OGH 15Os175/03

OGH15Os175/034.3.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. März 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kainz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Fritz T***** wegen des Vergehens der teils vollendeten, teils versuchten geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1, § 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 3. Oktober 2003, GZ 631 Hv 18/03y-17, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Eisenmenger, des Angeklagten Fritz T***** sowie seines Verteidigers Dr. Jira zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Fritz T***** des Vergehens der teils vollendeten, teils versuchten geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1, § 15 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 13. Juni 2003 in Laa an der Thaya außer den Fällen des § 201 StGB Simone K***** mit Gewalt, indem er sie dabei gegen den Fahrersitz ihres Autos drückte, zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung

1) genötigt, indem er ihr mit der linken Hand intensiv auf die Brust griff und diese massierte,

2) zu nötigen versucht, indem er währenddessen mit seiner rechten Hand unter ihren Rock griff, daraufhin an den Beinen entlang bis zu ihrer Unterhose fuhr und sie im Genitalbereich zu berühren trachtete, was jedoch unterblieb, weil sie laut aufschrie.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie schlägt fehl.

Der Mängelrüge (Z 5) zuwider betreffen die Fragen, ob der Angeklagte um 16.30 oder um 16.45 Uhr das Gasthaus R***** verlassen habe, wie lange exakt ein "kurzes Gespräch" und ein "kurzer Aufenthalt" in Wulzeshofen gedauert haben, und wo er sich vor der Tat umgezogen habe, keine für den Ausspruch über die Schuld entscheidenden Tatsachen. Die Tatrichter sind unmissverständlich davon ausgegangen, dass der nicht exakt rekonstruierbare Zeitablauf vor der Tat jedenfalls die Anwesenheit des Angeklagten zur Tatzeit (17.05 Uhr) am Tatort in der vom Opfer beschriebenen Kleidung ermöglicht hat (US 3 f iVm 9 ff).

Diese für den Schuldspruch entscheidenden Feststellungen wurden deutlich und bestimmt getroffen und auch unter Berücksichtigung der von der Beschwerde problematisierten zeitlichen Aspekte mängelfrei begründet. Mit der bloßen Behauptung, unter den für den Angeklagten günstigst möglichen Prämissen sei seine Täterschaft aufgrund der Annahmen zum Vorgeschehen "nach der allgemeinen menschlichen Erfahrung" zeitlich nicht möglich, weiters sei für das angenommene Umziehen vor der Tat kein Zeitbedarf berücksichtigt worden, macht die Beschwerde keinen Begründungsmangel geltend, sondern bekämpft in Wahrheit nur die Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Kein Widerspruch liegt in den Urteilsannahmen begründet, der Pfarrsaal, das Musikheim und die Wohnung des Angeklagten lägen so nahe zueinander, dass sie zu Fuß jeweils in ca fünf Minuten zu erreichen seien (US 4 erster Abs), sowie die Wohnung des Angeklagten sei wenige Meter vom Pfarrhof entfernt (US 4 dritter Abs). Ob der Angeklagte vor der Tat den Weg vom Kirchenplatz zu seiner Wohnung und zurück zu Fuß oder mit dem Auto zurückgelegt habe und wo letzteres verblieben sei, ist schon deshalb völlig bedeutungslos, weil der - wie bereits ausgeführt nicht entscheidende - Umstand, wo er sich umgezogen hat, demnach auch, ob er überhaupt seine Wohnung aufgesucht hat (US 4 dritter Abs), für das Schöffengericht nicht feststellbar war.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) vermag mit dem Hinweis auf vom Erstgericht eingehend gewürdigte (US 9 ff) entlastende Zeugenaussagen und die Behauptung, das Tatopfer habe sich "in Anbetracht des Schockzustands" in der Person des Täters geirrt, keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der in erster Linie auf die Täterbeschreibung und die nachfolgende einwandfreie Identifizierung des Angeklagten durch sein Opfer gestützten den Schuldspruch tragenden Urteilsannahmen zu wecken.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) behauptet, der Schuldspruch hätte nur wegen des Vergehens der (vollendeten) geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB erfolgen dürfen, weil die Versuchshandlung durch den Schuldspruch wegen des vollendeten Delikts konsumiert werde.

Zwar ist der Versuch gegenüber der Vollendung im Fall eines einheitlichen und auf die Vollendung ein und desselben Delikts ausgerichteten Willensentschlusses im Fall der Identität des Geschädigten und des angegriffenen Handlungsobjekts grundsätzlich subsidiär (Ratz in WK2 Vorbem zu §§ 28 31 Rz 41). Dies gilt aber nur dann, wenn im Zuge eines tateinheitlichen Geschehens der eine zunächst bloß versuchte Erfolg im weiteren Verlauf (etwa im Zuge eines neuen Angriffs) verwirklicht werden kann. Diesfalls weicht der Versuch hinter der nachfolgenden (RS 0114523) Vollendung infolge stillschweigender Subsidiariät zurück (Hager/Massauer in WK2 §§ 15, 16 Rz 239: "Durchgangsdelikt").

Darüber hinaus kommt jedoch im Fall einer einzigen Tat die Annahme der Begehung eines teils vollendeten, teils versuchten Delikts (vgl Ratz in WK2 Vorbem zu §§ 28 31 Rz 42) sehr wohl in Betracht. Maßgeblich für diese Beurteilung ist der vom Tätervorsatz erfasste Taterfolg. So begeht beispielsweise einen teils vollendeten, teils versuchten Diebstahl (§§ 127, 15 StGB) derjenige, der im Rahmen einer Tathandlung 1.000 Euro zu stehlen trachtet, tatsächlich aber nur 10 Euro erbeutet (Hager/Massauer in WK2 §§ 15, 16 Rz 240), eine teils vollendete, teils versuchte Nötigung (§§ 105 Abs 1, 15 StGB) derjenige, der sein Opfer durch eine gefährliche Drohung zu zwei verschiedenen Handlungen nötigen will, von denen jenes aber nur eine setzt.

Richtet sich wie hier bei einer geschlechtlichen Nötigung der Vorsatz des Täters auf eine Begehung dieses Delikts durch eine durch ein einheitliches Geschehen (hier: gleichzeitig) begangene Nötigung derselben Person zur Duldung mehrerer (hier: zweier) verschiedener geschlechtlicher Handlungen, die jede für sich tatbestandsmäßig ist, und ist es hinsichtlich einer derselben beim Versuch geblieben, so ist die Begehung dieser insgesamt einen Tat rechtsrichtig als das teils vollendete, teils versuchte Vergehen der geschlechtlichen Nötigung nach §§ 202 Abs 1, 15 StGB zu qualifizieren.

Dem erstinstanzlichen Schuldspruch haftet daher kein Rechtsfehler an.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher entgegen der Ansicht der Generalprokuratur und der dazu gemäß § 35 Abs 2 StPO abgegebenen Äußerung des Verteidigers, welche im Wesentlichen das Beschwerdevorbringen wiederholt zur Gänze zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten (ersichtlich nach § 202 Abs 1 StGB) "unter Bedachtnahme auf § 28 Abs 1 StGB" eine unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von neun Monaten. Bei der Strafbemessung wertete es "die zweifache Deliktsverwirklichung" als erschwerend, als mildernd hingegen den zuvor ordentlichen Lebenswandel und den Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist.

Dagegen richtet sich die eine Herabsetzung der Strafe begehrende, sonst aber nicht näher ausgeführte Berufung des Angeklagten.

Wenngleich eine "Bedachtnahme auf § 28 Abs 1 StGB" in Hinblick auf das Vorliegen nur einer (teils vollendeten, teils versuchten) strafbaren Handlung, die durch eine Tat verwirklicht wurde, zu entfallen hat, und der vom Erstgericht herangezogene Erschwerungsgrund richtiger Weise im durch zwei je für sich tatbestandsmäßige Angriffshandlungen erhöhten Handlungsunwert zu sehen ist, entspricht die verhängte Sanktion dem Gewicht der Tat sowie Schuld und Persönlichkeit des Täters und bedarf daher keiner Reduktion.

Es war somit auch der Berufung ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a StPO.

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