OGH 4Ob250/03y

OGH4Ob250/03y16.12.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß und Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Andreas K*****, vertreten durch Mag. Lothar Schulmeister, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei V*****, vertreten durch Kosesnik-Wehrle & Langer Rechtsanwälte KEG in Wien, wegen Unterlassung, Widerruf, Feststellung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 9.810 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 24. Oktober 2003, GZ 1 R 168/03p-11, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat sich schon in seiner Entscheidung SZ 51/39 = ÖBl 1978, 92 - Emailschmuck unter Bezugnahme auf gegenteilige Rechtsprechung ausführlich mit der vom Rechtsmittelwerber breit ausgeführten Frage des Beweismaßes im Sicherungsverfahren über einen Anspruch nach § 7 UWG auseinandergesetzt. Ausgehend von der Überlegung, dass sich das Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung nicht zur Erbringung des Wahrheitsbeweises für die vom Gegner der gefährdeten Partei verbreiteten Tatsachenbehauptung eigne, wurde ausgeführt, dass dieser Umstand keineswegs dazu zwinge, den Gegner der gefährdeten Partei gerade im Sicherungsverfahren nach § 7 UWG von der ihm sonst grundsätzlich offenstehenden Möglichkeit auszuschließen, den von der gefährdeten Partei behaupteten Anspruch innerhalb der Grenzen und mit den Mitteln des Provisorialverfahrens durch geeignete Bescheinigungsmittel (§ 274 ZPO) zu entkräften. Gehe man davon aus, dass das Gesetz im Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung auch vom Antragsteller nicht den Beweis seines Anspruches verlange, sondern sich mit dessen Glaubhaftmachung begnüge, dann könne folgerichtig auch dem Antragsgegner ein solcher Nachweis nicht auferlegt werden; vielmehr müsse es auch für ihn zur Abwendung der einstweiligen Verfügung genügen, wenn er sein zur Widerlegung des gefährdeten Anspruchs dienendes Vorbringen - insbesondere also die Wahrheit der beanstandeten Tatsachenbehauptungen - durch geeignete Gegenbescheinigungsmittel im Sinne des § 274 ZPO glaubhaft mache.

Dem folgend vertritt der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung, dass den Mitteilenden im Provisorialverfahren (nur) die Bescheinigungslast für die Wahrheit einer Tatsachenbehauptung trifft (ua ÖBl 1994, 79 - Informationsnebel mwN; MR 2001, 314 = ÖBl 2002, 287 - Bunte Pleite; 4 Ob 15/02p). Wird in einem auf § 7 UWG gestützten Sicherungsverfahren die Wahrheit der beanstandeten Behauptung bescheinigt, besteht kein Unterlassungsanspruch (ÖBl 2002, 19 - Heißer Streit). Im Fall herabsetzender vergleichender Werbung genügt es zum Prozesserfolg, wenn der Werbende im Sicherungsverfahren die Wahrheit seiner Behauptungen bescheinigt (ÖBl 1994, 25 - IMAS-Report ua). Auch auf § 1330 ABGB gestützte Sicherungsanträge können schon durch die Bescheinigung der Wahrheit der verbreiteten Äußerung abgewehrt werden (MR 2001, 371 - Informationshonorar; 4 Ob 15/02p ua).

Auch in der Lehre wird im Sicherungsverfahren allgemein eine Gegenbescheinigung für zulässig (und ausreichend) erachtet (Kodek in Angst, EO § 389 Rz 22; Zechner, Sicherungsexekution und Einstweilige Verfügung, § 378 Rz 1; Kininger, Einstweilige Verfügungen zur Sicherung von Rechtsverhältnissen, 97).

Dem Rekursgericht ist demnach - entgegen der Auffassung des Klägers - kein Verfahrensfehler unterlaufen, wenn es sich bei Behandlung der Beweisrüge mit der Glaubhaftmachung der Wahrheit der beanstandeten Tatsachenbehauptungen durch die Beklagte begnügt hat. Die vom Kläger zum Nachweis der Unrichtigkeit dieser Meinung angeführten Entscheidungen betreffen das Konkurseröffnungsverfahren und das besondere Verfahren zur Gewährung einstweiligen Unterhalts für Minderjährige (§ 382a EO), stehen also in einem gänzlich anderen Zusammenhang als das hier zu beurteilende allgemeine Sicherungsverfahren und sind nicht ohne weiteres auf dieses übertragbar.

Die These des Klägers, im Sicherungsverfahren reiche für den Prozesserfolg zwar die Bescheinigung des verfolgten Anspruchs und der Gefährdung aus, die Verteidigungsmittel des Gegners der gefährdeten Partei seien hingegen (durch Anhebung des erforderlichen Beweismaßes für die anspruchsvernichtenden Einreden) bewusst - vorläufig - eingeschränkt, damit vorläufiger Rechtsschutz leichter erlangt werden könne, ist weder aus dem Gesetz ableitbar, noch wird sie in Lehre oder Rechtsprechung vertreten.

Im Übrigen bleibt der Kläger jede Begründung dafür schuldig, weshalb gerade der dem Gegner der gefährdeten Partei auferlegte Wahrheitsbeweis im Sicherungsverfahren nach § 1330 ABGB den strengen Beweismaßstäben des Hauptverfahrens zu genügen haben soll, ist doch nicht zu erkennen, dass der gute Ruf und die Kreditwürdigkeit einer Person höherwertige Rechtsgüter seien als etwa ihr Vermögen; eine ungleiche Behandlung der Parteien des Sicherungsverfahrens im verlangten Beweismaß wird aber - wie zuvor aufgezeigt - auch für das Verfahren zur Sicherung vermögensrechtlicher Ansprüche nicht vertreten.

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