OGH 7Ob196/03d

OGH7Ob196/03d10.11.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** Versicherungs AG, ***** vertreten durch Klement, Schreiner & Partner, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei DI Fritz N*****, vertreten durch Scherbaum/Seebacher, Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen EUR 40.023,32 samt Anhang, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 9. April 2003, GZ 4 R 10/03b-19, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 15. Oktober 2002, GZ 11 Cg 95/02t-13, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, dass sie einschließlich der bereits in Rechtskraft erwachsenen Teile zu lauten haben wie folgt:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei EUR 27.885,87 samt 4 % Zinsen aus EUR 47.603,62 vom 8. 5. 2000 bis 8. 7. 2002, aus EUR 27.885,87 seit 9. 7. 2002 binnen 14 Tagen zu bezahlen und die mit EUR 4.254,68 (darin enthalten EUR 554,02 an USt und EUR 930,52 an Barauslagen) bestimmten Prozesskosten zu ersetzen, beides binnen 14 Tagen bei Exekution.

Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei weitere EUR 12.137,45 samt 4 % Zinsen seit 8. 5. 2000 zu bezahlen, wird abgewiesen."

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 3.297,14 (darin enthalten EUR 408,19 an USt und EUR 848,-- an Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 2.124,80 (darin enthalten EUR 177,30 an USt und EUR 1.061,-- an Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Jahr 1993 errichtete die S***** GesmbH (in der Folge: K*****) für die Bediensteten des Landeskrankenhauses B***** ein Personalwohnhaus. Mit der Betreuung des Bauvorhabens sowohl in technischer als auch in finanzieller Hinsicht betraute sie die G***** GmbH (in der Folge: G*****). Davon war die Planung, die technische und wirtschaftliche Oberleitung der Bauausführung sowie die örtliche Bauaufsicht umfasst. Die G***** ihrerseits beauftragte den Beklagten mit der Planung. Die von ihm erstellten Pläne hinsichtlich des Flachdaches waren insoferne fehlerhaft, als sie die notwendige Anzahl der Dehnfugen bzw Befestigungspunkte nicht vorsah. Diese wären aber im vorliegenden Fall deshalb notwendig, da es sich nicht um einen Standardfall handelt, weil das Flachdach in einer Länge von 97,5 m quer zur Hauptwindrichtung lag und aufgrund der Lage am Ausgang eines engen Tales mit einem Düseneffekt und böigem Wind zu rechnen war. Das Flachdaches wurde mit zu wenigen Ausdehnungsausgleichen, Dehnfugen und Befestigungspunkten ausgeführt. Der vorliegende Sonderfall eines Flachdaches übersteigt die Fachkompetenz eines Spenglers, weshalb sich ein Planer nicht darauf verlassen kann, dass der bauausführende Spengler die richtige Anzahl von Dehnfugen wählen würde. In der Folge löste sich das Flachdach des Gebäudes.

Mit Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 15. 11. 2001, 13 Cg 81/00w, wurde die G*****, der der Beklagte als Nebenintervenient im Verfahren beitrat, verpflichtet, der K***** die Mängelbehebungskosten samt Zinsen und Prozesskosten zu ersetzen. Als schadensverursachend wurde erkannt, dass in den Planunterlagen die konkrete Anzahl der Befestigungspunkte und Dehnfugen fehlte, was auch die G***** im Zuge der Bauaufsicht hätte erkennen müssen. Der G***** fielen daher vertragswidrige Sorgfaltsverletzungen sowohl bei der Planung als auch bei der Bauaufsicht zur Last.

Die Klägerin ist Haftpflichtversicherin der G*****. Sie beglich den Schaden zur Gänze.

Die Klägerin begehrt nun zuletzt (der Beklagte bezahlte die Hälfte der Mängelbehebungskosten während des Verfahrens) - soweit dies für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist - den Ersatz der nicht bezahlten Hälfte der Mängelbehebungskosten. Die G***** habe den Beklagten deshalb mit der Planung beauftragt, weil sie sich außerstande gesehen habe, die Planung, die eben kein Standardfall sei, selbst vorzunehmen. Der Beklagte habe die ihm übertragene Hauptleistungspflicht verletzt, sein Planfehler sei kausal für den Schadenseintritt gewesen. Das Nichterkennen des Planfehlers durch die G***** könne den Regressanspruch gegen den Beklagten nicht mindern. Der Klagsanspruch sei auf die Klägerin im Wege des § 67 VersVG nach Zahlung des Schadensbetrages übergegangen.

Der Beklagte stellte das Klagebegehren der Höhe nach außer Streit und beantragte Klagsabweisung - soweit dies für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist - mit der Begründung, dass die G***** die ihr obliegende örtliche Bauaufsicht dadurch verletzt habe, dass sie - ungeachtet der Nichtstandardsituation - die Ausschreibung und Planung sowie die Ausführung durch die Professionisten nicht auf Übereinstimmung mit den technischen Regeln überprüft habe. Sowohl diese Fehlleistung der G***** als auch sein Planungsfehler seien ursächlich für den Schadenseintritt gewesen, weshalb mangels besonderer Verhältnisse die Haftung nur für 50 % des Schadens bestehe.

Das Erstgericht wies - abgesehen vom bereits in Rechtskraft erwachsenen Zuspruch hinsichtlich eines anderen Anspruchs - den auf die Mängelbehebungskosten entfallenden Teil des Klagebegehrens ab. In rechtlicher Hinsicht vertrat es die Auffassung, dass die G***** sich das Verschulden des werkausführenden Spenglers zurechnen lassen müsse, der die Planungsvorgaben nicht weiter geprüft habe. Der Spengler hätte nämlich seine Warnpflicht verletzt, weil er hätte erkennen müssen, dass die Konstruktion nach den Planvorgaben unter Umständen nicht sicher sei.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung. Es vertrat in rechtlicher Hinsicht - soweit dies für das Revisionsverfahren von Bedeutung ist - die Rechtsauffassung, dass zwar der G***** kein allfälliges Verschulden des Spenglers regressmindernd angelastet werden könne, da dieser in keinem Vertragsverhältnis zur G***** gestanden und somit nicht ihr Erfüllungsgehilfe gewesen sei. Auf ein derartiges Mitverschulden habe sich der Beklagte auch gar nicht berufen. Rechtsgrundlage für den vorliegenden Regressanspruch sei § 1313 Satz 2 ABGB, der eine solidarische Haftung des Gehilfen nicht voraussetze. Nach dieser Gesetzesstelle habe der Gehilfe den Schaden im Innenverhältnis aber nur dann zur Gänze zu tragen, wenn der Geschäftsherr dem Dritten ohne eigenes Verschulden hafte. Treffe hingegen nicht nur den Gehilfen ein Vorwurf, sondern auch den Geschäftsherrn, so sei der Regressanspruch im Sinne des § 1304 ABGB zu kürzen und im Zweifel - wie hier - auf die Hälfte zu reduzieren. Ursache des Schadens sei nicht nur der Planungsfehler des Beklagten als Subunternehmer der G*****, sondern auch eine Verletzung der örtlichen Bauaufsicht durch die G***** selbst. Der Schaden sei daher auch durch ein eigenes vertragswidriges und schuldhaftes Verhalten der G***** (mit-)verursacht worden, weshalb der Schaden im Wege des Regresses nach § 1313 ABGB nicht zur Gänze auf den Erfüllungsgehilfen überwälzt werden könne. Der von der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz, dass ein bauausführender Werkunternehmer gegenüber dem Bauherrn bei Verletzung der Bauaufsicht kein seine Haftung minderndes Mitverschulden geltend machen könne, sei daher nicht auf den Fall einer Rückgriffsforderung des Geschäftsherrn, dem unter anderem die Bauaufsicht obliege, gegen seinen Erfüllungsgehilfen, dem er die Planung weitergebe, anzuwenden.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil keine erheblichen Rechtsfragen vorlägen.

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der klagenden Partei im Umfang von EUR 19.717,75 samt Anhang mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahingehend abzuändern, dass auch die zweite Hälfte der Mängelbehebungskosten zugesprochen würden; hilfsweise werde ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist auch berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung soll die Bauaufsicht nur den Bauherrn, der hiefür ein gesondertes Entgelt entrichtet, vor Fehlern schützen, nicht jedoch einzelne bauausführende Unternehmer von ihrer persönlichen, sie als "Fachmann" treffenden Verpflichtung zur mängelfreien Werkerstellung entlasten oder deren Verantwortung mindern (4 Ob 156/98i, 9 Ob 33/99i, 6 Ob 136/99i, 6 Ob 107/00d, 6 Ob 110/02y, 2 Ob 102/01s, RIS-Justiz RS0107245, RS0108535). Der Werkunternehmer kann daher grundsätzlich aus einer ungenügenden Bauüberwachung kein seine Haftung minderndes Mitverschulden ableiten. Der Vertrag über die Bauaufsicht ist kein Vertrag zugunsten Dritter, der Schutzpflichten zugunsten der einzelnen Werkunternehmer in dem Sinn begründet, dass er ihre Haftung für eigenes Fehlverhalten mindert (4 Ob 156/98i). Mangels Rechtswidrigkeitszusammenhanges kann daher die Verletzung einer Verpflichtung zur Bauaufsicht kein die Haftung des Fachunternehmens minderndes Mitverschulden geltend gemacht werden (6 Ob 136/99i, 2 Ob 102/01s, 6 Ob 107/00d, 6 Ob 110/02y). Gleiches gilt auch im Verhältnis zwischen Subunternehmer und dessen Auftraggeber. Der Auftrag zur Bauaufsicht wurde ja von der K***** als Bauherrin ausschließlich in ihrem eigenen Interesse erteilt. Der Beklagte hat als Auftragnehmer der G***** seine vertragliche Hauptleistungspflicht, nämlich die sachgemäße und fehlerfreie Herstellung eines Bauplans für ein Flachdach, nicht erfüllt. Er haftet der G***** als seiner Vertragspartnerin für den geltend gemachten Ersatz der Mangelfolgeschäden aus der Verletzung des Werkvertrages zur Gänze. Die Ausführungen in der Revisionsbeantwortung samt Hinweis auf bbl 2001, 217 ff des Beklagten zu einem "Regressanspruch" gehen daher ins Leere. Der auf die Klägerin übergegangene Anspruch besteht zu Recht.

Der Revision war daher Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich im erstinstanzlichen Verfahren auf § 43 ZPO. Die Klägerin obsiegte im ersten Verfahrensabschnitt mit 86 %, im zweiten mit 70 % und im dritten mit 40 % ihres Anspruches.

Die Kostenentscheidung im Rechtsmittelverfahren basiert auf §§ 50 , 41 ZPO. Der Ansatz für die Kosten der Berufung beträgt nur EUR 19.717,75.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte