OGH 14Os165/03

OGH14Os165/0327.1.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Jänner 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Loewe als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Atef Ayad Masoud S***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 5. August 2003, GZ 22 Hv 32/03b-34, nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Atef Ayad Masoud S***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB (2.) und des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (1.) schuldig erkannt. Danach hat er in Graz

1. (zu ergänzen am 16. Mai 2002) eine Urkunde, über die er nicht allein verfügen durfte, nämlich die Heiratsurkunde betreffend ihn und seine Gattin, mit dem Vorsatz unterdrückt, (zu ergänzen: zu verhindern,) dass diese im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werde, indem er diese an sich nahm und trotz anhängigen Scheidungsverfahrens nicht wieder herausgab;

2. am 15. April 2003 außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB Petra Z***** dadurch, dass er sie in das Schlafzimmer trug, sie auf das Bett warf, sich auf sie legte und sie mit beiden Händen würgte, mit Gewalt zur Duldung des Beischlafes und einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung, nämlich zum Analverkehr, genötigt.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 9 lit a und (nominell auch) 9 lit b StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Die in der Verfahrensrüge (Z 4) bemängelte Abweisung des Begehrens auf Beischaffung einer Whiskyflasche zur Abklärung des tatsächlichen Alkoholkonsums des Angeklagten und des Tatopfers sowie auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zur Abklärung, ob die bei Petra Z***** eingetretene Verletzung aus den von den beteiligten Personen geschilderten Tathergängen resultieren kann, zielt - wie das Erstgericht in der Zwischenentscheidung zutreffend ausführte - auf einen im Erkenntnisverfahren unzulässigen (vgl Ratz in WK-StPO § 281 Rz 330 f) Erkundungsbeweis. Durch die Abweisung dieser Anträge wurden daher Verteidigungsrechte nicht verletzt.

Die in der Mängelrüge (Z 5) mit dem Hinweis auf unerörtert gebliebene unterschiedliche Zeitangaben der Zeugin vorgebrachte Unvollständigkeit der Begründung zu der vom Tatopfer gegenüber ihrem Dienstgeber gebrauchten (als solche gar nicht bestrittenen) Ausrede für ihr Fernbleiben vom Arbeitsplatz betrifft keine entscheidungswesentliche Tatsache und bedurfte daher keiner weiteren Erörterung.

Weshalb die lediglich als "floskelhaft" gerügte Begründung des erkennenden Gerichts, wonach sich die innere Tatseite aus dem äußeren Handlungsablauf ableiten ließ, den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widersprechen soll (vgl Ratz in WK-StPO § 281 Rz 444 und 452), lässt die insoweit unsubstanziierte Beschwerde offen. Darüber hinaus stützten die Tatrichter den Vorsatz des Angeklagten, gegen den Willen der Petra Z***** einen Geschlechtsverkehr bzw eine dem Beischlaf gleichzusetzende Handlung vorzunehmen, auf die ein Einverständnis evidentermaßen ausschließende Gegenwehr des Tatopfers (US 7), sodass der Vorwurf einer fehlerhaften Begründung des schon vor Beginn der Vergewaltigung gefassten (nach den Urteilsgründen aber spätestens bei der Tatausführung vorhandenen) Tatentschlusses mangels Schulderheblichkeit ins Leere geht. Mit dem Einwand einer unvollständigen Begründung, weil das Erstgericht die Angaben des Tatopfers unerörtert ließ, der Beschwerdeführer habe erst nach Abbruch des Geschlechtsverkehrs den Entschluss gefasst, gegen den Willen der Petra Z***** einen Analverkehr durchzuführen (S 35), wird die Nichtigkeitsbeschwerde lediglich zum Nachteil des Angeklagten ausgeführt. Denn selbst unter Zugrundelegung dieser Angaben ändert sich nichts an der Tatbeständsmäßigkeit des inkriminierten Verhaltens nach § 201 Abs 2 StGB; es wäre aber zu seinem Nachteil von einer mehrfachen (real konkurrierenden) Verwirklichung des Verbrechens der Vergewaltigung auszugehen (vgl 13 Os 5/01; 13 Os 140/00). Der als übergangen reklamierte Umstand kann sich daher nicht zugunsten des Atef Ayad Masoud S***** auswirken (vgl Ratz in WK-StPO § 282 Rz 24). Entgegen dem Rechtsmittelstandpunkt geben die Urteilsannahmen, wonach der Angeklagte das Opfer mit beiden Händen würgte, "wobei er seinen Unterarm gegen ihre Kehle presste" (US 4), keinen denkunmöglichen Geschehensablauf wieder und stehen daher auch nicht mit sich selbst im Widerspruch, weil bei vernünftiger Lesart des Urteils damit nacheinander folgende Gewaltakte dargestellt werden. Darüber hinaus betreffen die kritisierten Feststellungen lediglich einen Teil der mehrfachen im Zuge der inkriminierten Handlungen gegen das Opfer gerichteten Tätlichkeiten des Beschwerdeführers, sodass die tatbestandsbegründende Gewaltanwendung insgesamt nicht in Frage gestellt wird.

Die Widersprüchlichkeiten in den Schilderungen der Zeugen Petra Z***** zu der dem Geschlechtsverkehr vorangehenden Entkleidung wurden - der Beschwerde zuwider - in den Gründen ausdrücklich gewürdigt (US 6).

Den ohne nähere Ausführungen als unbegründet, unbestimmt bzw aktenwidrig getroffen bezeichneten Konstatierungen zur Art und Weise, wie Atef Ayad Masoud S***** das Tatopfer auf das Bett geworfen hat, kommt keine schulderhebliche Bedeutung zu.

Zum Schuldspruch 1. zeigt der Nichtigkeitswerber keinen Begründungsmangel iSd § 281 Abs 1 Z 5 StPO auf; vielmehr versucht er die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung zu bekämpfen, indem er seine leugnende, vom erkennenden Gericht indes als unglaubwürdig befundene Verantwortung in den Vordergrund rückt. Auch in der die Argumente der Mängelrüge verbreiternden Tatsachenrüge (Z 5a) führt der Angeklagte lediglich eine im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässige Schuldberufung aus, indem er die vom Tatgericht ohnehin erwogenen (US 6 f) Widersprüche in den Aussagen der Zeugen Petra Z***** zu Randbereichen des Tatgeschehens hervorhebt, um damit ihre Aussage insgesamt zu bezweifeln und aus deren Angaben - wie bereits in der Mängelrüge aufgezeigt - zu nicht entscheidungswesentlichen Details für ihn günstigere Schlüsse zu ziehen. Solcherart vermag er keine sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen aufzeigen. Gleiches gilt für die in der Rechtsmittelausführung aus den Angaben der Belastungszeugin (der Angeklagte habe beim Geschlechtsverkehr eine Erektionsschwäche gehabt) gezogene Schlussfolgerung, dass ein Analverkehr nicht stattgefunden haben könne und daher die Verletzung im Analbereich auf die von ihm geschilderte (nach seiner Einlassung freiwillige) Einführung eines Fingers in den Anus zurückzuführen sei. Bekämpft er doch damit erneut bloß die Beweiswerterwägungen der Erkenntnisrichter, welche der zur Verantwortung des Atef Ayad Masoud S***** konträren Schilderung des Tatopfers über die erfolgte anale Penetration mit dem Penis Glauben schenkten (US 5 und 7). Mit den vom Beschwerdeführer selbst als bloße Spekulationen bezeichneten Überlegungen zu möglichen Motiven der Petra Z*****, den Angeklagten falsch zu bezichtigen, werden abermals keine sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken iSd § 281 Abs 1 Z 5a StPO geweckt.

In der Rechtsrüge (Z 9 lit a) und in der ihr inhaltlich insoweit entsprechenden Mängelrüge vermisst der Rechtsmittelwerber Feststellungen zu einem dem Schuldspruch 1. zu Grunde liegenden Gebrauchsverhinderungsvorsatz, übergeht dabei aber die dazu ausdrücklich getroffenen Konstatierungen (US 5 f und 7 f). Mit der weiteren Behauptung, seine Ehefrau habe die Heiratsurkunde ohnehin nicht mehr benötigt, sodass eine Gebrauchsverhinderung gar nicht möglich gewesen wäre, geht die Rechtsrüge abermals nicht vom Urteilsinhalt aus (vgl US 5 und 8).

Die (in sich widersprüchlichen) Einwände, dass bei einem gemeinsamen Verfügungsrecht der jeweilige Gewahrsamsinhaber der Urkunde (im vorliegenden Fall der Anwalt der Ehefrau des Angeklagten) diese über Verlangen des anderen "sofort herauszugeben habe oder eben nicht", in eventu dieses Herausgabebegehren begründet sein müsse oder aber der die geforderte Übergabe verweigernde Urkundenbesitzer seinerseits eine Urkundenunterdrückung verantworte, legt nicht dar, inwieweit daraus tatbestandsausschließende Konsequenzen für den Beschwerdeführer zu folgern wären. Im Übrigen ignoriert diese Rüge den Urteilsinhalt, wonach der Angeklagte das Dokument ohne vorheriges Ausfolgebegehren und gegen den Willen des damaligen Gewahrsamsinhabers an sich brachte und eine Herausgabe selbst unter der Zusage, eine Kopie davon zu erhalten, verweigerte (US 5 f). Damit wird die Rechtsrüge, welche bei dem geltend gemachten materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrund ein striktes Festhalten an den Urteilskonstatierungen voraussetzt, nicht prozessordnungsgemäß zur Darstellung gebracht.

Das Vorbringen, das Erstgericht hätte zunächst klären müssen, ob die Eigentumsverhältnisse und die Verfügungsberechtigung über die inkriminierte Heiratsurkunde nach österreichischem oder ägyptischen Recht zu beurteilen wären, lässt jegliche Darstellung vermissen, weshalb derartige Annahmen bei der in einem österreichischen Gerichtsverfahren zu Beweiszwecken bereits verwendeten Urkunde und bei einem in Österreich gelegenen Tatort entscheidungswesentlich wären. Damit wird aber die Nichtigkeitsbeschwerde nicht deutlich und bestimmt ausgeführt.

Zum bloß nominell auf "Z 9b" (gemeint: § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO) gestützten Nichtigkeitsgrund fehlen überhaupt jegliche Ausführungen, sodass die Beschwerde insoweit keiner inhaltlichen Erwiderung zugänglich ist.

Die teils offenbar unbegründete, teils nicht gesetzesgemäß ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 und 2 StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Graz zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten (§ 285i StPO).

Die Entscheidung über den Kostenersatz gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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