OGH 2Ob51/03v

OGH2Ob51/03v12.2.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gabriele S*****, vertreten durch Dr. Michael Auer und Dr. Ingrid Auer, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei R***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Rudolf Beck und Dr. Richard Krist, Rechtsanwälte in Mödling, und der Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei 1. Wolfgang M*****, 2. Karl N*****, 3. Emma G*****, 4. Andreas B*****, 5. Erwin L*****, 6. Peter L*****, und 7. Helga G*****, alle vertreten duch Dr. Gerhard Engin-Deniz und Dr. Christian Reimitz, Rechtsanwälte KEG in Wien, wegen EUR 4.997,81 sA, infolge Revision der Nebenintervenienten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 31. Jänner 2002, GZ 34 R 378/01t-31, womit infolge Berufung der beklagten Partei und der Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 10. April 2001, GZ 37 C 200/00p-25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision der Nebeninvernienten wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Dem Erstgericht wird eine neuerliche Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin war seit 1998 Alleineigentümerin der Liegenschaften EZ 1***** Grundbuch 0***** S***** mit den Liegenschaftsadressen 1220 Wien, M*****straße/B*****weg und EZ 1***** Grundbuch 0***** S***** mit der Liegenschaftsadresse 1220 Wien, M*****straße, mit deren Verwaltung die Beklagte beauftragt war. Einzelne Grundstücke dieser Liegenschaft waren aufgrund von zwischen 1972 und 1996 von den Rechtsvorgängern der Klägerin auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Pachtverträgen an die nunmehrigen Nebenintervenienten verpachtet, die den jährlichen Pachtzins jeweils längstens bis zum 15. Jänner im Voraus für ein Pachtjahr zu entrichten hatten. Mit Schreiben jeweils vom 10. 11. 1998 bot die Klägerin den Pächtern die Liegenschaften zu einem Preis von S 2.000 pro Quadratmeter zum Kauf an. Es folgten Verhandlungen zwischen den Pächtern und der Klägerin, in denen eine anteilige Rückzahlung des Pachtzinses für 1999 nicht zur Sprache kam bzw nicht vereinbart wurde. Letztlich kauften die Pächter nach Zahlung des längstens am 15. 1. 1999 fällig gewordenen Pachtzinses zwischen April und Juni 1999 die gepachteten Liegenschaften, wobei der Preis pro Quadratmeter S 1.000 oder geringfügig weniger betrug. Eine ausdrückliche Regelung, wie mit den bereits bezahlten Pachtzinsen zu verfahren sei, enthielten die einzelnen Kaufverträge nicht.

Die Klägerin begehrt Zahlung von S 68.771,41 (EUR 4.997,81). Die Beklagte habe diesen Betrag an fälligen Pachtzinsen für das Jahr 1999 vereinnahmt und weigere sich, ihn an die Klägerin auszufolgen. Der Betrag sei von der Beklagten rechtswidrig beim Bezirksgericht Donaustadt hinterlegt worden. Ein Rückforderungsanspruch der Pächter bezüglich des anteiligen Pachtschillings bestehe nicht. Der Pachtschilling für 1999 sei am 15. 1. 1999 zur Gänze fällig gewesen. Im Gesetz sei ein Rückforderungsanspruch nicht vorgesehen. In den Kaufverträgen sei aufgrund der von der Klägerin akzeptierten niedrigen Kaufpreise ein Rückforderungsanspruch nicht vereinbart worden.

Die Beklagte wendete ein, sie habe die jeweiligen Pachtschillinge nur treuhändig als Verwalterin für die Klägerin und die Pächter entgegengenommen und sei nicht passiv legitimiert. Sie kenne den wahren Parteiwillen der Vertragsparteien zum Zeitpunkt der Abschlüsse der Kaufverträge nicht. In den Standardverträgen sei keine Bestimmung enthalten, wie mit den bereits am Jahresanfang geleisteten Pachtzinsen für das Jahr 1999 zu verfahren sei. Nach Abschluss der Verträge hätten sowohl die Klägerin als auch die ehemaligen Pächter die Pachtzinsdifferenz von der Beklagten gefordert. Die Pachtschillinge seien zu Beginn des Jahres 1999 im Voraus von den vormaligen Pächtern unter der Bedingung gezahlt worden, dass das Pachtverhältnis noch ein ganzes Jahr andauere. Da im Verlauf des Pachtjahres die vormaligen Pächter Eigentum erworben hätten, bestehe hinsichtlich des jeweiligen restlichen Teilbetrages, der im Nachhinein rechtsgrundlos geleistet worden sei, ein Rückforderungsanspruch. Die Beklagte habe alle Pachtzinsdifferenzen beim Bezirksgericht Donaustadt hinterlegt. Zwischen der Klägerin und den vormaligen Pächtern bestehe keine vertragliche Abrede über das anteilsmäßige Bestandentgelt. Dieses stehe den vormaligen Pächtern zu, "weil dies die Kaufverträge so vorsehen".

Die vormaligen Pächter und nunmehrigen Eigentümer traten dem Rechtsstreit auf Seite der Beklagten als Nebenintervenienten bei und zedierten ihr am 7. 12. 2000 die Rückforderungsansprüche. Der Rückforderungsanspruch ergebe sich aus der klaren Regelung im Kaufvertrag (ON 19 AS 65). In allen Kaufverträgen sei in Punkt 3. als Stichtag für den Übergang von Lasten und Vorteilen der Tag der Vertragsunterfertigung vereinbart worden. Der Klägerin stünden daher auch nur bis zu diesem Stichtag die Pachtschillinge zu. Nachdem die Klägerin die Liegenschaft geerbt habe, habe sie die Nebenintervenienten sofort unter Androhung der Auflösung der Pachtverhältnisse unter Druck gesetzt. Da die Klägerin eingesehen habe, dass kündigungsgeschützte Mietverhältnisse vorgelegen seien, hätten dementsprechende faire und für den Nebenintervenienten leistbare Kaufpreise verhandelt werden werden können. Selbst wenn die Kaufverträge keine konkrete Regelung enthalten hätten, wäre im Sinne einer ergänzenden Vertragsauslegung klar, dass redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, dass der Verkäuferin nur die anteiligen Mietzinse für die Periode bis zum Vertragsabschluss zustünden. Durch die Kaufverträge habe bis zum jeweiligen Vertragsstichtag das Bestandverhältnis geendet. Für den Zeitraum danach fehle es an jeglicher Gegenleistung; der Rechtsgrund der Zahlung sei weggefallen. Ein Rückforderungsanspruch bedürfe keiner Vereinbarung, weil er sich aus dem Gesetz ergebe.

Die Beklagte wendete die ihr zedierten Rückforderungsansprüche compensando gegen die Klageforderung ein.

Das Erstgericht erkannte die Klageforderung in voller Höhe als zu Recht bestehend, während es den Bestand der Gegenforderung verneinte.

Es beurteilte den von der Beklagten vorgenommenen Gerichtserlag als nicht schuldbefreiend und führte rechtlich weiter aus, die in den Kaufverträgen enthaltenen allgemeinen Bestimmungen ließen keinesfalls im Rahmen der Auslegung den Schluss zu, dass damit eine anteilige Rückzahlungsverpflichtung der Klägerin vereinbart worden sei. Eine solche sei auch nicht aus § 1435 ABGB ableitbar, weil sich der Abschluss der Kaufverträge jedenfalls auch auf die Sphäre der Käufer beziehe, deren Sache es gewesen wäre, vertragliche Vereinbarungen über das rechtliche Schicksal der im Voraus bezahlten Pachtzinse zu treffen.

Das von der Beklagten und den Nebenintervenienten angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Über Antrag nach § 508 ZPO wurde die ordentliche Revision schließlich doch für zulässig erklärt. Es billigte - soweit von Bedeutung für das Revisionsverfahren - die rechtlichen Überlegungen des Erstgerichtes, insbesondere auch jene über die Wirkung des Gerichtserlages. Die Pachtverträge seien durch Konfusion erloschen. Aus den jeweiligen Kaufverträgen sei eine Verpflichtung zur anteiligen Rückzahlung des Pachtschillings nicht ableitbar. Der gesamte Pachtschilling sei bereits zu Jahresbeginn im Voraus zu bezahlen gewesen. Ein Rückforderungsanspruch nach § 1435 ABGB scheide aus, weil die Abschlüsse der Kaufverträge der Sphäre der Käufer zuzurechnen seien. Im Hinblick auf die bereits laufenden Kaufvertragsverhandlungen könne nicht davon gesprochen werden, der Pachtzins sei von den Pächtern in der Erwartung begeben worden, dass das Dauerschuldverhältnis noch längere Zeit Bestand haben werde. Letztlich seien es die Nebenintervenienten gewesen, die sich für einen Kauf der Liegenschaft zu einem laut ihrem Vorbringen fairen Preis entschieden hätten.

Die Nebenintervenienten führen in ihrer Revision aus, das Berufungsgericht sei von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Rückabwicklung von nachträglich rechtsgrundlos gewordenen Entgeltzahlungen im Dauerschuldverhältnis und zur Frage der Vereitelung des Leistungszweckes bei derartigen Leistungen abgewichen. Rechtsgrundlos gewordene Entgeltzahlungen bei Dauerschuldverhältnissen könnten mit der condictio causa finita gemäß § 1435 ABGB zurückgefordert werden; aufgrund des Entgeltcharakters komme es nicht auf die Ursache für den Wegfall des Rechtsgrundes an. Überlegungen über die Vereitelung des Leistungszweckes oder das Verschulden des verkürzten Vertragsteiles spielten dabei keine Rolle. Der einvernehmliche Abschluss eines Kaufvertrages sei nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht als Verschulden an der Vereitelung des Leistungszweckes anzusehen. Es fehle auch Rechtsprechung, ob der Abschluss eines Kaufvertrages über ein Bestandobjekt ein Verschulden des Bestandnehmers an der Auflösung des Bestandvertrages im Sinne der zu § 1435 ABGB ergangenen Judikatur darstelle. Das Berufungsgericht hätte die Auflösung der Pachtverträge sowohl der Sphäre der Klägerin als auch der Sphäre der Nebenintervenienten zuordnen und die von der Beklagten eingewendete Gegenforderung mindestens zur Hälfte bejahen müssen.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, dem Rechtsmittel der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und im Sinne des im Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Vorweg ist festzuhalten, dass in der Revision der Nebenintervenienten auf die Auswirkungen des gerichtlichen Erlages der strittigen Pachtschillinge nicht mehr zurückgekommen wird. Die Frage der schuldbefreienden Wirkung des Erlags ist daher nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens.

Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass die Bestandverträge zwischen den Nebenintervenienten und der Klägerin zufolge Vereinigung von Schuldner und Gläubigerstellung erloschen sind, weil die Nebenintervenienten die Bestandobjekte gekauft haben (vgl Reischauer in Rummel ABGB3 Rz 2 zu § 1445). Zeitpunkt dieses Erlöschens durch den Eintritt des bisherigen Mieters in die Vermieterstellung ist - trotz der Verbücherung der Bestandobjekte - der Eintritt des Sachbesitzes (Reischauer aaO; Würth in Rummel3 Rz 7 zu § 1120), der hier zufolge der Übergabeklausel in den Kaufverträgen mit dem Abschluss dieser Verträge anzunehmen ist. Hier wurde die Konfusion durch Abschluss eines Kaufvertrages durch die Parteien des Bestandvertrages bewirkt. Ein allfälliger Anspruch auf Rückforderung der - über den Zeitpunkt des Erlöschens der Bestandverträge hinaus vorausbezahlten - Mietzinse kann sich daher nur aus den Kaufverträgen ergeben. Nach Punkt 3. der Kaufverträge wurde als Stichtag für den Übergang von Besitz, Gefahr, Schaden und Zufall, Lasten und Vorteil der Tag der Vertragsunterfertigung vereinbart. Mit diesem Zeitpunkt hatten die Käufer alle auf den Vertragsgegenstand entfallenden Realsteuern, Abgaben und Lasten zu tragen. Zutreffend haben bereits die Vorinstanzen darauf verwiesen, dass damit keine ausdrückliche Regelung über das Schicksal der vorausbezahlten Pachtzinse getroffen wurde. Mangels ausdrücklicher Regelung müssen daher die Kaufverträge ausgelegt werden, wobei primär der Wille der Parteien zu dem genannten Punkt 3 entscheidend ist. Das Erstgericht wird daher nach allfälliger Erörterung mit den Parteien festzustellen haben, ob mit dieser vertraglichen Bestimmung eine Rückzahlungsverpflichtung hinsichtlich der im Voraus bezahlten Pachtschillinge festgelegt werden sollte. Haben aber die Parteien diese Frage nicht bedacht und somit keine ausdrückliche Regelung vorgesehen, dann ist im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu ermitteln, wie redliche und vernünftige Parteien diese Frage geregelt hätten. Dazu sind aber noch die näheren Umstände zu ermitteln. Insbesondere wird festzustellen sein, wie es zum Eintritt der Vertragsgespräche gekommen ist, wie diese verlaufen sind, aus welchen Gründen es zur Festlegung des vereinbarten Kaufpreises gekommen ist und ob allenfalls die Frage der bereits bezahlten Bestandzinse einen Einfluss auf den letztlich festgelegten Kaufpreis hatte; schließlich in welchem Verhältnis der vereinbarte Kaufpreis zum Marktpreis gestanden ist. Erst wenn diese Feststellungen getroffen sind, kann der Sachverhalt abschließend beurteilt werden.

Da die ergänzende Vertragsauslegung einem kondiktionsrechtlichen Anspruch vorgeht, bleibt kein Raum mehr für bereicherungsrechtliche Überlegungen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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