeder Ersitzung ist der Besitz des Rechts oder der Sache, die ersessen werden soll; die bloße Innehabung genügt nicht (M. Bydlinski in Rummel, ABGB² § 1460 Rz 2 mwN; 1 Ob 597/89). Ein Recht wird besessen, wenn es erkennbar gegen jemanden in Anspruch genommen wird und dieser sich fügt (Schwimann/Mader, ABGB² § 1460 Rz 10 mwN).
Nach dem im ersten Rechtsgang festgestellten Sachverhalt haben die Eltern des Erstklägers während des Hausbaus das Baumaterial quer über die Wiese transportiert. Diese Nutzung war mit der Fertigstellung des Hauses im Jahre 1957 abgeschlossen und bedeutete nicht die Ausübung des Rechts des Gehens. In den Jahren danach hat die Familie des Erstklägers die Abkürzung über die Wiese genommen, wenn sie den elterlichen Hof des Vaters des Erstklägers aufsuchen wollte. Nur zu diesem Zweck wurde der Weg mit einer gewissen Regelmäßigkeit und die gesamte Ersitzungszeit hindurch genutzt; wie oft der Wege zu anderen Zwecken begangen wurde, konnte nicht festgestellt werden. Ebenso wenig konnte festgestellt werden, wie häufig der Vater des Erstklägers als Briefträger über die Wiese gegangen ist.
Der elterliche Hof wurde aufgesucht, um Milch zu holen, verwandtschaftliche Kontakte zu pflegen und, was die Mutter des Erstklägers betrifft, in der Landwirtschaft mitzuhelfen. Der Grund der Benutzung des Wiesenwegs lag damit in den verwandtschaftlichen und, da für die Milch gezahlt wurde und auch die Arbeitsleistungen abgegolten wurden, rechtsgeschäftlichen Beziehungen.
Die Benützung eines Weges aufgrund von verwandtschaftlichen oder rechtsgeschäftlichen Beziehungen schließt den für das Vorliegen von Besitz notwendigen Besitzwillen aus. Wer über das Grundstück geht, um den Eigentümer des Grundstücks zu besuchen, mit ihm ein Rechtsgeschäft abzuschließen oder das Rechtsgeschäft auszuführen, nimmt damit kein Recht auf Benützung des Weges in Anspruch. Er ist bloßer Inhaber, weil sich aus dem Grund der Benützung des Wegs kein Besitzwille erschließen lässt (s Spielbüchler in Rummel, ABGB³ § 309 Rz 3). Dass die Benutzung des Wegs nicht unbedingt notwendig war und - wie im vorliegenden Fall - der elterliche Hof auch auf einem anderen Weg hätte erreicht werden können, vermag am fehlenden Besitzwillen nichts zu ändern.
Durch bloße Innehabung kann ein Recht - wie oben dargelegt - nicht ersessen werden. Schon aus diesem Grund ist die von den Klägern behauptete Ersitzung zu verneinen, ohne dass es noch einer Auseinandersetzung mit den weiteren Ersitzungsvoraussetzungen bedürfte. Die fehlende Erledigung der Beweisrüge schadet nicht, weil die davon betroffenen Feststellungen - wie ebenfalls oben dargelegt - überschießend und daher ohnehin nicht zu beachten sind.
Der Revision war stattzugeben und das Ersturteil wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)