Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.852,02 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahren (darin enthalten 308,67 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg vom 18. 7. 2002 wurde über das Vermögen der T***** GmbH das Konkursverfahren eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt.
Die Gemeinschuldnerin, ein Recyclingunternehmen, war Mieterin einer Lagerfläche am Bahnhof W*****, auf der Hausmüll bzw hausmüllähnlicher Gewerbemüll sowie sonstige Abfälle gelagert waren. Das Magistratische Bezirksamt für den 12. Bezirk ordnete mit Bescheid vom 11. 6. 2002 an, dass die auf der erwähnten Liegenschaft gelagerten Abfälle binnen einer Frist von einer Woche zu beseitigen seien. Die dagegen von der Gemeinschuldnerin erhobene Berufung wies die Berufungsbehörde, Amt der Wiener Landesregierung MA 22 - Umweltschutz mit Bescheid vom 12. Juli 2002 ab und bestätigte den angefochtenen Bescheid mit einer hier nicht relevanten Maßgabe.
Nach Eröffnung des Konkursverfahrens drohte die MA 6 dem Kläger mit Schreiben vom 22. 7. 2002 die Ersatzvornahme an. Der Kläger teilte mit Schreiben vom 23. 7. 2002 mit, der Räumungsverpflichtung nicht nachkommen zu können.
Mit Bescheid der MA 6 vom 29. 7. 2002 wurde die Ersatzvornahme beginnend ab 30. 7. 2002 angedroht und im Weiteren vollzogen. Mit Bescheid vom 29. 7. 2002 trug die MA 6 der Gemeinschuldnerin "zu Handen des Klägers" die Vorauszahlung der Ersatzvornahmekosten in Höhe von 78.726 EUR auf. Der dagegen erhobenen Berufung des Klägers wurde mit der Begründung, es liege eine Masseforderung vor, nicht Folge gegeben.
Am 30. 1. 2003 erhob der Kläger gegen diesen Bescheid vom 30. 12. 2002 eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, über die nach der Aktenlage bisher nicht entschieden wurde.
Mit der am 13. 1. 2003 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass die Kosten der Ersatzvornahme keine Masseforderung darstellten. Er habe ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung, weil die zuständige Behörde davon ausgehe, dass eine Masseforderung vorliege. Ersatzvornahmekosten stellten jedenfalls dann keine Masseforderung dar, wenn die Gefahr, die über Veranlassung der Behörde nach Konkurseröffnung beseitigt werde, schon vor Konkurseröffnung entstanden sei.
Die Gemeinschuldnerin habe die Abfälle bereits vor Konkurseröffnung gelagert. Der Beseitigungsanspruch hätte als Konkursforderung gemäß § 14 KO geltend gemacht werden können.
Die beklagte Partei wendet ein, dass es sich um Kosten handle, die mit der Verwaltung und Bewirtschaftung der Masse verbunden seien. Die Androhung der Ersatzvornahme sei eine Vollziehungsverfügung, mit welcher dem Kläger die Möglichkeit gegeben worden sei, den gesetzgemäßen Zustand selbst herzustellen. Jedenfalls seien die Ersatzvornahmekosten nach § 46 Abs 1 Z 6 KO zu qualifizieren.
Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren statt. Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, dass der beklagten Partei bereits vor Konkurseröffnung ein durchsetzbarer Beseitigungsanspruch zugestanden sei. Dieser Anspruch hätte - einem privatrechtlichen Beseitigungsanspruch entsprechend - gemäß § 14 KO im Konkurs mit einem bestimmten Wert angemeldet werden können. Es liege nicht im freien Ermessen der bescheiderlassenden Behörde, ein Vollstreckungsverfahren einzuleiten oder nicht. Bereits bei Erlassung des Abfallbeseitigungsbescheides seien somit die rechtlichen Grundlagen für die Ersatzvornahme vorhanden gewesen. Auch der Gleichheitsgrundsatz gebiete diese Auslegung.
Über Berufung der beklagten Partei bestätigte das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Frage, ob die Kosten der Ersatzvornahme nach § 32 AWG bzw § 45 WrAWG als Masse- oder als Konkursforderungen zu behandeln seien, wenn diese Kosten auf der Nichtbefolgung eines bereits vor Konkurseröffnung erlassenen Beseitigungsauftrages beruhten, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege und das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei.
Das Berufungsgericht billigte die Rechtsauffassung des Erstgerichtes und führte aus, dass gemäß § 14 Abs 1 KO Forderungen, die nicht auf eine Geldleistung gerichtet seien, nach ihrem Schätzwert in inländischer Währung zur Zeit der Konkurseröffnung geltend zu machen seien. Nach der Rechtsprechung unterlägen unter anderem die Ansprüche auf Beseitigung und Wiederherstellung des vorigen Zustandes oder auf Übergabe oder Rückgabe bestimmter Sachen dieser Bestimmung. Das Bestehen einer Konkursforderung setze voraus, dass der Anspruch dem Grunde nach im Zeitpunkt der Konkurseröffnung zumindest bereits bedingt oder betagt bestanden habe. Auf die Fälligkeit komme es nicht an. Als aufschiebend bedingte Forderungen im Sinne der KO seien nicht nur solche anzusehen, die zufolge rechtsgeschäftlicher Bestimmung von einem Ereignis abhängen sollten; darunter fielen vielmehr auch gesetzlich bedingte Ansprüche. Unstrittig sei, dass der Anspruch der beklagten Partei auf Beseitigung bereits vor Konkurseröffnung entstanden sei. Der Gesetzgeber lege in § 32 AWG sowie § 45 WrAWG die sich aus einer Nichterfüllung der Beseitigungspflichten ergebenden Rechtsfolgen fest und sehe unter anderem die Ersatzvornahme durch die Behörde auf Kosten des Entsorgungspflichtigen bzw des Liegenschaftseigentümers vor. In Übereinstimmung mit der Lehre habe das Erstgericht zutreffend erkannt, dass der beklagten Partei schon im Zeitpunkt der Konkurseröffnung ein vermögensrechtlicher Beseitigungsanspruch zugestanden sei. Dessen Nichtbeachtung habe die im Gesetz schon vorgegebene Folge der Ersatzvornahme auf Kosten des Beseitigungsverpflichteten ausgelöst. Auch eine Bereicherung der Masse sei zu verneinen, weil die Gemeinschuldnerin nicht Eigentümerin, sondern bloß Mieterin der zu räumenden Lagerfläche gewesen sei.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen von der beklagten Partei erhobene Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.
Zutreffend zieht die Revisionswerberin die Zulässigkeit der vom Kläger erhobenen Feststellungsklage nicht in Zweifel: Masseforderungen unterliegen nicht der Anmeldepflicht im Konkurs (RIS-Justiz RS0064792; Konecny in Konecny/Schubert, KO § 102 Rz 24). Neben der Möglichkeit eines Abhilfeantrages nach § 124 Abs 3 KO (Konecny aaO; SZ 58/191) können sie jederzeit und ohne Rücksicht auf den Stand des Konkursverfahrens geltend gemacht und erforderlichenfalls auch im Exekutionsweg eingetrieben werden (RIS-Justiz RS0064634).
Ob eine Forderung Masseforderung ist, hat - als Hauptfrage - ausschließlich das Gericht nach Maßgabe der Bestimmungen des Insolvenzrechts zu entscheiden (8 Ob 20/93; 8 Ob 12/94; VwGH AnwBl 1992/4250; Mohr in Achatz, Umsatzsteuer in der Insolvenz, 30). Dem Masseverwalter wird nach herrschender Rechtsprechung (SZ 58/191; SZ 60/247; 8 Ob 608/89; 8 Ob 20/93; 8 Ob 12/94; s. auch Mohr aaO 30) ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung zugebilligt, dass eine als Masseforderung geltend gemachte Forderung nicht zu den nach § 46 KO vorrangig zu befriedigenden Ansprüchen gehört. Dass hier dem Kläger mit den genannten Bescheiden die Bezahlung der Ersatzvornahmekosten aufgetragen wurde, steht der Bejahung des rechtlichen Interesses nicht entgegen: Abgesehen von der im § 38 zweiter Satz AVG aufgezeigten Berechtigung der Behörde, das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage auszusetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird, stellt es gemäß § 69 Abs 1 Z 3 AVG einen Wiederaufnahmsgrund dar, wenn der Bescheid gemäß § 38 AVG von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.
Inhaltlich teilt der Oberste Gerichtshof die Rechtsauffassung der Vorinstanzen:
Der an die Gemeinschuldnerin gerichtete Beseitigungsauftrag der Behörde vom 11. 6. 2002 gründet sich auf § 45 Abs 2 des Wiener Abfallwirtschaftsgesetzes (WrAWG) LGBl 13/1994 idF LGBl 49/2001. Danach hat der Magistrat demjenigen, der Abfälle entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes verwertet, sammelt, abführt, lagert oder ablagert, die zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes erforderlichen Maßnahmen aufzutragen. Auch die beklagte Partei bezweifelt nicht, dass der Beseitigungsanspruch bereits vor Konkurseröffnung entstand. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, führte die Nichtbefolgung des zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung schon bestehenden Beseitigungsanspruchs zur Anwendbarkeit des § 4 Abs 1 und 2 VVG (Ersatzvornahme; Vorauszahlungsauftrag bezüglich der Ersatzvornahmekosten). Damit ist aber der bereits zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung bestehende Beseitigungsanspruch der Behörde unter § 14 Abs 1 KO zu subsumieren, wonach Forderungen, die nicht auf eine Geldleistung gerichtet sind oder deren Geldbetrag unbestimmt oder nicht in inländischer Währung festgesetzt ist, nach ihrem Schätzwert in inländischer Währung zur Zeit der Konkurseröffnung geltend zu machen sind. Sowohl nach Lehre (Apathy in Buchegger, InsR I § 14 KO Rz 4) als auch nach der Rechtsprechung (SZ 55/61) fallen Ansprüche auf Beseitigung und Wiederherstellung des vorigen Zustandes unter § 14 Abs 1 KO. Es ist daher mit den dazu in Österreich vertretenen Literaturmeinungen (Nunner, Die Freigabe von Konkursvermögen 80 ff; insbes 84 f; Berger/Riel, Gefährliche Abfälle im Konkurs, RdW 1995, 90; Prochaska, Umweltrechtliche Ersatzvornahmekosten: Konkurs- oder Masseforderungen? ZIK 1998, 83 ff) davon auszugehen, dass bereits zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung bestehende Beseitigungsansprüche als im Sinne des § 51 Abs 1 KO bereits vor der Konkurseröffnung begründete Forderungen anzusehen sind, weshalb auch die Ersatzvornahmekosten als Konkursforderungen dem § 14 Abs 1 KO unterliegen (vgl auch BGH in NJW 2001,2966 zum Anspruch des Vermieters auf Beseitigung von Abfällen von einem gemieteten Grundstück; ferner 8 Ob 294/01w zu Behebungskosten am Mietobjekt betreffend bereits vor Konkurseröffnung entstandene Schäden). Das gilt uneingeschränkt jedenfalls für den - hier vorliegenden Fall - dass die Gefahrenlage vor der Konkurseröffnung verwirklicht wurde und der umweltwidrige Zustand nach der Konkurseröffnung weder vergrößert wurde noch eine andere (neue) Gefahr nach Konkurseröffnung entstand (vgl Nunner aaO 91). Dass hier nach Konkurseröffnung eine Vergrößerung oder Veränderung des umweltwidrigen Zustandes eintrat, behauptet nicht einmal die beklagte Partei.
Soweit der Verwaltungsgerichtshof von einer anderen Rechtsauffassung ausgeht, wird sie daher vom Obersten Gerichtshof nicht geteilt. Die Revisionsbeantwortung verweist allerdings zutreffend darauf, dass die in verwaltungsgerichtlichen Erkenntnissen behandelte Frage der Zulässigkeit der Erlassung eines Beseitigungsauftrages im Sinne des § 32 AWG (vergleichbar dem § 45 Abs 2 WrAWG) auch gegen den Masseverwalter (vgl dazu VwGH WBl 1997, 176) nichts mit der Frage der Einordnung der Ersatzvornahmekosten als Masse oder Konkursforderungen zu tun hat.
Letztlich überzeugt auch das Argument nicht, das öffentliche Interesse gebiete eine Einordnung der Ersatzvornahmekosten als Masseforderung. Die Befürchtung, dass die wirtschaftlichen Folgen aus einer geschaffenen Gefahrenlage der "Allgemeinheit" aufgebürdet, die Gläubiger hingegen "entlastet" werden, erweist sich als zu eng: Auch die "Allgemeinheit" ist, wenn sie Gläubiger ist, in die Schicksalsgemeinschaft der Gläubiger eingereiht. Ob sie ihre Position dem Privatrecht oder dem öffentlichen Recht verdankt, ist gerade kein zur Bewältigung des Verteilungskampfs geeignetes Kriterium. Öffentlich-rechtliche Pflichten sind den privatrechtlichen Pflichten gleichwertig (Nunner aaO 85).
Schließlich ist auch das Argument, es liege eine Masseforderung im Sinn des § 46 Abs 1 Z 6 KO vor, nicht stichhältig: Ein Anspruch nach § 46 Abs 1 Z 6 KO kann nur dann erfolgreich geltend gemacht werden, wenn die Bereicherung der Masse im Zuge des Konkursverfahrens Platz gegriffen hätte (RIS-Justiz RS0111103; SZ 72/72). Besteht - wie hier - aufgrund eines bereits zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung gegebenen Beseitigungsanspruches eine Konkursforderung in Höhe der Ersatzvornahmekosten, ist es dem Gläubiger verwehrt, die Differenz zum "vollen" Anspruch als Bereicherungsanspruch im Sinne des § 46 Ab 1 Z 6 KO geltend zu machen.
Der unberechtigten Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)