OGH 14Os175/03

OGH14Os175/0317.2.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Februar 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Loewe als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Brahim A***** wegen der Verbrechen der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 12. August 2003, GZ 024 Hv 97/03p-63, nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Teilfreispruch enthaltenden Urteil wurde Brahim A***** (jeweils) (richtig:) der Verbrechen der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 2 StGB (A./I./ bis VI./) und des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (B./1./ bis 5./) sowie (richtig:) der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach (richtig:) § 229 Abs 1 StGB (C./I./, II./) schuldig erkannt. Demnach hat Brahim A***** in Wien

A./ nachgenannte Personen mit Gewalt zur Vornahme bzw Duldung des Beischlafes bzw einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung zu nötigen versucht, und zwar I./ am 12. Jänner 2003 Karolin H*****, indem er sie in den "Schwitzkasten" nahm, am Hals packte, zu Boden drückte und sich auf sie legte;

II./ am 18. Jänner 2003 Johanna W*****, indem er sie zu Boden riss, sich auf sie legte, ihr Mund und Nase zuhielt und sie niederdrückte, sowie durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, indem er ihr drohte, sie umzubringen, wenn sie ihm nicht zu Willen sei;

III./ am 2. März 2003 Christiane Ö*****, indem er sie zu Boden warf, festhielt und sich auf sie legte;

IV./ am 9. März 2003 Bianca H*****, indem er sie am Nacken packte, zu Boden riss, sich auf sie legte und ihr Mund und Nase zuhielt;

V./ am 17. März 2003 Evelyn N*****, indem er sie mit beiden Händen am Hals festhielt und ihr Mund und Nase zuhielt;

VI./ am 18. März 2003 Elisabeth G*****, indem er sie an sich zog und an den Schultern festhielt;

B./ fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, dadurch Nachgenannten mit Gewalt gegen deren Person weggenommen, dass er

1./ am 18. Jänner 2003 Johanna W***** eine Tasche im Wert von 14 Euro über den Kopf riss und an sich nahm;

2./ am 16. Februar 2003 Solveig B***** an beiden Händen ergriff, an eine Wand schleuderte und deren Handtasche, beinhaltend ein Handy der Marke Nokia, 25 Euro und einen Haarspray, an sich nahm;

3./ am 2. März 2003 Maria S***** an der Handtasche, die sie nicht losließ, mitschleifte, bis deren Riemen riss, sodann die Handtasche samt einem Handy der Marke Nokia, 20 Euro und einen Laserstift in Wert von 20 Euro an sich nahm;

4./ am 19. März 2003 Iris F***** an den Schultern packte, zu sich zog und ihr die Handtasche samt Handy und einer Brosche entriss und diese an sich nahm;

5./ am 21. März 2003 Ruzica J***** niederstieß und ihr ihre Handtasche, beinhaltend 300 Euro und 50 Euro in Gutscheinen sowie ein Handy, entriss;

C./ Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass diese im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden, und zwar

I./ zwischen dem 21. März 2003 und "einem noch näher festzustellenden Zeitpunkt" die Bankomatkarte der BAWAG, ausgestellt für Ruzica J*****, sowie

II./ zwischen dem 16. Februar 2003 und einem "noch näher festzustellenden Zeitpunkt" die Bankomatkarte der CA-BV, ausgestellt für Soveig B*****.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a und 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Den auf Einholung eines (psychiatrischen) Sachverständigengutachtens gerichteten Antrag (S 21/II) hat das Schöffengericht schon deshalb ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abgewiesen (S 39/II), weil - gestützt auf die bloß allgemeine Behauptung einer psychischen Störung und einer daraus resultierenden zumindest stark herabgesetzten Hemmschwelle des Angeklagten - lediglich eine für die Lösung der Schuld- und Subsumtionsfrage nicht relevante Herabsetzung der Diskretionsfähigkeit unter Beweis gestellt werden sollte (Fabrizy StGB8 § 11 Rz 8, Ratz, WK-StPO § 281 Rz 321).

Darüber hinaus legt der Antrag nicht dar, warum die beantragte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse (Ratz aaO Rz 330). Das erstmals im Rechtsmittel vorgebrachte Beweisziel der Zurechnungsunfähigkeit des Angeklagten zu den Tatzeitpunkten widerstreitet dem Neuerungsverbot.

Die in der Mängelrüge geltend gemachte Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) liegt nicht vor, weil die Tatrichter nicht verhalten waren, jene Angaben der Zeuginnen H***** und W***** zu erörtern, wonach der Angeklagte in keinem Fall seine Hose geöffnet und auch nicht versucht habe, sie ihm Bereich des Unterleibs zu entkleiden. Versuchte Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 2 StGB begründet nämlich bereits der auf Vornahme oder Duldung des Beischlafes oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung gerichtete Einsatz des Nötigungsmittels (Schick in WK2 § 201 Rz 52). Demnach ist nicht von Relevanz, wie nahe der Täter darüber hinaus der von ihm angestrebten Deliktsvollendung gekommen ist und welche Tathandlungen er hiezu im Einzelnen gesetzt hat. Die Zeugin G***** machte im Übrigen zum behaupteten Nicht-Öffnen der Hose keine Angaben (S 35 f/II).

Die auf Judikatur zu früher ausgegebenen (reinen) Geldbehebungskarten gestützte Rechtsrüge (Z 9 lit a) bestreitet zu C./ undifferenziert die Urkundenqualität von Bankomatkarten im Allgemeinen, ohne dem Gesetz gemäß deutlich und bestimmt darzulegen, warum es sich gerade bei jenen für Ruzica J***** und Solveig B***** ausgestellten Karten um solche handeln sollte, die ausschließlich einen Magnetstreifen aufweisen und ebenfalls als Bankomatkarten bezeichnet wurden und nicht um die im heutigen Geschäftsverkehr üblichen, die für ihren Besitzer auch schon vor Unterfertigung eine vom ausstellenden Bankinstitut erklärte - durch den aufgeprägten Gültigkeitszeitraum begrenzte - Legitimations- und Beweisfunktion insbesondere bei Bankgeschäften haben und denen daher schon aus diesem Grund Urkundeneigenschaft im Sinne des § 74 Abs 1 Z 7 StGB zukommt (zuletzt 13 Os 43/03).

Soweit die eine Beurteilung nach § 202 Abs 1 StGB anstrebende Subsumtionsrüge (Z 10) zum Schuldspruch A./ die mangelnde Feststellung jener vom Angeklagten gesetzten Handlungen behauptet, durch die er versucht hat, den Beischlaf oder eine den Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung vorzunehmen, übergeht sie prozessordnungswidrig die im Urteil konstatierte Gewaltanwendung, welche infolge Gegenwehr oder Flucht der Opfer nicht zur Deliktsvollendung führte (US 8, 13), ebenso wie die (durch entsprechende Äußerungen in Bezug auf Geschlechtsverkehr untermauerten) Urteilsannahmen zur inneren Tatseite (US 8). Weshalb - trotz in allen Fällen versuchter Tatbegehung - Feststellungen zu allenfalls bereits erfolgten geschlechtlichen Handlungen geboten gewesen wären, bringt die Beschwerde auf Basis des Urteils nicht nachvollziehbar zur Darstellung.

Gleiches gilt für die vermissten Konstatierungen zur Frage, ob der Beschwerdeführer "durch die geschlechtlichen Tathandlungen zu einem Orgasmus gekommen" ist.

Auch mit dem Einwand fehlender Feststellungen zur Intensität der zu B./1./ ausgeübten Gewaltanwendung, wodurch eine verlässliche Beurteilung der Voraussetzungen nach § 142 Abs 2 StGB nicht möglich sei, setzt sich der Nichtigkeitswerber darüber hinweg, dass er bei Begehung dieser Raubtat die im Zuge des erfolglos gebliebenen Vergewaltigungsversuches angewendete Gewalt ausnutzte, die darin bestand, dass er Johanna W***** zu Boden riss, sich auf sie legte, ihr Mund und Nase zuhielt und sie niederdrückte (US 9, 11 iVm US 3). Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

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