OGH 4Ob247/03g

OGH4Ob247/03g20.1.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden, durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griss und Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bundesarbeitskammer, ***** vertreten durch Kosesnik-Wehrle & Langer, Rechtsanwälte KEG in Wien, gegen die beklagte Partei O*****, vertreten durch Dr. Heinrich Kammerlander und andere Rechtsanwälte in Graz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 30.000 EUR), über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 17. September 2003, GZ 6 R 164/03i-14, womit der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 30. Juli 2003, GZ 10 Cg 41/03w-10, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die in Ansehung des Unterlassungsgebotes zu Punkt b als in Rechtskraft erwachsen unberührt bleiben, werden in Ansehung des Unterlassungsbegehrens zu Punkt a wie folgt abgeändert, sodass der Beschluss insoweit - unter Einschluss des bestätigten Ausspruchs - zu lauten hat:

"Einstweilige Verfügung

Der beklagten Partei wird ab sofort und bis zur Rechtskraft des über die Unterlassungsklage ergehenden Urteils geboten, es im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, Verzehrprodukte (nunmehr: Nahrungsergänzungsmittel), insbesondere Kapseln mit der Bezeichnung "Shizandra Man Forte" ohne Anmeldung nach § 18 LMG insbesondere mit von der Anmeldung abweichender Bezeichnung in Verkehr zu bringen.

Das Mehrbegehren, der beklagten Partei auch zu gebieten, es zu unterlassen, Kapseln unter der Bezeichnung "Shizandra Women Forte" ohne Anmeldung nach § 18 LMG oder mit von der Anmeldung abweichender Deklaration in Verkehr zu bringen, wird abgewiesen."

Die klagende Partei hat drei Viertel der Kosten des Verfahrens erster Instanz und die halben Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig sowie ein Viertel der Kosten des Verfahrens erster Instanz und die Hälfte der Kosten des Rechtsmittelverfahrens endgültig selbst zu tragen.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 250,82 EUR (darin 41,80 EUR Umsatzsteuer) bestimmten anteiligen Kosten des Verfahrens erster Instanz und die mit 802,53 EUR (darin 133,75 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin ist eine der im § 14 Abs 1 zweiter Satz UWG angeführten gesetzlichen Interessenvertretungen. Die beklagte Handelsgesellschaft bewarb in Zeitungsinseraten wie jenem in der Beilage "Gesundheit" der "Kronen Zeitung" vom 15. 2. 2003 unter der Überschrift "Asiatische Kräutermischung bringt neuen Schwung ins Liebesleben" Kapseln mit der Bezeichnung "Shizandra Man Forte" und "Shizandra Women forte". "Shizandra Man Forte" enthalte Wirkstoffe aus der traditionellen chinesischen Medizin, Shizandra, Ginseng, Yams-Wurzel und Avena Sativa, die gegen Potenzprobleme und Erektionsstörungen auf der körperlichen Ebene einerseits wirkten, andererseits aber auch Probleme auf seelischer Ebene, wo viele Blockaden entstünden, bekämpften. Ebenfalls aus der traditionellen chinesischen Medizin stammten die Wirkstoffe des Produkts "Shizandra Women Forte": Rotklee und Gelee Royal bekämpften Frauenbeschwerden wie Unterleibsprobleme und Stimmungsschwankungen, Guarana belebe und Shizandra stärke und tonisiere den ganzen Körper. So würden Libidoprobleme und Lustlosigkeit nachhaltig und auf natürliche Art bekämpft. Schon nach acht Wochen regelmäßiger Einnahme werde völlig ohne Nebenwirkungen die Erektionsdauer verlängert, die Libido gesteigert und die Orgasmusfähigkeit verbessert. Dies sei in zahlreichen internationalen Testungen bewiesen. Die Produkte seien exklusiv bei BIPA und in Apotheken erhältlich.

In diesem Zeitungsinserat befand sich auch ein Hinweis auf die Homepage der Beklagten, wobei sich auf dieser Internetseite gleichartige Werbeaussagen finden. Die beworbenen Produkte werden in Packungen zu 20 Kapseln verkauft. Die Packung enthält ein Zutatenverzeichnis; als Vertreiber in Österreich ist die "I*****" angegeben; nach der Verzehrempfehlung sind zwei Kapseln täglich mit Flüssigkeit einzunehmen.

Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs begehrt die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, es zu unterlassen, a) Verzehrprodukte, insbesondere Kapseln mit der Bezeichnung "Shizandra Man Forte" und/oder "Shizandra Women Forte" ohne Anmeldung nach § 18 LMG oder mit von der Anmeldung abweichender Deklaration in den Verkehr zu bringen, b) Verzehrprodukte, insbesondere Kapseln mit der Bezeichnung "Shizandra Man Forte" und/oder "Shizandra Women Forte" in den Verkehr zu bringen, denen sie Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung und/oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreibe oder von denen sie den Eindruck erwecke, ihnen kämen derartige Eigenschaften zu, insbesondere durch Aussagen wie "Wirkt gegen Potenzprobleme und Erektionsstörungen" bzw "Bekämpft Frauenbeschwerden wie Unterleibsprobleme und Stimmungsschwankungen". Die Klägerin stützt ihren Unterlassungsanspruch zu lit a) auf die Verletzung des § 18 LMG iVm § 1 UWG, jenen zu lit b) auf eine Verletzung des § 9 Abs 1 lit a LMG iVm § 1 UWG. Die von der Beklagten beworbenen und vertriebenen Kapseln seien Verzehrprodukte im Sinn des § 3 LMG. Ihre Bewerbung verstoße gegen § 9 Abs 1 lit a LMG, wonach es verboten sei, sich beim Inverkehrbringen von Verzehrprodukten auf die Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten oder Krankheitssymptomen oder auf die physiologische und pharmakologische Wirkung zu beziehen oder den Eindruck einer derartigen Wirkung zu erwecken. Nach § 2 Abs 1 lit b der EU-Richtlinie 2000/13/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie deren Bewerbung sei es unzulässig, einem Lebensmittel (worunter auch Nahrungsergänzungsmittel, also Verzehrprodukte fielen) durch dessen Etikettierung Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuzuschreiben oder den Eindruck derartiger Eigenschaften entstehen zu lassen. Der Begriff "Etikettierung" erfasse nicht nur Angaben, die auf der Verpackung selbst angebracht seien, sondern auch Werbeaussagen. Bei richtlinienkonformer Auslegung des § 9 Abs 1 LMG seien somit krankheitsbezogene Werbebehauptungen - wie die zu lit b) angeführten - jedenfalls unzulässig und könnten auch nicht nach § 9 Abs 3 LMG vom zuständigen Bundesminister genehmigt werden.

Im Übrigen habe die Beklagte auch gegen § 18 LMG verstoßen. Verzehrprodukte müssten vor ihrem Inverkehrbringen, worunter nach § 1 Abs 2 LMG auch das Ankündigen, also die Werbung, zu verstehen sei, beim zuständigen Minister angemeldet werden. Eine Anmeldung der Kapseln "Shizandra Man Forte" als Verzehrprodukt sei nicht erfolgt. Die Beklagte habe zwar die Kapseln "Shizandra Women Forte" angemeldet, die bei dieser Anmeldung vorgelegte Aufmachung habe jedoch die Aussage "Bekämpfen Frauenbeschwerden wie Unterleibsprobleme und Stimmungsschwankungen" nicht aufgewiesen. Eine Anmeldung, die nicht alle Angaben enthalte, mit denen das Verzehrprodukt tatsächlich in Verkehr gesetzt werde, sei als Nichtanmeldung zu werten. Die dargelegten Gesetzesverstöße verschafften der Beklagten einen nicht durch Leistung legitimierten Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren gesetzestreuen Mitbewerbern. Der Verstoß gegen das Anmeldegebot des § 18 LMG nehme dem zuständigen Bundesminister die Möglichkeit, die Gesetzmäßigkeit des Inverkehrbringens der Kapseln zu prüfen. Sie erspare überdies die Kosten eines Anmeldeverfahrens und bewirke einen Zeitvorsprung gegenüber gesetzestreuen Mitbewerbern, die erst nach Abschluss des Anmeldeverfahrens den Vertrieb der Produkte vornehmen.

Die Beklagte beantragte, den Sicherungsantrag abzuweisen. Das angestrebte Unterlassungsbegehren gehe über den behaupteten Verstoß hinaus. Die Beklagte habe zwar die beanstandeten Werbemaßnahmen getroffen, die Produkte aber weder hergestellt noch verkauft. Soweit ihr daher das Inverkehrbringen der Produkte schlechthin untersagt werden solle, sei das Unterlassungsbegehren zu weit gefasst. Im Übrigen habe sie nicht gegen § 18 LMG verstoßen. Sie habe nicht nur das für Frauen, sondern auch das für Männer vorgesehene Produkt als Verzehrprodukt, und zwar am 3. 5. 2002 unter der Bezeichnung "Shizandra Forte" angemeldet. Allfällige geplante Werbeaussagen wie "Bekämpft Frauenbeschwerden wie Unterleibsprobleme und Stimmungsschwankungen" seien im Anmeldeverfahren nach § 18 LMG nicht mitzuteilen. Auch ein Verstoß gegen § 9 Abs 1 lit a LMG sei nicht verwirklicht. Die beanstandeten Werbeaussagen seien weder krankheitsbezogen noch irreführend.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung zu Punkt a) und b). Es stellte noch fest, die Beklagte habe ein Erzeugnis mit der Bezeichnung "Shizandra Forte Women-Kapseln" gemäß § 18 LMG 1975 beim Bundesministerium für Gesundheit und Frauen als Verzehrprodukt angemeldet. Bei der im Zuge dieser Anmeldung vorgelegten Aufmachung scheine die Angabe "... bekämpft Frauenbeschwerden, wie Unterleibsprobleme und Stimmungsschwankungen" nicht auf. Betreffend das Erzeugnis mit der Bezeichnung "Shizandra Forte Man-Kapseln" schienen beim Bundesministerium keine Vorgänge auf. Am 3. 5. 2002 habe die Beklagte ein Produkt "Shizandra Forte" nach § 18 LMG beim Bundesministerium für Soziale Sicherheit und Generationen angemeldet. Die Anmeldung bzw der damit vorgelegte Verpackungsentwurf habe weder die Angabe enthalten, dass dieses Produkt gegen Potenzprobleme und Erektionsstörungen wirke, noch dass es Frauenbeschwerden wie Unterleibsprobleme und Stimmungsschwankungen bekämpfe.

Rechtlich bejahte das Erstgericht Verstöße der Beklagten gegen § 18 LMG wie auch gegen § 9 Abs 1 lit a LMG. Die nach § 18 LMG erforderliche Anmeldung umfasse nicht nur das Produkt selbst, sondern auch dessen Aufmachung. Das Inverkehrbringen eines Produkts mit der Beschreibung eines von der Anmeldung abweichenden Inhalts verstoße ebenso gegen die Anmeldepflicht wie eine Nichtanmeldung. Durch die krankheitsbezogenen Werbebehauptungen verstoße die Beklagte überdies gegen § 9 Abs 1 lit a LMG.

Die Beklagte ließ die einstweilige Verfügung in ihrem Punkt b) unbekämpft, sie ist insoweit in Rechtskraft erwachsen.

Das Rekursgericht bestätigte die einstweilige Verfügung in ihrem Punkt a) und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zu § 18 LMG idF BGBl I 69/2003 höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle. Die von der Beklagten vorgenommene Anmeldung der Kapseln als Verzehrprodukt genüge den Anforderungen des § 18 Abs 2 LMG nicht. Die Beklagte habe wohl eine Anmeldung der Kapseln vorgenommen, dabei allerdings die in der Werbung verwendeten Hinweise "Wirkt gegen Potenzprobleme und Erektionsstörungen" bzw "Bekämpft Frauenbeschwerden wie Unterleibsprobleme und Stimmungsschwankungen" unterlassen. Schon aus der Legaldefinition des § 1 Abs 2 LMG ergebe sich, dass das Inverkehrbringen eines Lebensmittels bzw eines Verzehrproduktes auch das Ankündigen und Werben umfasse, womit klargestellt sei, dass eine Anmeldung im Sinn des § 18 LMG auch die Offenlegung der Werbeaussagen, mit denen ein Verzehrprodukt angeboten werde, erfordere. Diese Interpretation sei auch aufgrund der Richtlinie 2000/13/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hiefür geboten. Diese Richtlinie stelle klar, dass sie auch Werbeaussagen für Lebens- und damit auch Nahrungsergänzungsmittel (als Verzehrprodukte) umfasse. Eine korrekte Anmeldung im Sinn des § 18 LMG habe daher auch die Werbeaussagen, mit denen das anzumeldende Verzehrprodukt angepriesen werde, zu enthalten. Es müssten daher anlässlich der Anmeldung nicht nur Verpackungen und Beipackzettel, sondern auch die Werbeaussagen, mit denen das Produkt angeboten werde, offengelegt werden. Im Übrigen enthebe auch § 18 LMG idF BGBl I 69/2003, Unternehmen, die Verzehrprodukte in Verkehr bringen wollen, nicht der Verpflichtung, ihre Werbeaussagen offenzulegen. Aus § 18 Abs 2 LMG in dieser Fassung ergebe sich bei der gebotenen gemeinschaftsrechtskonformen Interpretation, dass der Begriff "Etikett" im Sinn der Etikettierungsrichtlinie neben allen auf das Verzehrprodukt bezogenen Angaben auch die Werbung für das Produkt umfasse.

Der Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig und teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Dass die hier beanstandeten (krankheitsbezogenen) Angaben gegen § 9 LMG alte und neue Fassung verstoßen, hat die Beklagte bereits erkannt und das darauf gerichtete Unterlassungsgebot unbekämpft gelassen.

Die Klägerin stützt ihr Unterlassungsbegehren zu Punkt a) des Sicherungsantrags auf eine Verletzung der Anmeldevorschriften für Verzehrprodukte (§ 18 LMG 1975 idF vor der Novelle BGBl I 69/2003, im Folgenden LMG aF). Danach ist es verboten, Verzehrprodukte vor ihrer Anmeldung beim Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz in Verkehr zu bringen (§ 18 Abs 1 LMG aF). § 1 Abs 2 LMG 1975 aF versteht unter dem Begriff des "Inverkehrbringens" auch das Ankündigen und Bewerben. Es ist daher auch unzulässig, ein Verzehrprodukt vor seiner Anmeldung bei der zuständigen Verwaltungsbehörde zu bewerben. Zum Inhalt der Anmeldung bestimmt § 18 Abs 3 LMG aF, dass zugleich Warenmuster und jene Unterlagen vorzulegen sind, die eine Beurteilung ermöglichen, ob die als Verzehrprodukt angemeldete Ware den Vorschriften des LMG oder seiner Verordnungen entspricht.

§ 18 LMG 1975 wurde in Umsetzung der Richtline 2002/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Juni 2002 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über Nahrungsergänzungsmittel (Nahrungsergänzungsmittel- Richtlinie) durch BGBl I 69/2003 neu gefasst. Zugleich wurde der in § 3 LMG 1975 verwendete Begriff "Verzehrprodukt" durch den Begriff "Nahrungsergänzungsmittel" ersetzt und der Begriff "Lebensmittel" dem neuen EU-Lebensmittelrecht entsprechend definiert (§ 2 LMG). Er umfasst auch Nahrungsergänzungsmittel (§§ 2 und 3 LMG idF BGBl I 69/2003; 101 BlgNR 22. GP). Trotz geänderter Begriffsdefinition in § 3 LMG ist ein inhaltlicher Unterschied zwischen Verzehrprodukten im Sinn des § 3 LMG aF und Nahrungsergänzungsmitteln im Sinn des § 3 LMG nF nicht zu erkennen. Die von der Beklagten angebotenen Produkte fallen sowohl unter den Begriff des Verzehrprodukts als auch jenen des Nahrungsergänzungsmittels.

§ 18 Abs 1 LMG idF BGBl I 69/2003 (im Folgenden nF) verbietet, Nahrungsergänzungsmittel vor ihrer Meldung beim Bundesministerium für Soziale Sicherheit und Generationen in Verkehr zu bringen. Nach § 2 dieser Bestimmung ist mit der Meldung ein Muster des für das Nahrungsergänzungsmittel verwendeten Etiketts vorzulegen (vgl Art 10 der Nahrungsergänzungsmittel-Richtlinie, umgesetzt durch § 18 LMG).

Dass die hier beanstandeten, Jahre nach der Produktanmeldung getätigten Werbeaussagen über medizinische Eigenschaften einer Meldepflicht nach § 18 LMG nF unterliegen, ist entgegen der Auffassung des Rekursgerichts nicht zu erkennen. Mit der Meldung eines Nahrungsergänzungsmittels ist nunmehr lediglich ein Muster des dafür verwendeten Etiketts vorzulegen. Die Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie versteht unter dem Begriff "Etikettierung" alle Angaben, Kennzeichnungen, Hersteller- oder Handelsmarken, Abbildungen oder Zeichen, die sich auf ein Lebensmittel beziehen und auf jeglicher Art von Verpackung, Schriftstück, Tafel, Etikett, Ring oder Verschluss angebracht sind und dieses Lebensmittel begleiten oder sich auf dieses Lebensmittel beziehen. (Art 1 Abs 3 lit a der Richtlinie). Nach Erwägungsgrund 14 der Richtlinie 2000/13/EG der Europäischen Union und des Rates vom 20. März 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hiefür (Etikettierungsrichtlinie), wonach die (von den Mitgliedsstaaten umzusetzenden) Regeln für die Etikettierung das Verbot enthalten müssen, den Lebensmitteln medizinische Eigenschaften zuzuschreiben, ergibt sich im Übrigen, dass die Etikettierungsrichtlinie eine Aufnahme medizinischer Eigenschaften in das Etikett eines Lebensmittels (daher auch eines Nahrungsergänzungsmittels) aus Gründen des Verbraucherschutzes verbietet. Diesem Verbot wird - in Umsetzung der Richtlinie - durch § 9 LMG nF Rechnung getragen. Die von der Klägerin beanstandeten Werbeaussagen dürften daher in das Etikett eines Nahrungsergänzungsmittels gar nicht aufgenommen werden. Sie können daher auch nicht Inhalt der Meldung nach § 18 LMG nF sein.

Die Beklagte hat das für Frauen entwickelte Produkt als Verzehrprodukt im Sinn des § 18 LMG aF angemeldet. Ob ihre Anmeldung angesichts der späteren Werbeaussagen nach § 18 LMG aF ausreichend war oder hätte ergänzt werden müssen, kann hier offen bleiben. Der in Bezug auf dieses Produkt formulierte Unterlassungsanspruch setzt nämlich neben einer Unterlassungspflicht auch die Gefahr künftigen Zuwiderhandelns voraus (SZ 67/161). Kann es zB aus rechtlichen Gründen, etwa wegen Wegfalls der Verbotsnorm, zu keinem Verstoß mehr kommen, besteht kein Unterlassungsanspruch. Auf Änderungen der Rechtslage in Bezug auf Verbotsnormen ist in jeder Lage des Verfahrens Rücksicht zu nehmen.

Der vom Rekursgericht bestätigte Exekutionstitel (gerichtet auf das Verbot des Inverkehrbringens von Verzehrprodukten) stammt vom 30. 7. 2003, somit aus einer Zeit vor Änderung der Rechtslage durch Verlautbarung des BGBl I 69/2003 vom 14. 8. 2003. Diese Novellierung vereinfachte die bisher für Verzehrprodukte geltenden Meldevorschriften im bereits dargelegten Umfang. Die von der Beklagten vor Inverkehrbringen ihres Produkts "Shizandra Woman Forte" vorgenommene Anmeldung entspricht daher jedenfalls den Anforderungen des § 18 LMG nF, sodass ein Verstoß gegen das der Beklagten auferlegte Unterlassungsgebot in Bezug auf das für Frauen vorgesehene Produkt nicht mehr möglich ist. Insoweit besteht daher auch kein Unterlassungsanspruch.

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hat die Beklagte jedoch das für Männer vorgesehene Verzehrprodukt am 5. 3. 2003 zwar beim zuständigen Ministerium angemeldet, dabei jedoch eine andere Bezeichnung gewählt, als jene, unter der sie das Produkt später in Verkehr brachte. Sie hat dieses Produkt unter der Bezeichnung "Shizandra Forte" angemeldet, jedoch unter der Bezeichnung "Shizandra Man Forte" beworben. Mögen auch die Inhaltsstoffe des beworbenen und des angemeldeten Produkts übereinstimmen, so reichte ihre Anmeldung angesichts der unterschiedlichen Produktbezeichnungen nicht aus, um den Anforderungen des § 18 LMG aF und nF gerecht zu werden. Die Bezeichnung eines Produkts ist wesentliches Merkmal und Kriterium für seine Unterscheidung. Sie ist unverzichtbarer Inhalt der Anmeldung selbst sowie auch des dabei vorzulegenden Etiketts. Stimmt die Bezeichnung des angemeldeten Verzehrprodukts (nunmehr Nahrungsergänzungsmittels) nicht mit jener überein, unter der das Produkt in Verkehr gebracht wird, kann von einer ordnungsgemäßen Meldung des in Verkehr gebrachten Produkts im Sinn des § 18 LMG aF wie nF nicht gesprochen werden. Die von der Beklagten gewählte Vorgangsweise ist einer Nichtmeldung des in Verkehr gebrachten Produkts gleichzuhalten. Insoweit hat sie einen Verstoß gegen § 18 LMG aF wie auch nF verwirklicht. Sie hat ein nicht zuvor angemeldetes Verzehrprodukt (nunmehr Nahrungsergänzungsmittel) in Verkehr gebracht. Auch künftige derartige Verstöße sind möglich. Das Unterlassungsgebot ist in diesem Umfang berechtigt, sodass insoweit die Sicherungsverfügung zu bestätigen ist. Die dabei gewählte Formulierung des Gebots, das Inverkehrbringen insbesondere mit von der Anmeldung abweichender Bezeichnung zu unterlassen, dient der Klarstellung. Der Verstoß der Beklagten bestand darin, dass sie das Produkt für Männer nicht unter der angemeldeten Produktbezeichnung, sondern unter einer davon abweichenden Bezeichnung bewarb, wodurch die Anmeldung nicht ordnungsgemäß erfolgte.

Gemäß § 1 Abs 2 LMG umfasst der Begriff des Inverkehrbringens eines Lebensmittels auch das Ankündigen und somit die Werbung. Das von der Klägerin formulierte und ausgesprochene Verbot des Inverkehrbringens geht daher nicht über den tatsächlichen Verstoß hinaus; es ist nicht zu weit gefasst.

Dem Revisionsrekurs der Beklagten wird teilweise Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden in Bezug auf das angefochtene Unterlassungsgebot zu Punkt a) teilweise betätigt und teilweise im Sinn einer (Teil-)Abweisung abgeändert.

Die Kostenentscheidung beruht in Ansehung der Klägerin auf § 393 Abs 1 EO, in Ansehung der Beklagten auf §§ 41 und 50 ZPO. Die Klägerin ist im Verfahren erster Instanz mit einem der beiden Unterlassungsbegehren zur Gänze durchgedrungen, mit dem anderen jedoch zur Hälfte unterlegen. Im Rechtsmittelverfahren, das nur mehr das Unterlassungsbegehren zu Punkt a) betraf, hat die Klägerin mit der Hälfte obsiegt. Mangels getrennter Bewertung der beiden Begehren wurden der Berechnung des Kostenersatzanspruches der Beklagten im Rechtsmittelverfahren die Hälfte des auf die Unterlassungsbegehren insgesamt entfallenden Streitwerts zugrunde gelegt (d.s. 15.000 EUR).

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