Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Der Kläger wurde am 13. 5. 1997 bei einem Verkehrsunfall verletzt. Seine Mutter erteilte einem Rechtsanwalt den Auftrag, die Schadenersatzansprüche ihres Kindes mit dem Haftpflichtversicherer der schuldtragenden Lenkerin zu regeln. Dieser bot zwei Regelungsvarianten an. Nach der ersten sollte ein Betrag von insgesamt 164.500 S gezahlt werden, allfällige zukünftige Ansprüche sollten dabei nicht abgegolten sein. Die zweite Variante sah eine Generalabfindung von 200.000 S bei gleichzeitigem Verzicht auf jeglichen weiteren Anspruch und einen Kostenersatz von 20.000 S vor. Der Rechtsanwalt stellte den Antrag, ihm die Genehmigung zum Abschluss eines Vergleichs im Sinne der ersten Regelungsvariante zu erteilen. Der Pflegschaftsrichter ermächtigte ihn daraufhin mit Beschluss vom 22. 6. 1998 zum Abschluss dieses Vergleichs. Zugleich wurde der damalige Rechtsvertreter des Klägers angewiesen, der Mutter des Klägers 14.500 S zu überlassen und 150.000 S auf ein bei einer Sparkasse auf den Namen des Minderjährigen anzulegendes Sparbuch zu erlegen und darüber zu berichten. Der Pflegschaftsrichter kalendierte den Pflegschaftsakt mit 1. 9. 1998. Anfang September 1998 lag kein Erlagsbericht vor. Der Pflegschaftsrichter verlängte den von ihm gesetzten Kalender bis 1. 12. 1998, ohne weitere Maßnahmen zu treffen. Er hatte zu diesem Zeitpunkt keine Veranlassung, an der Redlichkeit des Rechtsanwalts zu zweifeln. Noch im Dezember 1998 wurde der Rechtsanwalt, der die an ihn überwiesene Versicherungsleistung nicht weisungsgemäß verwendet, sondern für sich selbst vereinnahmt hatte, wegen des Verdachtes des schweren gewerbsmäßigen Betrugs verhaftet und in der Folge unter anderem auch wegen Veruntreuung der von dem Versicherer zugunsten des Klägers geleisteten Zahlung strafrechtlich verurteilt. Der Rechtsanwalt hatte bereits seit 1997 durch betrügerische Kreditaufnahmen und Veruntreuung von Klientengeldern einen Schaden von weit über 30 Mio S verursacht und Schulden in Millionenhöhe angehäuft. Diese Schuldenlast bestand bereits zum Zeitpunkt der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung des für den Kläger geschlossenen Vergleichs.
Der Kläger begehrte die Zahlung von 11.570,97 EUR. Dieser Betrag stelle die Differenz zwischen dem tatsächlich an den Rechtsanwalt ausgezahlten Vergleichsbetrag von 200.000 S (14.534,57 EUR) - entsprechend der mit dem Haftpflichtversicherer ausgehandelten, vom Pflegschaftsgericht aber nicht genehmigten zweiten Regelungsvariante - und der vom Vertrauensschadensversicherer einer Rechtsanwaltskammer ausgezahlten Versicherungsleistung von 2.963,60 EUR dar. Der Pflegschaftsrichter habe es "sorgfaltswidrig und fahrlässig" unterlassen, die Erledigung der von ihm erteilten Aufträge zu überwachen. Bei entsprechender Urgenz hätte der Rechtsanwalt die Versicherungssumme noch auf das zu eröffnende Konto des Klägers überwiesen.
Die beklagte Partei wendete ein, das Verhalten des Pflegschaftsrichters sei weder rechtswidrig noch schuldhaft gewesen. Die Verlängerung des Kalenders sei deshalb erfolgt, weil die ursprünglich gesetzte Frist relativ kurz bemessen worden und in der Urlaubszeit gelegen gewesen sei und dieser Rechtsanwalt stets "geraume Zeit bei derartigen Verfahren in Anspruch genommen" habe, gegen seine Integrität aber keinerlei Bedenken bestanden hätten. Im Dezember 1998 habe der Pflegschaftsrichter fernmündlich beim Rechtsanwalt urgiert, diesen aber nicht erreicht und daher den Akt zwecks persönlicher Nachfrage in Evidenz genommen; dann habe er von der Verhaftung des Anwalts erfahren. Selbst rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten des Pflegschaftsrichters wäre für den eingetretenen Schaden nicht kausal gewesen, weil der Rechtsanwalt zu dem Zeitpunkt, in dem - zwei Monate vor Stellen des Antrags auf pflegschaftsgerichtliche Genehmigung des Vergleichs - die Vergleichssumme ausgezahlt werde, bereits längst zahlungsunfähig gewesen sei. Der Schaden hätte daher auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten des Richters nicht verhindert werden können.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Auch bei völlig pflichtgemäßem Handeln des Pflegschaftsrichters - der Vornahme mehrmaliger Urgenzen - wäre eine Zahlung durch den Anwalt nicht zu erwarten gewesen. Damit erweise sich der von der beklagten Partei erhobene Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens als berechtigt.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Das Pflegschaftsgericht sei verpflichtet, das Vermögen eines unter Vormundschaft stehenden Minderjährigen zu erforschen und sicherzustellen. Die Stellung von Eltern als Verwalter des Vermögens ihrer Kinder sei im Allgemeinen freier als die eines Vormunds. Sicherungsmaßnahmen - etwa in Form eines Auftrags, einen Geldbetrag auf ein Sparkonto einzuzahlen -, hätten nur bei einer Gefährdung des Kindeswohls angeordnet werden können. Mangels konkreter Gefährdung hätte es genügt, den beabsichtigten Vergleich pflegschaftsgerichtlich zu genehmigen und die Mutter zu einem späteren Zeitpunkt zur Rechnungslegung aufzufordern. Die Überwachung des von ihr beauftragten Rechtsanwalts sei allein deren Aufgabe gewesen. Der Beschluss des Gerichts, mit dem dem Anwalt der Auftrag zur Veranlagung der dem Kläger zustehenden Versicherungsleistung erteilt worden sei, habe zwar der verbreiteten Praxis der Pflegschaftsgerichte entsprochen, doch sei er - da dieser Auftrag nicht zu erteilen gewesen wäre - rechtswidrig gewesen. Durch die Unterlassung der Überwachung des Auftrags habe der Pflegschaftsrichter tatsächlich nur den Zustand herbeigeführt, wie er auch ohne rechtswidrige Anweisung an den Rechtsanwalt bestanden hätte. Demnach sei die Rechtswidrigkeit der vom Kläger geltend gemachten Unterlassung der Überwachung zu verneinen. Das Verhalten des Pflegschaftsrichters sei aber auch nicht schuldhaft gewesen: Der Auftrag sei nicht befristet gewesen; zwischen der Beschlussfassung und dem ersten Kalender hätten sich die gesamten Gerichtsferien erstreckt; es habe sich um keine dringliche Angelegenheit gehandelt, und es habe kein Anlass bestanden, an der Redlichkeit des einschreitenden Anwalts zu zweifeln. Demnach sei die Verlängerung des Kalenders um drei Monate vertretbar. Auch die danach getroffene Maßnahme - die Evidenzhaltung des Aktes zwecks Führung eines persönlichen Gesprächs mit dem Rechtsanwalt - sei vertretbar gewesen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers ist zulässig und berechtigt.
Voraussetzung für die (erfolgreiche) Inanspruchnahme eines im § 1 Abs 1 AHG genannten Rechtsträgers ist, dass die als dessen Organe handelnden Personen rechtswidrig und schuldhaft handelten. Es ist daher zu prüfen, ob das Verhalten des Pflegschaftsrichters rechtswidrig und schuldhaft war.
Das Berufungsgericht verneinte die Rechtswidrigkeit der dem Pflegschaftsrichter angelasteten Unterlassung - die mangelnde Überwachung des von ihm erteilten Auftrags zur Veranlagung der Vergleichssumme - deshalb, weil die Unterlassung aus einer rechtswidrigen Anordnung abzuleiten wäre; dies schließe die Rechtswidrigkeit der Unterlassung aus. Dem kann nicht beigepflichtet werden:
Rechtswidrigkeit bedeutet, dass ein menschliches Verhalten (im Amtshaftungsrecht das Verhalten eines Organs) gegen Verbote oder Gebote der Rechtsordnung verstößt (Schragel AHG3 Rz 142). Die Vermögensverwaltung durch einen Elternteil muss gerichtlich überwacht werden, wenn die missbräuchliche Verwendung des Vermögens eines Minderjährigen zu befürchten ist (EFSlg 73.749 uva). Dies besagt aber nicht, dass Überwachungshandlungen ohne konkrete Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Kindeswohls nicht gesetzt werden dürfen, zumal es oberstes Prinzip des Pflegschaftsrechts ist, im Interesse des Kindes zu handeln und demgemäß für die ordnungsgemäße Anlegung von Kapitalien zu sorgen, was sich auch in der Kodifizierung des § 192a AußStrG niedergeschlagen hat. Darüber hinaus war der Auftrag zum Erlag eines Teils der Vergleichssumme aber gar nicht an die gesetzliche Vertreterin des Klägers gerichtet, sondern unmittelbar an den von ihr beauftragten Rechtsanwalt. Dass ein solcher Auftrag gegen ein Verbot oder Gebot der Rechtsordnung verstieße, ist nicht nachvollziehbar, insbesondere wenn in Rechnung gestellt wird, dass § 192a Abs 2 AußStrG in der im Jahre 1998 geltenden Fassung die gerichtliche Verwahrung der einem Minderjährigen gehörigen Gelder vorsah, sofern deren Gesamtwert 65.000 S überstieg. Der dem Rechtsanwalt vom Pflegschaftsrichter erteilte Auftrag war somit keinesfalls rechtswidrig, weshalb auch die Schlussfolgerung des Gerichts zweiter Instanz, die behauptete Rechtswidrigkeit der hier zu beurteilenden Unterlassung werde aus einem rechtswidrigen Beschluss des Pflegschaftsrichters abgeleitet, sodass sie allein schon deshalb zu verneinen sei, verfehlt ist. Vielmehr war der dem Anwalt erteilte Auftrag rechtlich geboten, ist doch Geld eines Minderjährigen gemäß § 149 Abs 1 ABGB jedenfalls, auch bei Vertretung durch die Eltern, nach den Vorschriften über die Anlegung von Mündelgeld (§§ 230 ff ABGB) anzulegen.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist in der nach Erteilung des Auftrags an den Anwalt gewählten Vorgangsweise des Pflegschaftsrichters schuldhaftes, nicht mehr vertretbares Organverhalten zu erblicken. Es war durchaus angezeigt, den Nachweis der Erfüllung des dem Anwalt erteilten Auftrags mit 1. 9. 1998 zu kalendieren, war doch der Vergleich zwischen dem Haftpflichtversicherer und dem für den Kläger eingeschrittenen Rechtsanwalt bereits vollständig abgesprochen, als der Pflegschaftsrichter diesen am 22. 6. 1998 pflegschaftsgerichtlich zum Abschluss des Vergleichs ermächtigte und die hier zu beurteilenden Aufträge erließ. Anfang September 1998 wäre der Pflegschaftsrichter verpflichtet gewesen, die Erfüllung des dem Rechtsanwalt erteilten Auftrags zu urgieren, um die Interessen des Minderjährigen in jeder Hinsicht zu wahren. Daran kann auch der Umstand nichts ändern, dass der Zeitraum, in dem der Anwalt seiner Verpflichtung hätte nachkommen müssen, auch die Gerichtsferien einschloss, standen doch immerhin insgesamt mehr als zwei Monate zur Erfüllung des Auftrags zur Verfügung. Die Tatsache, dass der Pflegschaftsrichter an der Redlichkeit des einschreitenden Rechtsanwalts nach der ihm bekannten Sachlage nicht zweifeln musste, enthob ihn keineswegs der Pflicht zur Betreibung der erforderlichen Nachweise. Die Überwachung des Auftrags war gesetzlich geboten, auch wenn der Pflegschaftsrichter nach seinen bisherigen Erfahrungen keinen Zweifel daran hatte, der Anwalt werde den ihm erteilten Auftrag - wenn auch verspätet - erfüllen. Allein dessen Nichterfüllung innerhalb der gesetzten Frist hätte das Einschreiten des Richters erfordert, um die Interessen des Minderjährigen zu wahren, wäre es doch Sache des Anwalts gewesen, mit einer aus seiner Sicht gerechtfertigten Begründung um Fristverlängerung anzusuchen, sollte der Einhaltung des Auftrags ein Hindernis - welcher Art immer - entgegengestanden sein. Die bloße Verlängerung des Kalenders um drei Monate, ohne irgendwelche Maßnahmen zur Durchsetzung des dem Rechtsanwalt erteilten Auftrags zu ergreifen, fällt dem Pflegschaftsrichter als schuldhafte Unterlassung zur Last. Es muss daher nicht mehr darauf eingegangen werden, ob die vom Pflegschaftsrichter nach dem 1. 12. 1998 getroffenen Maßnahmen zielführend und ausreichend waren. Der Umstand, dass in der Zeit bis zum 1. 12. 1998 mit der Mutter des Klägers Gespräche über eine günstige Veranlagung des Gelds hätten geführt werden sollen, erließ dem Richter keineswegs die Pflicht zur Überwachung des dem Anwalt erteilten Auftrags.
Infolge rechtswidriger und schuldhafter Vorgangsweise eines für den Bund handelnden Organs ist demnach zu prüfen, ob die festgestellte Unterlassung für den Schadenseintritt kausal war. Dies lässt sich - entgegen der Ansicht des Erstgerichts - aufgrund der Feststellungen der Vorinstanzen nicht verlässlich beurteilen. Gewiss war der Rechtsanwalt zu dem Zeitpunkt, in dem dem Pflegschaftsrichter Handeln geboten gewesen wäre (Anfang September 1998) bereits hoffnungslos überschuldet und im Sinne der konkursrechtlichen Bestimmungen zahlungsunfähig. Nach den Feststellungen ist er seit 1997 den Rückzahlungsverpflichtungen "nicht mehr gefolgt" und hat anvertraute Klientengelder, vor allem ausgehandelte Entschädigungsbeträge, nicht oder nur teilweise seinen Klienten ausgefolgt. Gerade die Feststellung, dass er (auch) teilweise Entschädigungsbeträge weitergab, lässt die Frage offen, ob nicht im vorliegenden Fall die Vergleichssumme oder ein Teil derselben dem Kläger zur Verfügung gestellt worden wäre, hätte das Pflegschaftsgericht Anfang September 1998 die Erfüllung des Auftrags urgiert.
Der Vollständigkeit halber ist auf den von der beklagten Partei in deren Berufungsbeantwortung erhobenen Einwand - den sie in der Revisionsbeantwortung nicht weiter releviert - einzugehen, eine allfällige Zahlung durch den Rechtsanwalt, über dessen Vermögen am 12. 5. 1999 der Konkurs eröffnet worden sei, wäre anfechtbar gewesen und deshalb hätten keine "nachhaltigen" Geldflüsse an den Kläger stattfinden können:
Der Anspruch des Klägers gegen den Rechtsanwalt und späteren Gemeinschuldner kann Aussonderungscharakter haben, sofern sein Gegenstand widerrechtlich in die Konkursmasse einbezogen wurde und darin eine Verletzung des Anspruchs lag (SZ 40/155; SZ 27/260). Hiebei ist zu beachten, dass die Aussonderung von Geld aus einer Konkursmasse dann nicht mehr möglich ist, wenn es infolge Vermengung nicht mehr der Eigentumsklage unterliegt, weil dann der Gemeinschuldner daran gemäß § 371 ABGB originär Eigentum erworben hat (vgl SZ 32/161; SZ 10/356; Schulyok in Konecny/Schubert, Kommentar zu den Insolvenzgesetzen Rz 15 f zu § 44 KO; König, Die Anfechtung nach der KO3 Rz 3/33; Feil, Praxiskommentar zur KO4 Rz 2 f zu § 44 KO).
In Stattgebung der Revision sind die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben; das Erstgericht wird die Frage zu prüfen haben, ob die Unterlassung des Pflegschaftsrichters für den im Vermögen des Klägers eingetretenen Schaden kausal war.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
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