OGH 4Ob243/03v

OGH4Ob243/03v20.1.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Griß und Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** C***** E***** E***** GmbH (vormals: H***** A***** GmbH), ***** vertreten durch Ploil Krepp & Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei R***** GmbH, ***** vertreten durch Gassauer-Fleissner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 36.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Klägerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 31. Oktober 2003, GZ 1 R 156/03x-12, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 28. August 2003, GZ 7 Cg 156/03g-4, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die einstweilige Verfügung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig selbst zu tragen; die Beklagte hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Klägerin und Beklagte vertreiben (ua) Geschirrreinigungsmittel.

Die Beklagte wirbt für ihr Spülmittel „Calgonit 3 in 1 Brilliant" (ua) im Fernsehen. Im Werbefilm wird zunächst eine junge Frau gezeigt, die ein Kelchglas in der Hand hält und folgenden Text spricht:

„Weißt eh, ich hab' einen neuen Nachbarn. Ein ursüßer Typ. Der hat einen Glanz in seinen Augen. Da hab' ich ihn heut' am Abend gleich auf ein Glaserl Wein eingeladen, aber bei den Wasserflecken wird das bestimmt ein kurzer Abend."

Das gleichzeitig gezeigte Kelchglas weist deutlich sichtbar Wasserflecken auf. Anschließend wird ein Kelchglas gezeigt, auf welches das Produkt der Beklagten einwirkt, danach sind zunächst ein und dann mehrere strahlend saubere Kelchgläser zu sehen. Gleichzeitig mit dem ersten fleckenfreien Glas wird der Hinweis „100 % mehr Glanz" und für die Dauer von 1,5 Sekunden in winziger, selbst für den die Einblendung erwartenden und sich darauf konzentrierenden Fernsehzuschauer nicht lesbarer Schrift der Text „Reduktion von Wasserflecken auf Gläsern bei 21 Grad Wasserhärte im Labortest im Vergleich zum Vorgängerprodukt" eingeblendet. Dann wird folgender Text gesprochen:

„Nicht mit dem neuen Calgonit 3 in 1 Brilliant, denn Powerball und die neuen Wasserfleckenblocker machen Schluss mit Wasserflecken. Erleben Sie jetzt 100 % mehr Glanz. Jeden Tag, jedes Mal."

Schließlich erscheint wieder die junge Frau, sie hält ein reines Kelchglas hoch und sagt:

„Wahnsinn. Wie das glänzt. Hoffentlich schaut er mich dann überhaupt noch an."

Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs, der Beklagten mit einstweilige Verfügung zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für das von ihr vertriebene Mittel „Calgonit 3 in 1 Brilliant" mit der Aussage „100 % mehr Glanz" zu werben, insbesondere wenn die Beklagte nicht mit der gleichen Auffälligkeit, mit der diese Werbeaussage verbreitet wird, darauf hinweist, dass sich die beworbene Steigerung des Glanzes auf das Vorgängerprodukt „Calgonit 3 in 1 Total" bezieht, und wenn sie nicht mit der gleichen Auffälligkeit darauf hinweist, dass diese Verbesserung nur unter Laborbedingungen und bei Verwendung von Wasser mit einem Härtegrad von 21 Grad deutscher Härte erreicht wird. Die Werbeaussage „100 % mehr Glanz" sei aus mehreren Gründen zur Irreführung geeignet. Sie sei in der allgemeinen Form, in der sie verbreitet werde, unwahr. Die angesprochenen Verkehrskreise verstünden sie jedenfalls auch als Vergleich mit Geschirrspülmitteln anderer Erzeuger. Auch insoweit treffe sie nicht zu, weil das Produkt der Beklagten keine der glanzbeeinträchtigenden Einwirkungen in einem Ausmaß beseitige, das die Eigenschaften der Konkurrenzprodukte um 100 % übertreffe.

Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen. Qualitäts- und Eigenschaftsangaben seien insbesondere in der Waschmittelwerbung nicht im Sinne vollkommener Exaktheit zu verstehen. Eine Aussage über „Glanz" werde als Werturteil aufgefasst. Auf den Tatsachenkern reduziert werde der Aussage die Zusicherung der Verringerung von Wasserflecken auf dem Spülgut entnommen. Erwartet werde daher eine erhebliche Verbesserung der Glanzleistung im Zusammenhang mit Wasserflecken; insoweit sei die Werbeaussage auch weder unwahr noch sonst täuschend. Den Konsumenten sei nicht bekannt, dass Testverfahren für die Prüfung des Glanzes existieren. Die Beklagte habe eine Verbesserung von „100 %" ausgelobt, da die Angabe „100 %" auf Grund ihres marktschreierischen Charakters genau auf jenen Tatsachenkern zurückgeführt werde, der der Wahrheit entspreche. Es finde sich überhaupt kein Anhaltspunkt dafür, dass sich die Aussage auf Konkurrenzprodukte beziehen solle. Der Disclaimer spiele keine Rolle; wer ihn lesen könne, werde nicht getäuscht; wer ihn nicht lesen könne (oder wolle), werde ebenso wenig getäuscht, weil die Aussage nicht gegen § 2 UWG verstoße. Das Begehren gehe zu weit, so weit die Klägerin „gleiche Auffälligkeit" für die Aufklärung verlange.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung. Die beanstandete Werbeaussage lasse offen, mit welchem Produkt das Erzeugnis der Beklagten verglichen werde. Bereits deshalb sei die Werbung zur Irreführung geeignet, weil bei den beteiligten Verkehrskreisen auch der Eindruck entstehen könne, das Produkt der Beklagten sei um 100 % besser als ein Konkurrenzprodukt. Auch der verständige und aufmerksame Verbraucher könne nicht erkennen, dass sich die Angabe „100 % mehr Glanz" auf ein Vorgängerprodukt beziehe, und auch dies nur unter Laborbedingungen und bei Verwendung von Wasser mit einem Härtegrad von 21 Grad.

Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Durch den Hinweis auf das „neue Calgonit" sei klargestellt, dass sich der Vergleich auf das Vorgängerprodukt beziehe. Die Werbeaussage „100 % mehr Glanz" sei nicht wörtlich zu nehmen; sie werde als Aussage verstanden, dass die Glanzleistung erheblich verbessert sei. Die Unklarheitenregel sei nicht anzuwenden, weil die Aussage von jedermann sogleich als nicht ernst gemeinte reklamehafte Übertreibung erkannt werde.

Der gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig, weil die angefochtene Entscheidung der Rechtsprechung zur Beurteilung mehrdeutiger Werbeaussagen widerspricht; der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

Die Klägerin macht unter Hinweis auf die Entscheidungen ÖBl 2001, 114 und ÖBl 2001, 262 geltend, dass das Rekursgericht die Grundsätze zur Auslegung von Werbeaussagen unrichtig angewandt habe.

Rechtliche Beurteilung

Die Entscheidungen 4 Ob 260/00i (= ÖBl 2001, 114 - Risikoloses Probetragen) und 4 Ob 290/00a (= ÖBl 2001, 262 - NET(a)LINE) folgen der ständigen Rechtsprechung (ua 4 Ob 139/93 = ÖBl 1994, 73 - Verkauf zum Fabrikspreis; 4 Ob 84/94 = ÖBl 1995, 67 - Führerschein auf Anhieb; 4 Ob 2064/96 = ÖBl 1997, 20 - Steirischer Medienjumbo), wonach sich die Bedeutung von Werbeankündigungen danach richtet, wie sie die angesprochenen Verkehrskreise verstehen und nicht danach, was der Werbende meint. Entscheidend ist der Gesamteindruck bei flüchtiger Betrachtung und durchschnittlicher Aufmerksamkeit, wobei auf den Grad der Aufmerksamkeit des durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers (4 Ob 260/00i = ÖBl 2001, 114 - Risikoloses Probetragen) abzustellen ist. Bei einer mehrdeutigen Angabe muss der Werbende die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen, wenn ein nicht unbeträchtlicher Teil des angesprochenen Publikums die Äußerung tatsächlich in diesem ungünstigen Sinn verstehen kann.

Wendet man diese Grundsätze im vorliegenden Fall an, so ist der Klägerin zuzustimmen, dass die beanstandete Werbeaussage zur Irreführung geeignet ist:

Nach dem Gesamteindruck, den der Werbefilm erweckt, wird die Behauptung, das neue Geschirrspülmittel der Beklagten steigere den Glanz der damit gespülten Gläser "um 100 %", keineswegs von jedermann sogleich als nicht ernst gemeinte reklamehafte Übertreibung aufgefasst. Nur unter dieser Voraussetzung läge aber eine marktschreierische Anpreisung vor, bei der es genügt, dass der sachlich nachprüfbare Tatsachenkern der Wahrheit entspricht (4 Ob 64/93 = ÖBl 1993, 161 - Verhundertfachen Sie Ihr Geld; 4 Ob 112/93 = ÖBl 1993, 239 - Rad-Welt ua).

Für die Waschmittelwerbung gilt auch nach der von der Beklagten zitierten Entscheidung 4 Ob 384/83 (= ÖBl 1984, 70 - MOLKO-mat) nichts anderes. Nach dieser Entscheidung werden zwar in der Waschmittelindustrie Veränderungen (Verbesserungen) so häufig mit dem Schlagwort "Das neue..." angekündigt, dass das Publikum dieser Angabe nicht die Bedeutung einer tiefgreifenden Veränderung des Erzeugnisses beimisst. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass auch andere Angaben nicht wörtlich oder gar nicht ernst genommen werden.

Im vorliegenden Fall wird der Werbeaussage die Behauptung entnommen, dass es mit dem Geschirrspülmittel der Beklagten möglich sei, den Glanz der damit gespülten Gläser in jedem Fall "um %", dh ganz erheblich gegenüber jedem anderen Produkt, zu steigern. Das trifft aber selbst nach dem von der Beklagten beigefügten aufklärenden Hinweis nicht zu. Danach wird die Steigerung um "100 %" im Labortest bei einer bestimmten Wasserhärte und gegenüber dem Vorgängerprodukt erreicht.

Der aufklärende Hinweis ist, wie das Erstgericht festgestellt hat, nicht lesbar; er kann daher auch nicht verhindern, dass die angesprochenen Verkehrskreise über die Wirksamkeit des neuen Geschirrspülmittels der Beklagten getäuscht werden. Ein aufklärender Hinweis kann eine Täuschung durch eine - wie hier - umfassend formulierte und daher mehrdeutige Werbeaussage nur verhindern, wenn er von den angesprochenen Verkehrskreisen auch wahrgenommen wird. Das setzt im Regelfall gleiche Auffälligkeit voraus. Gleiche Auffälligkeit ist nicht erst dann gegeben, wenn die Schriftgröße übereinstimmt. Maßgebend ist vielmehr, ob ein durchschnittlich informierter, verständiger Verbraucher den aufklärenden Hinweis wahrnimmt, wenn er mit der Werbeaussage konfrontiert wird.

Dem Revisionsrekurs war Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte