OGH 3Ob38/04s

OGH3Ob38/04s28.4.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Johann W*****, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichtete Partei Dr. Michael Lentsch, Rechtsanwalt, Wiener Neustadt, Hauptplatz 31, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der S***** GmbH, *****, vertreten durch Kosch & Partner, Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, wegen 15.488,05 EUR sA, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 27. November 2003, GZ 17 R 383/03z-14, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Ebreichsdorf vom 26. September 2003, GZ 7 E 27/03d-2, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die betreibende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Das Erstgericht bewilligte am 26. September 2003 auf Grund eines vollstreckbaren, bereits gegenüber dem Masseverwalter ergangenen Urteils eines Landesgerichts als Arbeits- und Sozialgericht dem Betreibenden gegen diesen zur Hereinbringung von 15.488,05 EUR sA die Zwangsversteigerung einer im Eigentum der Gemeinschuldnerin stehenden Liegenschaft. Der Konkurs über das Vermögen der Gemeinschuldnerin war am 2. Dezember 2002 eröffnet worden. Mit Beschluss vom 17. Juni 2003, in der Insolvenzdatei bekannt gemacht am selben Tag, hatte das Konkursgericht mitgeteilt, der Masseverwalter habe angezeigt, dass die Konkursmasse nicht ausreiche, um die Masseforderungen zu erfüllen (Masseunzulänglichkeit).

Mit dem angefochtenen Beschluss (Punkt 2) gab das Rekursgericht dem gegen die Exekutionsbewilligung gerichteten Rekurs der verpflichteten Partei dahin Folge, dass es den Exekutionsantrag zur Gänze abwies. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Mit der Schaffung des § 124a KO durch die Insolvenzrechts-Novelle 2002 sei der Gesetzgeber von der als unbefriedigend angesehenen Rechtslage abgegangen, wonach die Masseforderungen selbst dann bei Fälligkeit zu zahlen gewesen seien, wenn der Masseverwalter gesehen habe, dass er bereits entstandene, später fällige Masseforderungen nicht werde zahlen können. Das Konkursgericht habe nunmehr die vom Masseverwalter angezeigte Masseunzulänglichkeit in der Insolvenzdatei öffentlich bekannt zu machen. Das löse eine Exekutionssperre für Masseforderungen aus. Diese Regelung über die Vollstreckungssperre sei mit 1. Juli 2002 in Kraft getreten und gelte auch für das laufende Verfahren. Sie diene der Sicherung der Gleichbehandlung und entspreche der Situation eines "Konkurses im Konkurs".

Da die Masseunzulänglichkeit öffentlich bekannt gemacht worden sei, verstoße das entsprechende Vorbringen des Verpflichteten nicht gegen das Neuerungsverbot. Wenn einer Exekution im Allgemeinen ein Hindernis entgegenstehe, müsse der betreibende Gläubiger im Exekutionsantrag behaupten (und gemäß § 55 Abs 2 EO) beweisen, dass im konkreten Fall dieses Hindernis nicht vorliege. Das gelte auch für die vorliegende Exekutionssperre. Dies habe der Betreibende im Exekutionsantrag nicht getan, es handle sich nach der Aktenlage auch nicht um Masseforderungen, die zur Verwaltung und zur Verwertung geboten gewesen seien.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zu dem erst am 1. Juli 2002 in Kraft getretene § 124a KO höchstgerichtliche Rsp fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Betreibenden ist aus dem vom Rekursgericht angegebenen Grund zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Wie sich aus dem mit dem Exekutionsantrag vorgelegten Exekutionstitel ergibt, führt der betreibende Gläubiger Exekution zur Hereinbringung einer Masseforderung. Solche sind von der sich aus § 10 KO ergebenden Exekutionssperre nicht betroffen (stRsp, Nachweise bei Apathy in Buchegger/Bartsch/Pollak, KO4, § 10 Rz 10; Jakusch in Angst, EO, § 3 Rz 51; RV zur InsNov 2002 988 BlgNR 21. GP, 34). Nach hA hatte der Masseverwalter nach der früheren Rechtslage die Unzulänglichkeit der Masse mittels Impugnationsklage (§ 36 EO) geltend zu machen (Apathy aaO; Deixler-Hübner in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze, § 10 KO Rz 27 je mN). Demgegenüber sieht der unter der Rubrik "Massenunzulänglichkeit" stehende, mit der Insolvenzrechts-Novelle [InsNov] 2002 eingeführte § 124a KO eine neue Form der Berücksichtigung der Unzulänglichkeit der Konkursmasse zur Befriedigung aller Masseforderungen vor. Liegt nach Einschätzung des Masseverwalters eine derartige Situation vor, so hat er nicht nur unverzüglich mit der Befriedigung der Massegläubiger innezuhalten, sondern die Unzulänglichkeit der Konkursmasse auch sofort dem Konkursgericht anzuzeigen (Abs 1). Nach Abs 2 leg. cit. ist die Massenunzulänglichkeit vom Konkursgericht sofort öffentlich bekannt zu machen. Auch wenn dies im Gesetz nicht ausdrücklich zum Ausdruck kommt, ist Mohr (Der Ministerialentwurf der Insolvenzrechts-Novelle 2002 in ZIK 2001, 114 [118]; ders in ecolex spezial Insolvenzrecht 2002, 83; ebenso Petsch in Petsch/Bertl/Reckenzaun/Isola, Praxishandbuch Konkursabwicklung 473) dahin zuzustimmen, dass - jedenfalls zunächst - das Konkursgericht die Berechtigung der Anzeige des Masseverwalters nicht zu überprüfen hat (Zur Möglichkeit einer nachträglichen Überprüfung vgl Mohr, Insolvenzrecht 2002, 83). Nach den Erl Bem (RV aaO 33f) setzt der Gesetzgeber nämlich voraus, dass dem Masseverwalter als einer besonders geeigneten Person eine Prognose abverlangt werden kann und abzuverlangen ist, ob im Hinblick auf den Wert der Konkursmasse sämtliche Masseforderungen befriedigt werden können. Unzulänglichkeit der Masse soll nämlich auch dann vorliegen, wenn die Zahlungsunfähigkeit der Konkursmasse nur droht. Da eine Beschlussfassung des Konkursgerichts nicht vorgesehen ist, ist mit den angeführten Autoren davon auszugehen, dass der Konkursrichter ohne weiteres die Veröffentlichung der Massenunzulänglichkeit anzuordnen, das Zutreffen der Voraussetzungen dafür jedoch zumindest vorerst nicht zu prüfen hat. Dem pflichtet auch der Revisionsrekurswerber bei. Unzutreffend ist aber die von ihm ua daraus gezogene Schlussfolgerung, ungeachtet der Bekanntmachung der Masseunzulänglichkeit wäre es Sache des mit Zwangsvollstreckung in Anspruch genommenen Masseverwalters, mittels Exekutionsklage das tatsächliche Vorliegen der Masseunzulänglichkeit zu beweisen. Es ist vielmehr den zutreffenden Erwägungen des Rekursgerichts zu folgen. Nach § 124a Abs 2 zweiter Satz KO kann ab der öffentlichen Bekanntmachung an den zur Konkursmasse gehörenden Sachen nur mehr wegen Masseforderungen nach Abs 1 dritter Satz ein richterliches Pfand- oder Befriedigungsrecht erworben werden. Dabei handelt es sich um Masseforderungen aus Rechtshandlungen, die zur Verwaltung und zur Verwertung geboten sind (Abs 1 dritter Satz iVm Abs 1 zweiter Satz leg cit).

Die Bekanntmachung nach § 124a Abs 2 KO bewirkt, wovon auch der Revisionsrekurswerber ausgeht, eine Exekutionssperre (Mohr, Insolvenzrecht 2002, 84; Konecny, Masseunzulänglichkeit und fehlende Liquidität in ZIK 2003, 8 f; RV, aaO 34: "Vollstreckungssperre"). Um dadurch nicht auch zugleich eine Kontrahierungssperre auszulösen, sieht § 124a Abs 2 KO auch die dargestellte Ausnahme (so ausdrücklich die RV, aaO; Mohr aaO 84 f) vor.

Schon bisher entsprach es der stRsp (ebenso Apathy aaO Rz 12 mN; Jakusch aaO Rz 53; Deixler-Hübner aaO Rz 26 und 20), dass der betreibende Gläubiger, der ungeachtet der Konkurseröffnung eine vollstreckbare exekutive Forderung durchsetzen will, bereits im Antrag auf Exekutionsbewilligung zu behaupten und zu beweisen hat, dass sein Recht von der Konkurseröffnung nicht berührt werde. Nun entspricht aber die Exekutionssperre für Masseforderungen nach § 124a KO durchaus jener für Konkursforderungen nach § 10 Abs 1 KO, weshalb das Rekursgericht zutreffend zum Ergebnis gekommen ist, der betreibende Gläubiger hätte auch im vorliegenden Fall behaupten und beweisen müssen, dass gerade die von ihm betriebene Forderung deshalb nicht von der Exekutionssperre betroffen sei, weil sie aus Rechtshandlungen, die zur Verwaltung und zur Verwertung der Masse geboten waren, entstanden sei. Mangels einer entsprechenden Behauptung (samt Nachweis) musste daher der Antrag abgewiesen werden.

Entgegen der Ansicht des Revisionsrekurswerbers kann keineswegs gesagt werden, das Rekursverfahren, für welches das Neuerungsverbot typisch sei, reiche für die Überprüfung jener Tatsachen nicht aus, aus denen das Vorliegen der gesetzlichen Ausnahme von der Exekutionssperre abzuleiten ist. Vielmehr hat der Nachweis des Vorliegens der Voraussetzungen für die Ausnahme von der Exekutionssperre in Form von Urkunden zu erfolgen (§ 54 Abs 1 und 3 EO). Der Revisionsrekurswerber vermag nicht darzutun, dass ein grundsätzlicher Unterschied zu jener Situation vorliege, in der schon nach der bisherigen stRsp der betreibende Gläubiger das Vorliegen einer Masseforderung nachzuweisen hatte. Es würde auch dem Sinn und Zweck einer Exekutionssperre widersprechen, diese nicht von Amts wegen zu berücksichtigen, sondern nur über eine Exekutionsklage des Masseverwalters. So wird auch in den Erl Bem (aaO) ausgeführt, dass die Vollstreckungssperre für Masseforderungen ein sonst nach § 10 Abs 1 KO mögliches Andrängen einzelner Massegläubiger verhindere (aaO 34). Soweit es der Revisionsrekurswerber als ungeklärt ansieht, welche Wirkung die Aufhebung der Exekutionssperre (gemeint offenbar die öffentliche Bekanntmachung der Massezulänglichkeit nach § 124a Abs 4 KO) habe, ist ihm Folgendes entgegenzuhalten: Es ergibt sich aus dem dritten und letzten Satz der eben genannten Bestimmung eindeutig, dass ab Bekanntmachung der (wieder eingetretenen oder erst nachträglich geklärten) Massezulänglichkeit die Exekutionssperre nicht mehr gilt, weil Abs 2 zweiter Satz leg. cit. von da an nicht mehr anzuwenden ist. Ab diesem Zeitpunkt steht einem Exekutionsantrag kein Hindernis mehr entgegen. Zur Frage der erforderlichen Sorgfalt des Masseverwalters ist er auf die Erl Bem (aaO) zu verweisen, die sowohl von der Anwendung entsprechender Sorgfalt durch den Masseverwalter ausgehen, als auch auf dessen allfällige Haftung verweisen.

Demnach erweist sich der Revisionsrekurs als nicht berechtigt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 EO iVm §§ 50, 40 ZPO.

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