OGH 15Os167/03

OGH15Os167/0319.2.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Februar 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kainz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Erich H***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Graz vom 7. Oktober 2003, GZ 8 Hv 114/03h-132, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Plöchl, des Angeklagten sowie des Verteidigers Dr. Vacarescu zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen - auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden - Urteil, das auch einen rechtskräftigen Teilfreispruch enthält, wurde Erich H***** der Verbrechen (1) des Mordes nach § 75 StGB und (2) des schweren Raubes nach §§ 142, 143 zweiter Fall StGB sowie (3) des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 7. Dezember 2002 in Graz

1. Hermine M***** durch Versetzen von 35 Schlägen mit einem Fleischerbeil gegen den Hinterkopf und den linken Schläfenbereich, durch Würgen und durch Versetzen mehrerer Stiche mit einer Schere in die linke Brustkorbseite vorsätzlich getötet,

2. mit Gewalt teils unter Verwendung einer Waffe, indem er Hermine M***** würgte, ihr mit einem Fleischerbeil zumindest 35 Schläge gegen den Hinterkopf und den linken Schläfenbereich versetzte und mit einer Schere mehrmals in die linke Brustkorbseite stach, fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Geldbörse mit 27 Euro Bargeld mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen,

3. nachstehend angeführte Urkunden, nämlich das PSK-Sparbuch mit der Nummer ***** und das CA Sparbuch mit der Nummer ***** der Hermine M*****, über die er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis der sich daraus ergebenden Rechte oder Tatsachen gebraucht werden, indem er diese oben beschriebenen Sparbücher an sich nahm und im Keller des Hauses ***** versteckte.

Die Geschworenen bejahten die - nach teilweiser Modifikation (S 203 f/V) - anklagekonformen Hauptfragen nach Mord gemäß § 75 StGB (2), waffenqualifiziertem Raub gemäß § 142, 143 zweiter Fall StGB (3) sowie Urkundenunterdrückung gemäß § 229 Abs 1 StGB (4) und verneinten die für den Fall der Bejahung der Hauptfragen 2, 3 und 4 oder der Eventualfrage 5 gestellte Zusatzfrage nach § 11 StGB (6) jeweils stimmeneinhellig. Folgerichtig blieb die auf das Verbrechen des Totschlages nach § 76 StGB gerichtete Eventualfrage unbeantwortet.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Schuldspruch richtet sich die aus Z 4, 5, 6, 8 und 10a des § 345 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Der Verfahrensrüge (Z 5) zuwider wurden durch die Abweisung (S 206/V) des Antrages auf Vernehmung der Zeugin Amanda O***** zum Beweis dafür "dass die getötete Hermine M***** im Mai 2002 ihre langjährige Freundin Amanda O***** aus nichtigem Anlass gröblichst beschimpft hat, wodurch selbst diese Zeugin in eine allgemein begreifliche heftige Gemütsbewegung versetzt wurde und in weiterer Folge aufgrund dieses Vorfalls der Kontakt mit der seit 40 Jahre befreundeten Familie M***** abgebrochen wurde" (S 205/V), keine Verteidigungsrechte des Angeklagten verkürzt. Denn das Begehren zielte mangels der gebotenen - fallbezogen nicht von selbst einsichtigen - Darlegung, inwiefern Amanda O***** zum Verhalten der Hermine M***** vor ihrer Tötung überhaupt zweckdienliche Angaben machen könnte und durch die Aussage der genannten Zeugin der angestrebte Nachweis für die im Beweisthema behauptete Beschimpfung möglich wäre, auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330; Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 19). Die in der Rechtsmittelschrift nachgetragenen Argumente zur Beweisrelevanz sind unbeachtlich (Ratz aaO § 281 Rz 325; Mayerhofer aaO § 281 Z 4 E 40 f).

Die Fragestellungsrüge (Z 6), welche sich gegen die Abweisung (S 207/V) der nach einfachem Diebstahl gemäß § 127 StGB sowie räuberischem Diebstahl mit Todesfolge gemäß § 131 letzter Fall StGB beantragten Eventualfragen richtet, versagt ebenfalls. Unabdingbare Voraussetzung für die Stellung von Eventualfragen (§ 314 Abs 1 StPO) ist das Vorbringen von Tatsachen in der Hauptverhandlung, welche einen gegenüber der Angeklage geänderten Sachverhalt und im Fall ihrer Bejahung die Basis für einen Schuldspruch wegen einer - anklagedifformen - gerichtlich strafbaren Handlung in den näheren Bereich der Möglichkeiten rücken (Schindler, WK-StPO § 314 Rz 1). Entgegen dem (zum Teil selektiv Verantwortungspassagen zitierenden) Beschwerdevorbringen waren die erwähnten Eventualfragen nicht durch die Ergebnisse in der Hauptverhandlung indiziert. Nach der dort vorgetragenen Tatschilderung hat der Angeklagte die Wohnung der Hermine M***** ohne Raub- und Diebstahlsvorsatz betreten, eigenmächtig die in einem Kästchen verwahrten (vinkulierten) Sparbücher durchgeblättert, anschließend auf Hermine M*****, die ihn deswegen angeblich beschimpft hatte, mehrfach mit einem Fleischhammer eingeschlagen und entweder vor oder nach deren Tötung die vorgefundene Geldtasche eingesteckt.

Am nächsten Tag habe er die darin befindlichen 27 Euro entnommen, die Brieftasche weggeschmissen und die Sparbücher, deren Mitnahme ihm erst nach Rückkehr von der Tat aufgefallen sei, im Keller versteckt (insbesondere S 150, 152, 155, 158/V).

Da der Angeklagte nach der beschriebenen Einlassung hinsichtlich der erbeuteten Geldbörse samt 27 Euro Inhalt einen bei der Sachwegnahme aktuell vorhandenen Zueignungs- und Bereicherungsvorsatz in Abrede stellte und somit ein auf (einfachen) Diebstahl nach § 127 StGB hinauslaufendes Tatsachensubstrat nicht vorlag, ist die zur Hauptfrage 3 (wegen schweren Raubes) angestrebte Aufnahme einer Eventualfrage nach dem bezeichneten Vergehen zu Recht unterblieben. Eine insoweit auf Unterschlagung nach § 134 Abs 2 StGB abzielende Eventualfrage wurde in der Hauptverhandlung nicht begehrt und auch in der Beschwerde nicht releviert (Mayerhofer aaO § 345 Z 6 E 2a). Die zur Hauptfrage 2 (wegen Mordes) reklamierte Eventualfrage in Richtung räuberischen Diebstahls mit Todesfolge nach § 131 letzter Fall StGB musste schon deshalb unterbleiben, weil die verfahrensgegenständlichen vinkulierten Sparbücher nach ständiger Judikatur keine Wertträger und daher keine tauglichen Diebstahlsobjekte sind, selbst wenn der Täter das Losungswort kennt (Leukauf/Steininger Komm3 RN 10; Fabrizy StGB8 Rz 4; Kienapfel/Schmoller Studienbuch Strafrecht BT II Rz 39 f jeweils zu § 127 StGB). Davon abgesehen hat der Angeklagte auch diesbezüglich den Bereicherungsvorsatz bestritten und niemals behauptet, Gewalt gegen Hermine M***** mit der in § 131 StGB geforderten Absicht angewendet zu haben, sich die erwähnten Sparbücher zu erhalten. Mit der allgemeinen Beschwerdekritik (Z 8 bzw 4) an der im Urteilspunkt 2. - durchaus judikaturkonform - vorgenommenen Bezeichnung des waffenqualifizierten Raubes als Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142, 143 zweiter Fall StGB wird weder die behauptete "Undeutlichkeit" der zur Hauptfrage (richtig:) 3 erteilten Instruktion noch eine "lediglich vorsichtshalber" relevierte Urteilsnichtigkeit nach § 345 Abs 1 Z 4 (iVm § 260 [Abs 1 Z 2]) StPO bestimmt und deutlich dargetan (§ 344 [§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2] StPO).

Die Tatsachenrüge (Z 10a) zum Schuldspruch 1. vermag mit dem Hinweis auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr. Mü***** zur Unterklassifizierung des inkriminierten Tötungsdeliktes ("Argument Murder"; S 493/IV) keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der im Verdikt festgestellten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen. Vielmehr erschöpft sich die Beschwerdeargumentation im Bestreben des Angeklagten, seiner mit Bejahung der Hauptfrage 2 (wegen Mordes) abgelehnten Totschlagsversion neuerlich zum Durchbruch zu verhelfen und richtet sich in Wahrheit gegen die einer Anfechtung im Nichtigkeitsverfahren entzogene Beweiswürdigung der Geschworenen nach Art einer gegen kollgialgerichtliche Urteile unzulässigen Schuldberufung.

Soweit der uneingeschränkte Aufhebungsantrag auch den Schuldspruch 3. (Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB) erfasst, wird die Beschwerde mangels gebotener Konkretisierung eine Nichtigkeit im Sinn des § 345 Abs 1 Z 1 bis 13 StPO bewirkender Umstände nicht gesetzmäßig ausgeführt (§ 344 [§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2] StPO).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschworenengericht verhängte über den Angeklagten nach §§ 28 Abs 1, 75 StGB eine lebenslange Freiheitsstrafe.

Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit einem Vergehen, die heimtückische Tatbegehung in einer für das Opfer qualvollen Weise und die besondere Brutalität, als mildernd die Unbescholtenheit.

Die dagegen erhobene Berufung begehrt die Umwandlung der lebenslangen Freiheitsstrafe in eine zeitliche.

Auch die Berufung erweist sich als nicht zielführend. Entgegen der darin vertretenen Ansicht wurde bei Beurteilung des Tatgeschehens (wonach vom Täter solange zugeschlagen wurde, als das Opfer noch Lebenszeichen zu erkennen gab und er dann, um sicherzugehen, dass der Tod tatsächlich herbeigeführt wird, mit der Schere zugestochen hat; vgl ON 68/II, S 197/V), zutreffend das Vorliegen der Voraussetzungen des § 33 Z 6 StGB angenommen (vgl Mayerhofer StPO5 § 33 RN 30, 30b, 30d). Auch bei der Beurteilung der Delinquenzbereitschaft des Angeklagten ist kein Fehler unterlaufen. Eine Prüfung der Voraussetzungen des § 21 Abs 2 StGB war nicht verfahrensrelevant. Letztlich kann die "schwere Kindheit" des Berufungswerbers nicht als mildernd angesehen werden, weil bei einem 37-jährigen Menschen die eigene Persönlichkeit solche Mängel bereits ausgleichen kann (Mayerhofer aaO § 32 RN 10).

Zutreffend ist das Geschworenengericht auch davon ausgegangen, dass die die subjektive Tatseite in Abrede stellende Verantwortung in der Hauptverhandlung nicht als Geständnis und somit mildernd angesehen werden kann.

Demgemäß bleibt unter Zugrundelegung der vom Geschworenengericht zutreffend angenommenen Milderungs- und Erschwerungsgründe und unter abschließender Berücksichtigung des Tatunwertes und der Täterpersönlichkeit kein Raum für eine Strafreduktion. Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a StPO.

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