OGH 10ObS5/04i

OGH10ObS5/04i10.2.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Wolf und Peter Ammer (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Werner S*****, Kaufmann, *****, vertreten durch Dr. Helmut Malek, Rechtsanwalt in Krems, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, wegen Feststellung der Erwerbsunfähigkeit, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. Oktober 2003, GZ 10 Rs 146/03v-59, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der an das Berufungsgericht gerichtete Antrag des Klägers auf Abänderung des Unzulässigkeitsausspruches dahin, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde, war verfehlt, weil in Streitigkeiten in Arbeits- und Sozialrechtssachen (§ 502 Abs 5 Z 4 ZPO iVm ZVN 2002, BGBl I Nr 76/2002) gemäß § 505 Abs 4 ZPO eine außerordentliche Revision erhoben werden kann, wenn das Berufungsgericht im Berufungsurteil nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO ausgesprochen hat, dass die ordentliche Revision nicht nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig ist. Einer Abänderung des Ausspruches für die Zulässigkeit der Revision durch das Berufungsgericht bedarf es in diesem Fall nicht. Das vorliegende Rechtsmittel des Klägers ist daher als außerordentliche Revision zu behandeln.

Die Zulässigkeit der außerordentlichen Revision ist vom Obersten Gerichtshof ohne Bindung an den entsprechenden Ausspruch des Berufungsgerichtes ausschließlich nach § 502 Abs 1 ZPO zu beurteilen (10 ObS 192/03p; 10 ObS 159/03k mwN ua). Danach ist die Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichtes nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechtes oder des Prozessrechtes abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Einen wesentlichen Punkt des Berufungsverfahrens bildete die Frage, ob beim Kläger bei nicht kalkülsüberschreitender Tätigkeit mit krankheitsbedingten Arbeitsausfällen zu rechnen sei. Das Erstgericht war in dieser Frage den Ausführungen der gerichtsärztlichen Sachverständigen gefolgt, wonach zukünftige leidensbedingte Krankenstände nicht prognostizierbar seien, und traf offensichtlich im Hinblick auf die zu unselbständigen Erwerbstätigkeiten entwickelte Judikatur die Feststellung, dass zukünftige leidensbedingte Krankenstände von sieben Wochen pro Jahr oder mehr bei Einhaltung des Kalküls nicht zu erwarten seien. Der Kläger bekämpfte in seiner Berufung diese Feststellung unter Hinweis auf gegenteilige Aussagen in den von ihm vorgelegten ärztlichen Befunden und Privatgutachten. Das Berufungsgericht hat sich mit diesen Ausführungen auseinandergesetzt und ist zum Ergebnis gelangt, dass gegen die Feststellungen des Erstgerichtes keine Bedenken bestehen. In den Revisionsausführungen wendet sich der Kläger gegen dieses Ergebnis. Er legt dar, dass er sich auf Grund seiner Leidenszustände laufend im Krankenstand befinde und diese Tatsache auch aus den von ihm vorlegten ärztlichen Befunden und Privatgutachten hervorgehe. Tatsächlich wird mit diesen Ausführungen jedoch in unzulässigerweise die Beweiswürdigung der Vorinstanzen bekämpft. Die Frage, ob beim Kläger bei nicht kalkülsüberschreitender Tätigkeit mit krankheitsbedingten Arbeitsausfällen zu rechnen sei, ist als Tatsachenfrage der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen. Eine Aktenwidrigkeit oder ein Verstoß gegen die Denkgesetze liegt nicht vor. Ob unter Berücksichtigung anderer Beweisergebnisse, insbesondere vorliegender Befunde oder widersprechender Privatgutachten, ein Sachverständigengutachten eine ausreichende Grundlage für die Feststellungen bildet, ist eine Frage der Beweiswürdigung, die ausschließlich in den Tatsacheninstanzen zu beurteilen ist. Dies gilt auch für die Frage, ob ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt werden soll (SSV-NF 7/12 uva). Nach den zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes ändert auch die Tatsache, dass der Kläger allenfalls laufend krank geschrieben ist, an der Einschätzung nichts, weil es nur auf die zu erwartende krankheitsbedingten Arbeitsausfälle bei einer das Kalkül nicht überschreitenden Tätigkeit ankommt. Es wirkt sich zum Nachteil des Versicherten aus, wenn im Beweisverfahren nicht erwiesen werden kann, dass für die Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit krankheitsbedingte Arbeitsausfälle in einem Ausmaß zu erwarten sind, dass der Versicherte von einer selbständigen Tätigkeit ausgeschlossen ist (10 ObS 8/99w mwN ua). Ein derartiger Nachweis ist hier jedoch nicht gelungen. Es erübrigen sich daher Feststellungen darüber, welche einkommensmäßigen Auswirkungen beim Kläger zu erwartende Arbeitsausfälle bedingen bzw inwieweit diese durch organisatorische Maßnahmen zu kompensieren sind und ob der Kläger durch die selbständige Tätigkeit unter Berücksichtigung gesundheitsbedingter Arbeitsausfälle in der Lage ist, ein die Existenz sicherndes Einkommen zu erzielen.

Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, dass der Kläger im Sinne der hier maßgebenden Bestimmung des § 133 Abs 2 GSVG als Einzelhandelskaufmann auf alle vergleichbaren (selbständigen) Einzelhandelstätigkeiten verwiesen werden kann, die mit seinem medizinischen Leistungskalkül zu vereinbaren sind, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (SSV-NF 12/124; 11/3; 11/114 mwN ua). Es wurde in der Judikatur ebenfalls bereits mehrfach ausgesprochen, dass es zahlreiche Handelsbetriebe gibt, die ein Hantieren mit schweren Lasten nicht erfordern, und die Verweisungstätigkeit bei Führung eines solchen Handelsbetriebes mit einem hauptberuflich angestellten Mitarbeiter eine wirtschaftlich vertretbare Betriebsführung im Bundesgebiet unter Berücksichtigung des Marktes ermöglicht (SSV-NF 12/3; 12/124; 11/114 ua). Von dieser ständigen Rechtsprechung ist das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung nicht abgewichen, weshalb das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Revision nach § 502 Abs 1 ZPO vom Berufungsgericht zutreffend verneint wurde.

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