OGH 9ObA34/04x

OGH9ObA34/04x31.3.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Thomas Keppert und Thomas Albrecht als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Simone Z*****, Angestellte, ***** vertreten durch Dr. Markus Orgler und Dr. Josef Purtscheller, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Gerhard Z*****, Hüttenwirt, ***** vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 3.843,44 sA, über die außerordentliche Revision (Revisionsinteresse EUR 2.182,30 sA) der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22. Dezember 2003, GZ 7 Ra 74/03h-41, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Zu den behaupteten Verfahrensmängeln:

Die vom Berufungsgericht - ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung - ergänzend vorgenommenen Feststellungen sind deshalb kein erheblicher Verfahrensmangel, weil das Berufungsgericht daraus keine erheblichen rechtlichen Schlüsse gezogen hat. Die auf den Strafakt gegründeten Feststellungen über die Verletzungen der Klägerin hat demgegenüber bereits das Erstgericht getroffen (AS 181, 183). Mit der Aktenlage nicht in Übereinstimmung steht das Revisionsvorbringen, das Berufungsgericht habe aus dem mit einer Diversionsmaßnahme beendeten Strafverfahren auf eine Bindungswirkung für das Zivilgericht geschlossen.

Entgegen dem Vorbringen des Revisionswerbers hat das Berufungsgericht auch keine ergänzenden Feststellungen über "innerpsychische" Tatsachen der Beteiligten getroffen, sondern im Rahmen einer überprüfenden Wertung auch andere Beweisergebnisse zur Widerlegung der Beweisrüge herangezogen.

Ein Verstoß gegen die Judikatur, wonach anspruchsbegründende bzw -vernichtende Tatsachen derjenige zu behaupten und zu beweisen hat, welcher sich darauf beruft, ist nicht erkennbar. Soweit der Revisionswerber in diesem Zusammenhang auf seine Gegenforderungen wegen angeblich nicht geleisteter Arbeitsstunden verweist, ist sein Einwand schon deshalb nicht tragend, weil festgestellt wurde, dass die Streitteile vereinbart hatten, dass die freie Zeit an den allerersten Junitagen (nach formellem Beginn des Arbeitsverhältnisses) mit der in der Hochsaison zu erwartenden Mehrarbeit ausgeglichen würde (AS 177). Dass es dazu nicht mehr kam, ist im vorzeitigen Austritt der Klägerin begründet.

Zur behaupteten Aktenwidrigkeit:

Entgegen dem Vorbringen des Beklagten hat das Berufungsgericht nicht unterstellt, der Beklagte habe die Beilage ./5 nachträglich angefertigt. Vielmehr hält es nur für möglich, dass ein erst mit der Berufung vorgelegtes Karteiblatt "allenfalls nachträglich angefertigt" sein könnte (AS 297). Da das Berufungsgericht diese Urkunde aber ohnehin - zutreffend - als unzulässige Neuerung nicht berücksichtigt hat, sind die Überlegungen hiezu unmaßgeblich und ohne Bedeutung für das Verfahren.

Darauf, dass die Verletzungen der Klägerin bereits vom Erstgericht aufgrund des Strafaktes festgestellt wurden, das Berufungsgericht somit diesbezüglich keine eigenen Feststellungen getroffen hat, wurde schon im Zusammenhang mit der Mängelrüge hingewiesen.

Zur behaupteten Nichtigkeit:

Die Auffassung des Berufungsgerichtes, dass der Hinweis des Beklagten in seiner Berufung auf eine mögliche Befangenheit des Erstgerichtes (AS 209 oben) keinen Ablehnungsantrag darstellt, ist Ergebnis einer vertretbaren Auslegung des Parteienvorbringens und entzieht sich somit einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof. Der behauptete Nichtigkeitsgrund ist somit nicht gegeben.

Zur Rechtsrüge:

Was die angeblichen Überzahlungen für zeitliche Minderleistungen bei Beginn des Arbeitsverhältnisses anlangt, ist ebenfalls die Rechtsauffassung der Vorinstanzen vertretbar, wonach die Streitteile dies einkalkuliert haben und später ein Ausgleich stattfinden sollte. Entgegen den Bedenken des Revisionswerbers gibt auch die Bestimmung des § 482 ZPO keinen Anlass zu einer Überprüfung hinsichtlich ihrer Verfassungsmäßigkeit. Richtig ist, dass nach Art 6 EMRK jedermann Anspruch darauf hat, dass seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist gehört wird, und zwar von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht, das über zivilrechtliche Ansprüche zu entscheiden hat. Der Grundsatz eines fairen Verfahrens verlangt, dass der Betroffene seine Rechte effektiv vertreten kann. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes rechtfertigt Art 6 EMRK keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit von Rechtsmittelbeschränkungen. Unter der Voraussetzung, dass der Zugang zu den Gerichten gewahrt ist, bleibt die weitere Ausgestaltung der Gerichtsbarkeit dem Ermessen der Staaten überlassen. Art 6 EMRK enthält zur Frage der Anfechtbarkeit gerichtlicher Entscheidungen keinen Hinweis, geschweige denn zur Frage eines Neuerungsverbotes im Rechtsmittelverfahren. Das Recht auf Zugang zu den Gerichten gewährt kein Recht auf einen Instanzenzug oder - wo ein solcher besteht - auf Gerichtsbarkeit in allen Instanzen; umso weniger kann aus dieser Bestimmung eine Unzulässigkeit des Neuerungsverbotes im Rechtsmittelverfahren abgeleitet werden. Die Parteien hatten in erster Instanz ausreichende und gleiche Gelegenheit zu Stellungnahmen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht (RIS-Justiz RS0043962; insbesondere 9 ObA 180/01p [T 4]). Zutreffend hat daher das Berufungsgericht erkannt, dass die Berücksichtigung eines mit der Berufung vorgebrachten Sachverständigenbeweises zur Unterstützung des Berufungsgrundes der unrichtigen Tatsachenfeststellung und unrichtigen Beweiswürdigung dem Neuerungsverbot des § 482 Abs 2 ZPO widerstreiten würde (RIS-Justiz RS0041812 [T 6]).

Zusammenfassend erweist sich die außerordentliche Revision des Beklagten mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO als unzulässig.

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