OGH 3Ob43/03z

OGH3Ob43/03z22.10.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der betreibenden Partei A.***** s.n.c., *****, vertreten durch Dr. Hans G. Mondel, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichtete Partei Adolf Z***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Andreas Waldhof, Rechtsanwalt in Wien, wegen 317.355,38 EUR sA, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 23. Juli 2002, GZ 47 R 206/02w-16, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 9. März 2001, GZ 70 E 252/01k-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die betreibende Partei ist schuldig, der verpflichteten Partei die mit 2.513,52 EUR bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin 418,92 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die betreibende Partei beantragte, die Verfügung-Zahlungsaufforderung des Gerichts von Mantua Nr 3758/90 Rep Nr 1312 vom 20. Juni 2000 für vollstreckbar zu erklären und ihr die zwangsweise Pfandrechtsbegründung sowie die Pfändung des von der Verpflichteten betriebenen Gewerbes zur Hereinbringung von 317.355,38 EUR sA zu bewilligen. Sie legte eine Seite des Verhandlungsprotokolls vom 9. April 1991, das Original der Verfügung-Zahlungsaufforderung des Gerichts von Mantua samt darauf befindlicher Vollstreckbarkeitsklausel vom 24. Juli 2000 und der Bestätigung vom 28. Juli 2000 vor, wonach diese Verfügung-Zahlungsaufforderung keinem Rechtsmittel unterworfen sei; weiters die beglaubigte Übersetzung samt Beeidigungsklausel vom 29. September 2000, die beglaubigte Übersetzung der Beglaubigungsklausel sowie die Zustellurkunde des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 13. Oktober 2000 samt jener der gemeinsamen Zustellabteilung vom 19. Oktober 2000. Aus dem Protokoll der Verhandlung vom 9. April 1991 ergebe sich ebenso wie aus der Verfügung-Zahlungsaufforderung, dass sich die verpflichtete Partei am Verfahren beteiligt habe. Irgendein Grund entsprechend dem EuGVÜ/LGVÜ, diese Entscheidung nicht anzuerkennen, liege nicht vor. Gemäß Art 54 Abs 2 EuGVÜ sei dieses Abkommen anwendbar, obwohl der Rechtsstreit bereits seit 1990 anhängig sei. Der italienische Kassationsgerichtshof habe mit Urteil vom 30. April 1998 entschieden, dass das italienische Gericht aufgrund der Bestimmungen des UN-Kaufrechts für den Rechtsstreit zuständig sei, eine Kopie dieses Urteils werde vorgelegt.

Über Aufforderung des Erstgerichts legte die betreibende Partei darüber hinaus eine Prozessvollmacht vom 14. März 1991, eine Bestätigung des Gerichts von Mantua vom 26. Jänner 2001 sowie eine Übersetzung des Urteils des italienischen Kassationsgerichtshofs ergänzend vor.

Mit Beschluss vom 9. März 2001 erklärte das Erstgericht die Verfügung-Zahlungsaufforderung des Gerichts von Mantua vom 20. Juni 2000 für Österreich für vollstreckbar und bewilligte darüber hinaus die Exekution mittels zwangsweiser Pfandrechtsbegründung sowie die Pfändung des von der verpflichteten Partei betriebenen Gewerbes und der diesem Gewerbebetrieb zugrundeliegenden Gewerbeberechtigung. Da die das Verfahren einleitende Klage bereits 1990 eingebracht worden sei, richte sich die Vollstreckbarerklärung trotz des nach Inkrafttreten des EuGVÜ im Verhältnis Österreich-Italien zustandegekommenen Exekutionstitel nach dem am 2. Oktober 1974 in Kraft getretenen Abkommen zwischen der Republik Österreich und der italienischen Republik über die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (BGBl Nr 1974/521). Sowohl nach diesem Abkommen als auch nach dem EuGVÜ sei der Gerichtsstand des Erfüllungsorts, auf den sich die Zuständigkeit des italienischen Gerichts gründe, zulässig. Nach Art 6 des österreichisch-italienischen Vertrags sei das Gericht des ersuchten Staats bei der Überprüfung der Umstände, die die Zuständigkeit des Gerichts des anderen Staats begründet haben, an die in der Entscheidung enthaltenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. In der für vollstreckbar zu erklärenden Entscheidung fänden sich zwar keine Feststellungen für die Zuständigkeit des Gerichts von Mantua, doch habe der italienische Kassationsgerichtshof in Rom in seiner Entscheidung vom 30. April 1998 die Zuständigkeit des Gerichts von Mantua festgestellt. Die Zuständigkeit des italienischen Gerichts sei daher zu bejahen. Die Bestimmungen des EuGVÜ kämen zur Anwendung. Die betreibende Partei habe die entsprechenden Urkunden vorgelegt, auch die Identität der verpflichteten Partei mit der beklagten Partei im Verfahren des Gerichts von Mantua sei aufgrund der vorgelegten Vollmacht vom 14. März 1991 zweifelsfrei gegeben.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Rekursgericht sowohl den Antrag auf Vollstreckbarerklärung als auch die Exekutionsanträge ab. Lediglich den Antrag der verpflichteten Partei, die Einverleibung der Löschung des Zwangspfandrechts sowie die Einstellung der Gewerbepfändung zu veranlassen, wies es zurück. Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte es für zulässig, weil Rsp des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob der betreibende Gläubiger im Anwendungsbereich des Art 13 Abs 4 des 4. Beitrittsübereinkommens in seinem Vollstreckbarerklärungsantrag Tatsachen zu behaupten und zu beweisen habe, aus denen sich ableiten lasse, dass das Ursprungsgericht im Zeitpunkt der Klageerhebung zuständig gewesen sei.

Im Verhältnis zwischen Österreich und Italien stehe seit 1. Juni 1999 das EuGVÜ (idF des 4. Beitrittsübereinkommens von 1996) in Kraft. Die hier zu beurteilende italienische Entscheidung sei zwar nach diesem Zeitpunkt ergangen, doch sei die zugrundeliegende Klage bereits 1990 erhoben worden. Solche Entscheidungen seien in Österreich gemäß Art 13 Abs 2 des 4. Beitrittsübereinkommens (einer dem Art 54 Abs 2 EuGVÜ entsprechenden Übergangsbestimmung) nur unter der Voraussetzung exequierbar, dass das Ursprungsgericht aufgrund von Vorschriften zuständig gewesen sei, die mit den Zuständigkeitsvorschriften des Titels II des EuGVÜ oder eines Abkommens übereinstimmten, das im Zeitpunkt der Klageerhebung zwischen Österreich und Italien in Kraft gewesen sei. Da keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die verpflichtete Partei ihren Sitz 1990 in Italien gehabt hätte, wäre es gemäß § 55 Abs 2 EO Sache der betreibenden Partei gewesen, bereits in ihrem Vollstreckbarerklärungsantrag schlüssige Tatsachen zu behaupten und unter Beweis zu stellen, aus denen sich ableiten ließe, dass das italienische Ursprungsgericht nach einem der Tatbestände der Art 5 ff EuGVÜ oder des Art 5 Z 2 bis 7 des österreichisch-italienischen Anerkennungs- und Vollstreckungsabkommens zuständig gewesen sei. Ein stichhältiges Vorbringen fehle jedoch. Der Antrag der betreibenden Partei habe überhaupt keine Ausführungen über den Rechtsgrund enthalten, auf welchen die betreibende Partei ihre Klage gestützt habe. Der Hinweis auf ein gleichzeitig vorgelegtes Urteil des italienischen Kassationsgerichtshofs, in dem die Zuständigkeit des italienischen Ursprungsgerichts bejaht worden sei, reiche nicht aus. Die erweiterte Zuständigkeitskontrolle nach Art 54 Abs 2 EuGVÜ und Art 13 Abs 2 des 4. Beitrittsübereinkommens sei umfassend und selbständig, ohne Bindung an allfällige vom Ursprungsgericht getroffene Feststellungen. Ausführungen des italienischen Kassationsgerichtshofs, eines vom Ursprungsgericht verschiedenen italienischen Gerichts, genügten daher nicht. Ein Verfahren zur Verbesserung des Vollstreckbarerklärungsantrags nach § 54 Abs 3 EO komme nur bei völligem Fehlen von Ausführungen in Richtung Art 13 Abs 2 des 4. Beitrittsübereinkommens in Betracht, nicht aber in diesem Fall, wo solche Ausführungen zwar vorhanden, aber ungenügend gewesen seien.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der betreibenden Partei ist aus den vom Rekursgericht angeführten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.

Auch im Exekutionsverfahren trifft den jeweiligen Antragsteller die Behauptungslast, es herrscht reiner "Parteibetrieb" (Heller/Berger/Stix, EO4 I 625; Jakusch in Angst, EO, § 55 Rz 11; Rassi in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, § 55 Rz 24 mwN). Fehlt es an den für die Anwendung einer Rechtsnorm notwendigen Tatsachenbehauptungen, geht dies zu Lasten jener Partei, die die Rechtsfolge dieser Rechtsnorm für sich in Anspruch nimmt (Rassi aaO; vgl auch zur Behauptung einer Bevorrechtung RIS-Justiz RS0000387).

Zutreffend hat das Rekursgericht festgehalten, dass die betreibende Partei in ihrem Vollstreckbarerklärungsantrag ihrer Behauptungslast im Hinblick auf die Voraussetzungen der Vollstreckbarerklärung, was die Beurteilung der der Zuständigkeit des Ursprungsgerichts zugrundeliegenden Tatsachen anlangt, nicht entsprochen hat. Ihr Antrag enthält lediglich eine Rechtsfolgenbehauptung.

§ 54 Abs 3 EO idF EO-Novelle 1995 normiert eine allgemeine - also sowohl Form- als auch Inhaltsmängel umfassende - Verbesserungspflicht für den Fall, dass im Exekutionsantrag das gesetzlich vorgeschriebene Vorbringen fehlt oder nicht alle vorgeschriebenen Urkunden angeschlossen sind. Trotz des stringenten Wortlauts, der keine Ausnahme von der Möglichkeit oder Verpflichtung zur Einleitung eines Verbesserungsverfahrens kennt, ergibt sich eine solche aus § 88 Abs 2 EO iVm § 95 Abs 1 GBG. Nach der erstgenannten Bestimmung gelten für die Bewilligung und den Vollzug der Einverleibung eines Zwangspfandrechts die Bestimmungen des allgemeinen Grundbuchsgesetzes. § 95 Abs 1 GBG aber ordnet an, dass über Grundbuchsgesuche, von den dort genannten Ausnahmen abgesehen, ohne Zwischenerledigung zu entscheiden ist. Diese Norm bildet gegenüber § 54 Abs 3 EO die lex specialis, geht diesem daher vor. Der Antrag auf Bewilligung der zwangsweisen Pfandrechtsbegründung ist daher ungeachtet der Bestimmung des § 54 Abs 3 EO einer Verbesserung nicht zugänglich (NZ 2001, 318 [Hoyer]; RIS-Justiz RS0105081; Jakusch aaO § 54 Rz 54 mwN).

Da im vorliegenden Fall mit dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung auch ein Exekutionsantrag verbunden ist, der auf Einverleibung eines Zwangspfandrechts (unter anderem) auf eine im Sprengel des Erstgerichts befindliche Liegenschaft gerichtet ist, richtet sich der Rang eines von der betreibenden Partei angestrebten bücherlichen Rechts (Zwangspfandrechts) nach dem Einlangen des darauf gerichteten Antrags beim Erstgericht. Mit einer Verbesserung des unvollständig eingebrachten Gesuchs wäre daher grundsätzlich die Gefahr einer unzulässigen Rangverschiebung verbunden (Jakusch aaO Rz 54 f mwN; § 88 Rz 3 f).

Bereits das Erstgericht hat in seinem Aktenvermerk vom 23. Jänner 2001 festgehalten, dass die Bezeichnung der verpflichteten Partei (wie auch die Bezeichnung der als Eigentümer des in Exekution gezogenen Liegenschaftsanteils aufscheinenden juristischen Person) mit der Bezeichnung der beklagten Partei im Exekutionstitel - der im Übrigen wechselnde Bezeichnungen der beklagten Partei aufweist - nicht übereinstimmt. Allein die aus diesem Umstand abzuleitenden Zweifel über die Identität der als Verpflichtete genannten Partei mit der im Grundbuch eingetragenen Eigentümerin des in Exekution gezogenen Liegenschaftsanteils müssen im Hinblick auf die oben dargestellte Unzulässigkeit eines Verbesserungsverfahrens zur Abweisung des Exekutionsantrags führen. Ob die vom Erstgericht ungeachtet des Verbots von Zwischenerledigungen im Grundbuchsverfahren veranlasste Verbesserung (Vorlage der Prozessvollmacht vom 14. März 1991, Bestätigung des Gerichts von Mantua vom 26. Jänner 2001) zu einer Beseitigung dieser Identitätszweifel führen konnte - idS die Beschlussbegründung des Erstgerichts - braucht daher nicht erörtert zu werden.

Dem Revisionsrekurs der betreibenden Partei ist daher ein Erfolg zu versagen.

Anzumerken ist, dass die betreibende Partei nach dem Inhalt ihrer Anfechtungserklärung und ihres Rekursantrags auch die Zurückweisung des Antrags der verpflichteten Partei bekämpft, die Einverleibung der Löschung der Grundbuchspfandrechte sowie die Einstellung der Gewerbepfändung zu veranlassen. Zu diesem Beschwerdepunkt finden sich allerdings keinerlei Ausführungen im Revisionsrekurs; eine diesbezügliche Beschwer der betreibenden Partei ist überdies nicht erkennbar.

Die von der betreibenden Partei zum Gegenstand ihres Eventualantrags auf Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs gemachte Frage, ob bei Anwendung des Art 54 Abs 2 EuGVÜ das innerstaatliche Gericht bei der Überprüfung der internationalen Zuständigkeit des Erstgerichts (gemeint offenbar Ursprungsgerichts) an die Zuständigkeitsfeststellungen des Erstgerichts (Ursprungsgerichts) gebunden ist, wenn der Gerichtsstand des Erfüllungsorts gemäß § 5 Z 1 EuGVÜ sich als lex causae auf das in beiden Ländern anzuwendende UN-Kaufrecht stützt, stellt sich im vorliegenden Fall nicht. Der von der betreibenden Partei gestellte Vollstreckbarerklärungs- und Exekutionsantrag war - wie oben dargelegt - mangels vollständiger Behauptungen zu den Voraussetzungen der angestrebten Vollstreckbarerklärung sowie Ausräumung nach dem Inhalt der vorgelegten Urkunden bestehender Identitätszweifel betreffend die verpflichtete Partei bei in diesem Verfahren unzulässiger Zwischenerledigung (Verbesserung) abzuweisen, ohne dass die von der betreibenden Partei aufgeworfene europarechtliche Frage geklärt hätte werden müssen. Im Übrigen ist auf die Unzulässigkeit eines Antrags - gestattet ist nur eine Anregung - auf Einholung einer Vorabentscheidung zu verweisen (SZ 68/89, SZ 70/262 uva, zuletzt 7 Ob 178/03g; RIS-Justiz RS0058452).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 EO iVm §§ 41 und 50 ZPO.

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