OGH 12Os125/03

OGH12Os125/0315.1.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Jänner 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber, Dr. Philipp, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kainz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Faruk D***** und Ümit D***** wegen des Vergehens nach § 1 NotzeichenG, AZ 18 U 32/03p des Bezirksgerichtes Feldkirch, über die vom Generalprokurator gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgericht vom 9. Juli 2003, AZ Bl 89/03 (= ON 18), erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Seidl, sowie des Verteidigers Mag. Gruber zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgericht vom 9. Juli 2003, AZ Bl 89/03 (ON 18), verletzt das Gesetz in § 1 NotzeichenG.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Bezirksgericht Feldkirch vom 25. Februar 2003, GZ 18 U 32/03p-12, wurden Faruk D***** und Ümit D***** des Vergehens nach § 1 NotzeichenG schuldig erkannt, weil sie am 20. Oktober 2002 vorsätzlich ein in den Verkehrsvorschriften festgesetztes Notzeichen dadurch missbraucht haben, dass sie mit eingeschaltetem Blaulicht mit dem Pkw des Faruk D***** durch Götzis fuhren, wobei der Pkw von diesem gelenkt und das Blaulicht von Ümit D***** auf das Pkw-Dach gehalten wurde.

Der dagegen von beiden Angeklagten erhobenen Berufung wegen Nichtigkeit gab das Landesgericht Feldkirch als Berufungsgericht mit Urteil vom 9. Juli 2003 zu AZ Bl 89/03 (ON 18) Folge, hob das angefochtene Urteil auf und sprach Faruk D***** sowie Ümit D***** von dem wider sie erhobenen Anklagevorwurf gemäß § 259 Z 3 StPO frei. Das Rechtsmittelgericht vertrat dabei - gestützt auf Weber, Einsatzfahrzeug und Straßenverkehrsrecht, ZVR 1988, 68 (74) - die Rechtsansicht, dass es sich bei Blaulicht nicht um ein in den Verkehrsvorschriften festgesetztes Notzeichen handle; Einsatzwarnzeichen (wozu vor allem das Blaulicht und Warnvorrichtungen zur Abgabe von Folgetönen gehörten) seien nach der Straßenverkehrsordnung besondere Warnzeichen, die nicht dazu dienten, die Notlage eines Menschen zu signalisieren, um Hilfe zu erlangen, sondern dazu, ein Fahrzeug als Einsatzfahrzeug zu kennzeichnen und den übrigen Straßenbenützern die entsprechenden Reaktionen zu ermöglichen. Die rechtswidrige Abgabe von Einsatzwarnzeichen sei daher gerichtlich nicht strafbar.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil des Berufungsgerichtes steht - wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt - mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Der Tatbestand des § 1 NotzeichenG enthält zwei Deliktsfälle, nämlich den Missbrauch eines in den Verkehrsvorschriften festgesetzten Notzeichens und die Inanspruchnahme der Dienste der Feuerwehr oder einer anderen der Rettung bei Unfällen dienenden Einrichtung durch eine falsche Notmeldung.

Der historische Gesetzgeber des Jahres 1929 nahm Artikel 5 des am 25. November 1929 in Washington unterzeichneten, von Österreich nachträglich ratifizierten Internationalen Radiotelegraphenvertrages zum Anlass, nicht bloß die missbräuchliche Aussendung und Verbreitung von falschen "Notsignalen" oder "Notanrufen" im Sinn des in Rede stehenden Vertrages - nach Art 19 des Vertrages ist unter einem Notsignal "die womöglich auf der Welle 500 kc/s (600 m) auszusendende Zeichengruppe - - - -- -- -- - - - (dreimal kurz, dreimal lang und dreimal kurz), die anzeigt, dass die dieses Zeichen aussendende bewegliche Station von einer ernsten und unmittelbaren Gefahr bedroht wird und sofortige Hilfe verlangt", unter einem Notanruf die dreimalige Wiederholung des Notsignals zu verstehen - unter Strafsanktion zu stellen, sondern - über die damit übernommene Verpflichtung hinausgehend - ua den Missbrauch von "Zeichen aller Art", die nach den Verkehrsvorschriften als Notzeichen gelten (erster Deliktsfall) zu pönalisieren (vgl Regierungsvorlage und Bericht des Justizausschusses 306 und 308 BlgNR III. GP).

Als Notzeichen nach den Verkehrsvorschriften (Straßenverkehrsordnung, Kraftfahrgesetz, Schifffahrtspolizei-, Luftverkehrs-, Straßenbahn- und Eisenbahnvorschriften) gelten auch das Blaulicht und Warnvorrichtungen zur Abgabe von Folgetönen, weil sie als dort angeführte besondere Warnzeichen ("Zeichen aller Art") dazu bestimmt sind, auf unmittelbar drohende Gefahren hinzuweisen (vgl Leukauf/Steininger, Nebengesetze2 § 1 NotzeichenG Anm A unter Bezugnahme auf Glassl, Der Missbrauch von Notzeichen und Notmeldungen, ZVR 1963, 309). Die missbräuchliche Verwendung von Blaulicht wird daher - auch entgegen der in Pürstl/Somereder StVO11 § 26 Anm 3 ohne Begründung vertretenen Auffassung - von § 1 NotzeichenG erfasst (SSt 55/70 = RZ 1985/31 = ZVR 1985/149).

Da die dem Berufungsgericht unterlaufene Gesetzesverletzung den Angeklagten ausschließlich zum Vorteil gereichte, musste es mit ihrer Feststellung sein Bewenden haben (§ 292 letzter Satz StPO).

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