OGH 7Ob288/03h

OGH7Ob288/03h14.1.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Adoptionssache der Antragsteller 1.) DI Dr. Arthur D*****, und 2.) Brigitte H*****, beide vertreten durch Lattenmayer Luks & Enzinger, Rechtsanwälte OEG in Wien, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 8. Oktober 2003, GZ 42 R 686/03y-36, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 22. August 2003, GZ 4 P 185/00m-30, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die neuerlich (zwei entsprechende frühere Anträge wurden jeweils wieder zurückgezogen) die gerichtliche Bewilligung des von ihnen geschlossenen Adoptionsvertrages begehrenden Antragsteller (im Folgenden auch Wahlvater und Wahltochter genannt) sind beide österreichische Staatsangehörige. Aus der am 3. 12. 1999 geschiedenen Ehe des am 16. 9. 1922 geborenen Wahlvaters mit Inge D***** entstammen vier Kinder, die alle volljährig und bereits selbsterhaltungsfähig sind. Die am 5. 5. 1943 geborene Wahltochter ist verheiratet und hat zwei volljährige Söhne.

Wahlvater und -tochter lernten einander im Dezember 1995 kennen und verstanden sich sofort ausnehmend gut. Die Bekanntschaft wurde in der Folge vertieft: Die Wahltochter unterstützte den Wahlvater bei der Abfassung seiner Dissertation und stand ihm auch bei der Bewältigung gesundheitlicher Probleme - er leidet am Restless-Leg-Syndrom und hatte Alkoholprobleme - hilfreich zur Seite. Der Wahlvater leidet auch an grauem Star, hat urologische Probleme und Schmerzen in Füßen und Beinen. Er ist aber im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte und leidet unter keinen psychischen Störungen.

1997 erklärte der Wahlvater seiner (damals noch) Ehefrau Inge, er habe "jemanden Neuen" kennengelernt und sie habe sich mit der Situation abzufinden, weil auch er "Anspruch auf Liebe" habe. In der langen Ehe des Wahlvaters war es für die Ehegattin üblich gewesen, auch noch andere Partner zu haben. In der Folge zog der Wahlvater auf Geschäftsreisen die Begleitung der Wahltochter jener der Ehefrau vor. Er veränderte auch sein Äußeres durch eine modischere Frisur und indem er sich modischer kleidete. Im Mai 1997 teilte er seiner Tochter Melitta mit, dass er eine neue Freundin habe; er wollte, dass sich die beiden kennenlernen sollten und es zu keiner Veränderung in seiner Beziehung zur Tochter komme. Ab 1998 stand die Wahltochter dem Wahlvater bei dessen vielfältigen gesellschaftlichen und beruflichen Verpflichtungen zur Seite. Sie begleitete ihn weltweit auf Geschäftsreisen und wurde von ihm zunächst als seine Partnerin und später - nachdem die gegenständliche Adoption über einen bereits erwähnten früheren Antrag in erster Instanz zunächst bewilligt worden war - als seine Tochter vorgestellt. Die Antragsteller nächtigten während der Reisen gemeinsam in Doppelzimmern. Während ihres Aufenthaltes in Wien bewohnten sie die Wohnung des Wahlvaters und erweckten durch ihr Auftreten den Eindruck eines Liebespaares. Von November 2000 bis April 2002 wohnten die Antragsteller gemeinsam in einem Doppelzimmer in einem Hotel in Vorarlberg. Der Hotelbesitzer, dem der Wahlvater die Wahltochter als "seine neue Lady" vorstellte, nahm den Austausch von Zärtlichkeiten und Koseworten zwischen Wahlvater und Wahltochter wahr.

Zusammenfassend haben die Antragsteller eine sehr enge Beziehung, die aber keine Vater-Tochterbeziehung darstellt, sondern - auch wenn es zu keinem (vaginalen) Geschlechtsverkehr kam - einer intimen Liebesbeziehung gleichkommt.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Bewilligung der Adoption ab. Es führte dazu im Wesentlichen aus, zwar sprächen finanzielle Gründe für die gegenständliche Adoption; insbesondere erhielten die Söhne der Wahltochter durch eine Adoption eine bessere Rechtsstellung, als wenn ihre Mutter den Wahlvater heiraten würde. Die offensichtliche finanzielle Besserstellung (zB bessere Steuerklasse im Falle einer Erbschaft) wäre wohl ein gerechtfertigtes Anliegen seitens der Wahltochter für die Bewilligung der Adoption. Eine geschlechtliche Beziehung zwischen Wahlelternteil und Wahlkind sei jedoch mit einem Eltern-Kind-Verhältnis nicht in Einklang zu bringen. Ein gerechtfertigtes Anliegen eines der Vertragsteile sei in diesem Zusammenhang jedenfalls zu verneinen. Da eine Liebesbeziehung zwischen Wahltochter und Wahlvater bestehe, auch wenn es aus gesundheitlichen Gründen des Adoptivvaters nie zu einem Koitus gekommen sei, sei die Adoption nicht zu bewilligen gewesen.

Das von den Antragstellern angerufene Rekursgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die erstgerichtlichen Feststellungen, wonach zwischen den Antragstellern eine Beziehung wie zwischen Mann und Frau, nicht aber eine Eltern-Kind-Beziehung bestehe, billigend, teilte das Rekursgericht die Rechtsansicht des Erstgerichtes: Für die Legalisierung einer Liebesbeziehung sei die Eheschließung vorgesehen, für die Adoption fehle ein wesentliches Element, nämlich die Eltern-Kind-Beziehung. Fehle es daran, sei der Adoption die Genehmigung zu versagen. Zu seinem Ausspruch der Unzulässigkeit des Revisionsrekurses führte das Rekursgericht lediglich aus, eine Rechtsfrage der in § 14 Abs 1 AußStrG genannten Qualität liege nicht vor.

Gegen den Beschluss des Rekursgerichtes richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsteller, die Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend machen und beantragen, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass die Adoption bewilligt werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichtes nach § 13 Abs 1 Z 2 AußStrG, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 16 Abs 3 AußStrG) zulässig, weil zur über den vorliegenden Einzelfall iSd § 14 Abs 1 AußStrG hinaus bedeutsamen Frage, ob geschlechtliche Beziehungen zwischen Wahlelternteil und (eigenberechtigtem) Wahlkind einer Adoption entgegenstehen, noch oberstgerichtliche Judikatur fehlt; der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.

Gemäß § 179a Abs 1 ABGB sind für das Zustandekommen einer Adoption zwei Akte erforderlich, die streng auseinanderzuhalten sind, nämlich der Abschluss eines schriftlichen Vertrages iSv § 886 ABGB zwischen Annehmendem und Wahlkind und die gerichtliche Bewilligung der Annahme (SZ 38/130 = EvBl 1966, 35/23; NZ 1974, 57; RIS-Justiz RS0048726). Letztere ist in § 180a ABGB geregelt. Danach ist allgemeine Voraussetzung jeder Adoption, dass zwischen den Vertragsteilen eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung besteht oder hergestellt werden soll (vgl auch die EBzRV, 107, BlgNR 9. GP 17). Ist das Wahlkind - wie im vorliegenden Fall - eigenberechtigt, muss gemäß Abs 1 dritter Satz leg cit als zweite Voraussetzung ein gerechtfertigtes Anliegen des Annehmenden oder des Wahlkindes vorliegen (Interessenprinzip).

Neben diesem für die sog Erwachsenenadoption normierten Erfordernis des gerechtfertigten Anliegens (das im Gesetz nicht näher definiert wird und nach hM der erhöhten Missbrauchsgefahr bei der Annahme eines Erwachsenen an Kindesstatt begegnen soll - RIS-Justiz RS0048764), ist also auch bei der Adoption eines eigenberechtigten Wahlkindes eine Art Eltern-Kind-Beziehung Bewilligungsvoraussetzung, doch darf dieses Erfordernis nicht überbetont werden; eine nähere persönliche Beziehung entspricht ihm (RIS-Justiz RS0048766). Zwar stellt nun die Beurteilung, ob eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung besteht oder hergestellt werden soll nach stRsp eine von den singulären Besonderheiten der beteiligten Personen geprägte Einzelfallentscheidung dar, deren Beurteilung letztlich in einem gewissen Ermessensspielraum des Gerichtes gelegen ist (7 Ob 102/02d, RIS-Justiz RS0087006 [T 1] = RS0087008 [T 1]; 10 Ob 306/02a). Der erkennende Senat billigt aber die von Stabentheiner in Rummel 3 Rz 1 zu § 180a ABGB im Anschluss an die von diesem zitierte vorinstanzliche Entscheidung EFSlg 62.961 vertretene Ansicht, wonach geschlechtliche Beziehungen zwischen einem Wahlelternteil und einem eigenberechtigten Wahlkind grundsätzlich mit einem Eltern-Kind-Verhältnis iSd § 180a Abs 1 ABGB nicht in Einklang zu bringen sind. Es liegt in der Natur der Sache, dass ein eine Adoption rechtfertigendes Anliegen eines der Vertragsteile in diesem Zusammenhang jedenfalls zu verneinen ist.

Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als die Wahltochter ja in aufrechter Ehe verheiratet ist, wobei hier unerörtert bleiben kann, ob mit der gegenständlichen Adoption etwa eine Absicht iSd § 184 Abs 1 Z 4 letzter Satz ABGB verbunden ist.

Von der also von den Vorinstanzen zutreffend beantworteten Problematik, ob die geschlechtliche Beziehung zwischen den Antragstellern der Annahme eines kindschaftsähnlichen Verhältnisses und damit der gegenständlichen Adoption entgegensteht, zu unterscheiden ist die Frage, ob sexuelle Beziehungen des Annehmenden mit dem eigenberechtigten Wahlkind ein einer Adoption entgegenstehendes überwiegendes Interesse eines leiblichen Kindes begründen, was gemäß § 180a Abs 2 ABGB - neben dem Fehlen der Voraussetzungen des Abs 1 leg cit - ebenfalls einen Versagungsgrund bildete. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 2 Ob 2321/96d, EFSlg 84.234 diese Frage und damit die Legitimation leiblicher Kinder des Wahlvaters verneint, die Feststellung zu bekämpfen, dass eine (homo-)sexuelle Beziehung zwischen Wahlvater und -sohn dort nicht erweislich war. Aus der genannten Entscheidung ist daher entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerber für deren Standpunkt nichts zu gewinnen.

Die Revisionsrekurswerber bringen auch sonst nichts vor, was eine von ihnen angestrebte Korrektur der angefochtenen Entscheidung rechtfertigen könnte. Die von ihnen behauptete Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens liegt, wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat (§ 16 Abs 3 AußStrG iVm § 510 Abs 3 ZPO) nicht vor. Hiebei muss der Einwand, das Rekursgericht vermeine zu Unrecht, dass das Erstgericht nicht an die im ersten Rechtsgang erteilten Aufträge gebunden und nicht auf das Anliegen der leiblichen Kinder beschränkt gewesen sei, schon deshalb ins Leere gehen, weil sich das gegenständliche Verfahren im ersten Rechtsgang befindet, da der erwähnte Rekurs einen Antrag betraf, der zurückgezogen wurde.

Die Ausführungen der Rechtsrüge der Antragsteller, die von einem "asexuellen Liebesverhältnis" ausgehen, sind, da sie vom festgestellten Sachverhalt abweichen, unbeachtlich; nach den Feststellungen der Vorinstanzen liegt bei den Antragstellern ein geschlechtliches - wenn auch nicht "vaginal-sexuelles" - Verhältnis vor. Entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerber kann daher keine Rede davon sein, dass das Rekursgericht den Begriff des Eltern-Kind-Verhältnisses iSd § 180a ABGB "falsch ausgelegt" hätte.

Da der Revisionsrekurs eine unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache sohin nicht aufzuzeigen vermag, war ihm ein Erfolg zu versagen.

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