OGH 13Os90/03

OGH13Os90/0322.10.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Oktober 2003 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Proksch als Schriftführer, in der Strafsache gegen Frank S***** wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall SMG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz vom 9. Dezember 2002, AZ 10 Bs 236/02 (S 236 des Hv-Aktes) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss (samt "Angleichungsbeschluss" vom 27. Mai 2003) aufgehoben und dem Oberlandesgericht Linz eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Gründe:

In der vom Oberlandesgericht Linz für den 9. Dezember 2002 zum AZ 10 Bs 236/02 angeordneten Berufungsverhandlung (ON 34), zu welcher der Angeklagte Frank S***** nicht erschienen war, wurde die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses durch den bisherigen Verteidiger Univ. Doz. Dr. Richard S***** festgestellt und nach Umfrage der Beschluss auf Vertagung der Berufungsverhandlung "zur neuerlichen Ladung des Angeklagten und Beigebung eines Verteidigers gemäß § 41 Abs 3 StPO" gefasst und vom Vorsitzenden auch verkündet.

Nach dem verspäteten Erscheinen des Angeklagten wurde ihm mitgeteilt, dass er eine neuerliche Ladung erhalten werde, und weiters wurde er "über den Verteidigerzwang im gegenständlichen Verfahren aufgeklärt" (ON 34, S 235 verso).

Rechtliche Beurteilung

Die Ausfertigung dieses schon am 9. Dezember 2002 gefassten Beschlusses erfolgte nach Verfügung des Vorsitzenden des Berufungsgerichtes ("VH 3 [§ 41 Abs 3 StPO] an Ausschuss der OÖ Rechtsanwaltskammer") als Punkt 2. der Ausschreibung der Berufungsverhandlung für den 20. Jänner 2003, wobei allerdings das Formular (StPO-Form VH 3) mangels Ankreuzens der Zeile über die Kostentragungspflicht unvollständig ausgefüllt blieb, und es der aktuellen Rechtslage deshalb nicht entsprach, weil es auch die Möglichkeit der kostenlosen Beigebung eines Amtsverteidigers vorsah (vgl hiezu 14 Os 110, 111/98). Darüber hinaus trug dieses Formular (wie die Einsicht in den Bs-Akt zeigt) auch ein unrichtiges Beschlussdatum (17. anstatt 9. Dezember 2002).

In der gesetzlich vorgeschriebenen (§ 42 Abs 1 erster Satz StPO) Benachrichtigung der Rechtsanwaltskammer kann aber kein eigenständiger Beschluss erblickt werden.

Dessen ungeachtet fehlt es nach der Aktenlage an einer im Hinblick auf die Rechtsmittellegitimation des Angeklagten nach § 41 Abs 7 StPO gemäß § 79 Abs 1 StPO gebotenen Zustellung des am 9. Dezember 2002 gefassten Beschlusses an Frank S*****, welchem nach dem Inhalt des an das Protokoll über die Berufungsverhandlung vom 9. Dezember 2002 anschließenden Amtsvermerks (ON 34, S 235 verso) der Beschluss auf Beigebung eines Amtsverteidigers nach § 41 Abs 3 StPO auch anlässlich seines verspäteten Erscheines nicht verkündet wurde. Daher wurde - ungeachtet des Einschreitens des nach § 41 Abs 3 StPO bestellten Verteidigers, bei dem die Bestimmung § 79 Abs 4 StPO erst für die der Bestellung nachfolgenden Entscheidungen Anwendung findet - diese am 9. Dezember 2002 mündlich verkündete Entscheidung erst mit dem vom OLG Linz gefassten "Angleichungsbeschluss" vom 27. Mai 2003 dem Beschwerdeführer durch die am 10. Juni 2003 erfolgte Zustellung eröffnet.

Die sich inhaltlich gegen den Beschluss vom 9. Dezember 2000 wendende, am 17. Juni 2003 eingebrachte Beschwerde des Frank S***** ist daher rechtzeitig.

Ihr kommt auch Berechtigung zu.

Nach § 41 Abs 4 StPO ist nämlich auch ohne Antrag auf Beigabe eines Verfahrenshilfeverteidigers ein solcher beizugeben, wenn die sonstigen Voraussetzungen des Abs 2 dieser Gesetzesstelle vorliegen. Wenn Frank S***** seinerzeit auch nicht die Beigabe eines Verfahrenshilfeverteidigers verlangt hat, wäre im Hinblick auf dessen aktenkundige Einkommensverhältnisse und Sorgepflicht (S 158 iVm S 11 ff) vom Oberlandesgericht von Amts wegen zu prüfen gewesen, ob die entsprechenden Voraussetzungen gegeben waren.

Da dies unterblieb, war in Stattgebung der Beschwerde der angefochtene Beschluss (samt Angleichungsbeschluss) aufzuheben und dem Oberlandesgericht eine neue Entscheidung nach Durchführung der erforderlichen Überprüfung aufzutragen.

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