OGH 6Ob108/03f

OGH6Ob108/03f29.1.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Prückner, Dr. Schenk, Dr. Schramm und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Aloisia S*****, vertreten durch Dr. Christoph Haffner, Rechtsanwalt in Amstetten, gegen die beklagte Partei Anton S*****, vertreten durch Dr. Oswin Lukesch ua Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen Wiederherstellung des früheren Zustandes einer Liegenschaft, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten als Berufungsgericht vom 11. Februar 2003, GZ 36 R 2/03t-23, womit über die Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Ybbs vom 4. Oktober 2002, GZ 2 C 514/01d-16, aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin ist Hälfteeigentümerin einer in der Katastralgemeinde Ybbs gelegenen Liegenschaft. Die andere Hälfte stand zunächst im Eigentum der Mutter des Beklagten, der den Anteil am 8. 7. 1999 im Schenkungsweg erwarb. Die Ostgrenze der Liegenschaft bildet ein 3 m breiter Asphaltweg. Im Westen grenzt an das Grundstück der Parteien eine im Alleineigentum des Beklagten stehende Liegenschaft an. Zwischen dem Asphaltweg im Osten und der Grundstücksgrenze im Westen bestand ursprünglich ein Gefälle, das der Beklagte im August 1997 im Zuge einer Verbreiterung des Asphaltweges mit Schüttmaterial auf das Niveau des Asphaltweges auffüllte.

Die Klägerin begehrt mit ihrer am 19. 6. 2001 beim Erstgericht eingelangten Klage die Wiederherstellung des früheren Zustandes durch Entfernung des aufgebrachten Schüttmaterials, Anschüttung des ursprünglich vorhanden gewesenen Humus und Wiederherstellung der Wiese und des Gefälles derart, dass die Oberflächenwasser und Niederschläge vom Asphaltweg in Richtung Westen abfließen können. Der Beklagte habe mit seinen eigenmächtigen Arbeiten in die Miteigentumsrechte der Klägerin eingegriffen. Das Oberflächenwasser und die Niederschläge könnten nicht mehr vom Asphaltweg in Richtung Westen abfließen. Dadurch entstünden Wasserlachen und im Winter Glatteis.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er wandte ein, dass er die Arbeiten über ausdrückliches Ersuchen seiner Mutter, der früheren Hälfteeigentümerin, sowie im Einverständnis mit der Klägerin durchgeführt habe. Die Arbeiten seien unbedingt geboten gewesen und hätten den Zustand der Zufahrt verbessert. Der Klageanspruch sei verjährt. Die Klägerin habe sich verschwiegen.

Das Erstgericht wies im ersten Rechtsgang das Klagebegehren wegen Verjährung ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge. Das Klagebegehren werde nicht nur auf Schadenersatz, sondern auch auf einen rechtswidrigen Eingriff in das Eigentumsrecht (§ 523 ABGB) gestützt. Die Negatorienklage könne auch gegen einen Miteigentümer gerichtet werden und sei noch nicht verjährt. Das Erstgericht werde die Klägerin überdies zur Präzisierung ihres Begehrens anzuleiten haben.

Im zweiten Rechtsgang brachte die Klägerin ergänzend vor, dass der frühere Zustand entsprechend einem Lageplan vom 13. 9. 2002 wieder hergestellt werden möge. Der Beklagte habe 86,70 m3 Schüttmaterial aufgebracht.

Der Beklagte wandte ein, dass er zum Zeitpunkt der Arbeiten nicht Miteigentümer der Liegenschaft gewesen sei. Er sei deshalb nicht passiv klagelegitimiert. Das Entstehen von Wasserlachen sei nicht auf seine Grabarbeiten, sondern auf den Umstand zurückzuführen, dass sich der asphaltierte Weg gesenkt habe.

Das Erstgericht wies im zweiten Rechtsgang das Klagebegehren neuerlich ab. Es stellte über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus nur noch fest, dass der Beklagte über Ersuchen seiner Mutter (der damaligen Hälfteeigentümerin) den westlichen Rand des Asphaltweges befestigt habe, indem er Erdreich abgegraben und festes Material aufgeschüttet habe. Auf seinem eigenen Grundstück habe der Beklagte Aufschüttungen zum Zweck der Schaffung eines Parkplatzes durchgeführt. Die Ursache für eine beim Ortsaugenschein auf dem Asphaltweg festgestellte Wasserlache mit einer Ausdehnung von 4 x 0,4 m könne nicht festgestellt werden. Die Klägerin habe gegenüber der Mutter des Beklagten nicht erklärt, dass sie die Durchführung der Arbeiten nicht dulde.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht im Wesentlichen aus, dass einem Miteigentümer grundsätzlich die Eigentumsfreiheitsklage gegen Übergriffe des anderen Miteigentümers zustehe. Hier habe zwar möglicherweise ein Eingriff in das Eigentumsrecht der Klägerin stattgefunden, dieser Eingriff vom August 1997 sei aber nicht direkt dem Beklagten zuzurechnen. Er habe im Auftrag seiner Mutter, der damaligen Hälfteeigentümerin, gehandelt und sei lediglich ausführendes Organ gewesen. In Wahrheit habe die damalige Hälfteeigentümerin in das Eigentumsrecht der Klägerin eingegriffen. Ihr gegenüber habe die Klägerin aber offenbar die Durchführung der Arbeiten nicht untersagt. Der Beklagte als Miteigentümer habe nicht unmittelbar in das Eigentumsrecht der Klägerin eingegriffen. Zum Zeitpunkt der Durchführung seiner Arbeiten sei er als Dritter anzusehen. Für den der Klägerin zugefügten Schaden hätte er innerhalb der Frist des § 1489 ABGB belangt werden müssen. Die Einverleibung seines bücherlichen Hälfteeigentums sei erst im Jahr 1999, also nach Durchführung der Arbeiten, erfolgt. Dem Beklagten mangle es an der Passivlegitimation.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Das Klagebegehren sei nunmehr ausreichend präzisiert. Die auf die Verletzung von Miteigentumsrechten gestützte Eigentumsfreiheitsklage könne gegen den Beklagten gerichtet werden und sei nicht verjährt. Der Beklagte hafte als Störer auch nach dem erfolgten Eigentümerwechsel. Der Umstand, dass er im Auftrag der damaligen Hälfteeigentümerin gehandelt habe, beseitige die Passivlegitimation nicht. Es sei zu prüfen, ob die Klägerin gegen die frühere Hälfteeigentümerin miteigentumsrechtlich vorgehen hätte können. Dies sei zu bejahen. Die Arbeiten seien nicht solche der ordentlichen Verwaltung gewesen. Es wäre Einstimmigkeit der beiden Hälfteeigentümer erforderlich gewesen. Eine Zustimmung der Klägerin zu den Arbeiten habe nicht festgestellt werden können. Es wäre gemäß § 835 ABGB der Außerstreitrichter anzurufen gewesen. Eine nachträgliche Genehmigung einer eigenmächtig vorgenommenen Maßnahme sei nach der Rechtsprechung grundsätzlich nicht zulässig. Ein überstimmter Miteigentümer könne im streitigen Verfahren die Beseitigung einer eigenmächtig vorgenommenen Veränderung der gemeinsamen Sache verlangen. Der Streitrichter habe dann als Vorfrage zu klären, ob die Veränderung nach den Kriterien des § 835 ABGB zu genehmigen gewesen wäre. Dabei sei die Frage wesentlich, ob die Veränderung für die Miteigentumsgemeinschaft offenbar vorteilhaft, bedenklich oder nachteilig sei. Zur Beurteilung dieser Frage reichten die erstinstanzlichen Feststellungen aber nicht aus. Im fortgesetzten Verfahren sei zu prüfen, ob die vom Beklagten durchgeführte Veränderung für die Miteigentumsgemeinschaft als vorteilhaft angesehen werden könne. Der Eigentumswechsel spiele nur insofern eine Rolle, als sich aus dem Verhalten des Beklagten im Prozess eindeutig ergebe, dass er auch in seiner Eigenschaft als nunmehriger Miteigentümer nicht bereit sei, den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Dies spreche für seine Passivlegitimation, weil jeder passiv legitimiert sei, der Handlungen Dritter und damit den unerlaubten Zustand aufrecht erhalte oder von dem Abhilfe erwartet werden könne.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 4.000 EUR übersteige und dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil eine Rechtsprechungslinie zu Eingriffen Dritter in das Miteigentum immer wieder betone, dass sich der einzelne Miteigentümer, der die Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB gegen einen Dritten erhebe, nicht in Widerspruch zu den anderen Miteigentümern setzen dürfe (SZ 54/43). Fraglich sei es, ob dies auch dann gelte, wenn - wie hier - der störende Dritte mittlerweile Miteigentümer der Sache geworden sei.

Mit seinem Rekurs beantragt der Beklagte die Abänderung dahin, dass das Urteil des Erstgerichtes wieder hergestellt werde, hilfsweise die Aufhebung zur neuerlichen Entscheidung durch das Berufungsgericht.

Die Klägerin beantragt, den Rekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, im Ergebnis aber nicht berechtigt.

1. Zur Passivlegitimation:

Der Rekurswerber stützt seine Ansicht über die fehlende Passivlegitimation auf den Grundsatz, dass sich ein Miteigentümer mit der von ihm erhobenen Eigentumsfreiheitsklage nicht in Widerspruch zu den anderen, nicht klagenden Miteigentümern setzen dürfe. Als nunmehriger Hälfteeigentümer sei er nicht bereit, den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Zuvor habe er keine rechtliche Verpflichtung oder auch nur Möglichkeit gehabt, den Eingriff in das Miteigentum "abzustellen". Dazu ist Folgendes auszuführen:

Die Eigentumsfreiheitsklage zur Abwehr von Störungen des Eigentümers steht auch gegen den störenden Miteigentümer zu (Hofmeister/Egglmeier in Schwimann ABGB2 Rz 13 zu § 835; Kiendl-Wendner in Schwimann ABGB2 Rz 15 zu § 523; Hofmann in Rummel ABGB3 Rz 10 zu § 523; RIS-Justiz RS0012112). Die Klägerin hätte die Mutter des Beklagten in Anspruch nehmen können. Sie hätte aber auch gegen den Beklagten als den unmittelbaren Störer vorgehen können. Beklagter im Eigentumsprozess kann auch derjenige sein, der die Möglichkeit hat, die auf ihn zurückgehende, seiner Interessenwahrung dienenden Störungshandlung zu verhindern bzw rückgängig zu machen. Den mittelbaren Störer trifft die Pflicht, auf den unmittelbaren Störer einzuwirken und Abhilfe zu schaffen (SZ 69/10; Hofmann aaO Rz 9 und 10 mwN). Der Störer haftet selbst nach einem Eigentümerwechsel, gleichgültig, ob er im fremden Interesse, in Vertretung oder auf Veranlassung eines Dritten gehandelt hat (Hofmann aaO Rz 9 mwN). Diese Grundsätze gelten auch hier:

Die Besonderheit des Falles liegt darin, dass der Beklagte einerseits unmittelbarer Störer ist und andererseits nunmehr auch Hälfteeigentümer, der die erfolgte Störung rückgängig machen kann. Er ist selbst in der Lage, einen mit rechtswidriger Störungshandlung geschaffenen Zustand zu beseitigen. Rechtliche und faktische Hindernisse gibt es aufgrund seiner Eigenschaft als Hälfteeigentümer nicht. Sein Einwand, er könne die frühere Hälfteeigentümerin nicht mehr veranlassen, den früheren Zustand wieder herzustellen, läuft auf den Einwand rechtlicher oder faktischer Unmöglichkeit der Erbringung einer geschuldeten Leistung hinaus, der hier nicht greifen kann, weil der Beklagte ja nunmehr selbst Hälfteeigentümer der Liegenschaft ist und die von ihm verlangte Wiederherstellung bewirken kann. Seine Erklärung, als Hälfteeigentümer der Wiederherstellung des früheren Zustandes nicht zuzustimmen, ist kein faktisches oder rechtliches Erfüllungshindernis, sondern eine freie Willensentscheidung. Es liegt auf der Hand, dass er damit seine Passivlegitimation nicht beseitigen kann. Zutreffend verweist das Berufungsgericht darauf, dass der Beklagte als Hälfteeigentümer am rechtswidrigen Eingriff in das Anteilsrecht der Klägerin (§ 826 ABGB) festhält und dass schon deshalb seine Passivlegitimation zu bejahen ist. Wäre der Beklagte nach wie vor nur störender Dritter, kämen die in der Entscheidung SZ 54/43 angestellten Erwägungen zum Tragen, dass die Klageführung eines Hälfteeigentümers nicht in Widerspruch zum anderen Hälfteeigentümer stehen darf (dort ging es um die Ausdehnung einer Dienstbarkeit). Da der Beklagte hier aber auch Hälfteeigentümer der Liegenschaft und in dieser Eigenschaft auch geklagt ist, die Störung nicht nur bestreitet, sondern als Rechtsnachfolger der Hälfteeigentümerin auch billigt und damit selbst in das Hälfteeigentum der Klägerin eingreift, liegt nicht ein nach § 835 ABGB zu beurteilender Fall vor, ob der Dritte (Störer) von der gesamten Miteigentümergemeinschaft geklagt werden muss. Der Klägerin steht vielmehr wegen des behaupteten rechtswidrigen Eingriffs in ihr Anteilsrecht die Klage nach § 523 ABGB gegen den Miteigentümer offen (Hofmeister/Egglmeier in Schwimann ABGB2 Rz 13 zu § 835). Die Passivlegitimation des Beklagten ist zu bejahen, weil andernfalls ein in seinem Individualrecht gestörter Miteigentümer im Falle des Verkaufes des Miteigentumsanteils des störenden Miteigentümers jeden Rechtsschutz verlöre, eine Konsequenz, die der Beklagte zwar anstrebt, die sich aber schon nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen (§ 7 ABGB) verbietet. Im Falle der hier vorliegenden Rechtsnachfolge im Hälfteeigentum einer Liegenschaft und dem dadurch auf zwei Personen eingeschränkten Rechtsverhältnis ist der in der Entscheidung SZ 54/43 vertretene Grundsatz unanwendbar, dass die Klageführung eines Miteigentümers nicht gegen den Widerspruch des anderen (also nur mit dessen Zustimmung) zulässig sei.

2. Die vom Berufungsgericht aufgetragene Verfahrensergänzung zum Thema, ob die bekämpfte Bauführung für die Miteigentümergemeinschaft vorteilhaft oder nachteilig war, wird weder vom Rekurswerber noch von der Klägerin in ihrer Rekursbeantwortung bekämpft. Der Ergänzungsauftrag folgt der jüngeren oberstgerichtlichen Rechtsprechung, dass die Frage der Vorteilhaftigkeit oder Nachteiligkeit einer eigenmächtigen Bauführung eines Miteigentümers zumindest dann, wenn alle Miteigentümer am streitigen Verfahren beteiligt sind, schon durch den Streitrichter entschieden werden könne, woran auch der Umstand nichts zu ändern vermöge, dass eigenmächtig vorgenommene Baumaßnahmen nicht zum Gegenstand eines außerstreitigen Verfahrens und einer nachträglichen Genehmigung des Außerstreitrichters gemacht werden können (4 Ob 2229/96i = SZ 69/228). Da beide Parteien von dieser Rechtsauffassung ausgehen, bedarf es dazu keiner weiteren Ausführungen.

3. Zusätzlich zu der vom Berufungsgericht aufgetragenen Verfahrensergänzung wird im fortzusetzenden Verfahren aber noch die vom Rekurswerber angesprochene Frage zu erörtern sein, ob die Klägerin "möglicherweise sogar konkludent" der im Auftrag seiner Mutter vom Beklagten durchgeführten Bauführung zugestimmt hat. Dazu werden konkrete Feststellungen über den Zeitpunkt der Kenntnis der Klägerin von der Bauführung und ihre Reaktion darauf erforderlich sein. Zwar kommt dem bloßen Stillschweigen grundsätzlich kein zustimmender Erklärungswert zu, ein solcher kann sich aber aus besonderen Gründen des Einzelfalls immer dort ergeben, wo nach dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben eine Redepflicht zu bejahen ist (RIS-Justiz RS0013991). Zur Beurteilung dieses Themas reicht der vom Erstgericht festgestellte Sachverhalt, dass die Klägerin gegenüber der Mutter des Beklagten nicht erklärt habe, die Durchführung der Arbeiten nicht zu dulden, jedenfalls nicht aus.

Der Ausspruch über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf dem § 52 Abs 1 ZPO.

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