OGH 5Ob152/03v

OGH5Ob152/03v21.10.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerin S***** AG, *****, vertreten durch Univ. Doz. Mag. DDr. Ludwig Bittner, öffentlicher Notar, Amtsgasse 4, 2020 Hollabrunn, wegen Anmerkung eines Baurechts, infolge des Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom 22. April 2003, AZ 2 R 110/03h, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Villach vom 3. März 2003, TZ 1416/03, bestätigt wurde, nachstehenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Antragstellerin ist Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch *****.

Unter Vorlage des Baurechtsvertrages vom 18. 11./2. 12. 2002 begehrt die Antragstellerin, im Lastenblatt dieser Liegenschaft das Gesuch um Eintragung des Baurechts anzumerken, das Aufforderungsverfahren gemäß § 13 Abs 2 BauRG durchzuführen, das Baurecht sodann im Lastenblatt im Rang der Anmerkung des Baurechtes und das Vorkaufsrecht für die L***** GmbH einzuverleiben sowie unter gleichzeitiger Eröffnung einer Baurechtseinlage das Baurecht für die L***** GmbH zur Gänze einzuverleiben.

Der dem Antrag zugrunde liegende Baurechtsvertrag enthält in Punkt VIII Punkt 3 im Wesentlichen folgende Bestimmungen:

Die Baurechtsgeberin leistet Gewähr dafür bzw sichert zu, dass die Baurechtsliegenschaft tatsächlich und rechtlich für die vereinbarten Zwecke bebaubar ist, dass keine Gründe vorliegen, die eine wirtschaftlich sinnvolle Bebauung ausschließen oder erschweren, dass kein Ensemble-, Denkmal- oder Naturschutz vorliegt, dass die vertragsgegenständliche Liegenschaft keine Ablagerung von (näher bezeichneten) Abfällen aufweist, dass sich auf ihr nie Standorte von (näher beschriebenen) Anlagen befanden, dass die Liegenschaft keine Kontaminierungen aufweist, dass keine Altlast bekannt ist, dass (näher bezeichnete) Bestimmungen eingehalten wurden und keine (bestimmt bezeichneten) Verfahren eingeleitet oder bekannt sind. In all diesen Fällen sowie auch bei Vorliegen der in § 1117 ABGB genannten Gründe steht der Baurechtsnehmerin das Recht der fristlosen Auflösung des Baurechtsvertrags zu.

Für diesen Fall sowie für den Fall einer (unter Punkt V Abs 2) vereinbarten Rückübertragbarkeit des Baurechts an die Baurechtsgeberin, wenn erforderliche Widmungen, die grundverkehrsbehördliche Genehmigung, die Erlangung der rechtskräftigen Baubewilligung oder der tatsächliche Beginn des Bauvorhabens aus nicht ausschließlich von der Baurechtsnehmerin zu vertretenden Gründen nicht bis längstens 12 Monate nach Unterfertigung des Vertrages erfolgt bzw möglich ist, stehen der Baurechtsgeberin keine wie immer gearteten Ansprüche wegen Schadenersatz oder Nichterfüllung gegen die Baurechtsnehmerin zu.

Beide Vorinstanzen bewerteten die Vereinbarung der außerordentlichen Auflösungsmöglichkeit im Baurechtsvertrag als dem Verbot des § 4 Abs 1 BauRG widersprechende Vereinbarung, was zur Abweisung des Gesuchs gemäß § 94 Abs 1 Z 3 GBG zu führen habe.

Der Oberste Gerichtshof habe bereits erkannt (SZ 66/73 = EvBl 1994/25, 130), dass jede in einem Baurechtsvertrag vereinbarte, über den Tatbestand des § 4 Abs 2 BauRG hinausgehende Kündigungsmöglichkeit zunächst einmal als unzulässig zu betrachten sei und damit die Verbücherung des Baurechts verhindere. Die Beurteilung, ob die vereinbarten Kündigungsgründe das Gewicht des in § 4 Abs 2 BauRG normierten Erlöschungsgrundes erreichten, sei nur dem Streitrichter möglich.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es bestehe nämlich noch keine höchstgerichtliche Judikatur zur Frage, ob auch eine dem Baurechtsnehmer eingeräumte außerordentliche Kündigungsmöglichkeit des Vertrages bei vereinbarungswidrigem Verhalten des Baurechtsgebers gegen die Bestimmung des § 4 Abs 1 BauRG verstoße und insofern die grundbücherliche Eintragung des Baurechts hindere. Sämtlichen bisher ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidungen zur Frage der Wirksamkeit vorzeitiger Auflösungsmöglichkeiten des Baurechts sei gemeinsam gewesen, dass es sich um Kündigungs- oder Auflösungsrechte des Baurechts***** gehandelt habe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne einer Bewilligung der begehrten Grundbuchseintragung.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist aus den vom Rekursgericht bezeichneten Gründen zulässig.

Er ist jedoch nicht berechtigt.

Die Revisionsrekurswerberin hebt zunächst hervor, dass zufolge § 4 Abs 1 BauRG das Baurecht nur nicht durch eine auflösende Bedingung beschränkt werden könne, was der Vereinbarung einer fristlosen Auflösung des Baurechtsvertrags, also nicht mit dinglicher Wirkung und nicht ipso iure, sondern nur mit obligatorischer Wirkung, nicht entgegenstehe.

Selbst wenn man aber § 4 BauRG auf die Formulierung der im Vertrag vereinbarten Auflösungsmöglichkeiten anwende, sei wesentlich, dass § 4 BauRG keinesfalls dem Schutz des Liegenschaftseigentümers diene, sondern in erster Linie dem Schutz des Bauberechtigten. Der Schutz der Gläubiger des Bauberechtigten sei ohnedies durch § 8 BauRG gesichert.

Die herrschende Lehre (Oberhammer in Hofmeister/Rechberger/Zitta, Bauen auf fremdem Grund Rz 56 und 57; Schaffgotsch, Grundeigentum und Baurecht, 122 f) halte die Vereinbarung einer Kündigungsklausel bei grober Störung des Verhältnisses zwischen den Parteien für zulässig, jedenfalls grundbuchsrechtlich für unschädlich. Eine Auflösung aus wichtigem Grund vor Ablauf der bedungenen Zeit müsse nach dem allgemeinen Rechtssatz nicht nur dem Grundeigentümer, sondern auch dem Bauberechtigten zustehen.

Dem ist Folgendes zu entgegnen:

Dass nicht nur eine im Baurechtsvertrag vereinbarte auflösende Bedingung oder eine dieser gleichzuhaltende Vereinbarung eines unbestimmten Endtermins (vgl Klang in Klang² V 144), sondern auch vereinbarte Kündigungsmöglichkeiten (SZ 66/73) oder vertragliche Veräußerungsbeschränkungen, die ein Zuwiderhandeln gegen das Veräußerungsverbot mit dem Erlöschen des Baurechts sanktionieren (NZ 2000, 172), der zwingenden Bestimmung des § 4 BauRG zuwiderlaufen, entspricht höchstgerichtlicher Rechtsprechung. Dem schließt sich auch im Wesentlichen die Lehre an (vgl Hofmeister in NZ 1993, 280 f; Oberhammer aaO Rz 56; davor Klang aaO 144; vgl auch SZ 63/3).

Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob eine Auflösungs- oder Kündigungsvereinbarung aus wichtigem Grund zulässig ist, also aus Gründen, die nicht in § 4 Abs 2 BauRG genannt sind (zweijähriger Bauzinsrückstand). Dazu werden unterschiedliche Lehrmeinungen vertreten (vgl Schaffgotsch aaO, 118 mwN).

Der erkennende Senat hat in seiner Entscheidung SZ 66/73 dazu Stellung genommen und erkannt, dass jede in einem Baurechtsvertrag vereinbarte, über den Tatbestand des § 4 Abs 2 BauRG hinausgehende Kündigungsmöglichkeit zunächst einmal als unzulässig zu betrachten ist und damit die Verbücherung des Baurechts verhindert. Damit sei aber nicht gesagt, dass nicht wichtige Auflösungsgründe die Bestandsgarantie des § 4 BauRG beseitigen könnten. Ob vereinbarte Kündigungsgründe das Gewicht des in § 4 Abs 2 BauRG normierten Erlöschungsgrundes erreichten, könne jedoch nur vom Streitrichter beurteilt werden.

Als einer Verbücherung von vornherein nicht entgegenstehende Vereinbarung einer außerordentlichen Kündigungsmöglichkeit des Baurechtsvertrags kommt daher nur der Fall des § 4 Abs 2 BauRG in Betracht (SZ 63/3; SZ 66/73).

Ob allerdings die damit zum Ausdruck gebrachte Bestärkung der Bestandsgarantie des § 4 Abs 1 BauRG allein dem Vorteil des Baurechtsberechtigten dient, war bisher nicht Gegenstand höchstgerichtlicher Rechtsprechung. In der Lehre nimmt nur Schaffgotsch aaO, 123 dazu Stellung. Er hält dafür, dass der Bauberechtigte genausowenig wie er Grundeigentümer einfach kündigen könne. Eine solche Kündigungsmöglichkeit würde dem Baurechtsbesteller ohne seine Einwilligung das zugunsten der Pfandgläubiger zu erhaltende Eigentümerbaurecht aufdrängen. Diesfalls sei also auch der Schutz des Baurechtsbestellers zu beachten. Vor allem aber sei der Baurechtsvertrag ein Rechtsverhältnis auf bestimmte Zeit. Der Endigungsgrund sei also durch Zeitablauf und nicht durch Kündigung definiert. Aus wichtigem Grund, etwa aus Gründen des § 1117 ABGB stehe dem Bauberechtigten aber stets ein Auflösungsrecht zu. Allerdings hält Schaffgotsch die Vereinbarung einer vorzeitigen Kündbarkeit des Baurechtsvertrages durch den Bauberechtigten im Vertrag für zulässig. Auf diese einzige zur vorliegend zu entscheidenden Frage ergangene Lehrmeinung stützt sich der Revisionsrekurs.

Dazu ist zunächst festzuhalten, dass bei Entscheidung über die Verbücherungsfähigkeit eines Baurechts nach der dargestellten Rechtsprechung die Wirksamkeit von Kündigungs- oder Auflösungsvereinbarungen nicht vom Grundbuchsgericht zu prüfen ist, weil diese Fragen dem Streitrichter vorbehalten sind (vgl SZ 66/73). Für die Antragstellerin ist daher nichts aus dem Argument zu gewinnen, dass unter bestimmten Voraussetzungen eine vorzeitige Kündbarkeit des Baurechtsvertrags zulässig wäre. Dass dies der Fall ist, steht nicht in Zweifel (SZ 66/73).

Schaffgotsch (aaO) ist also darin zuzustimmen, dass grundsätzlich eine unterschiedliche Betrachtung der Kündigungsmöglichkeit des Baurechtsgebers und des Baurechtsnehmers nicht angebracht ist. Dagegen spricht auch die interessenneutrale Formulierung der in § 4 BauRG festgeschriebenen Bestandsicherung des Baurechts durch das Verbot einer auflösenden Bedingung (zu wessen Gunsten auch immer).

Das in der bisherigen Rechtsprechung bei Auslegung des § 4 BauRG aus Anlass der Prüfung von Auflösungs- oder Kündigungsvereinbarungen zugunsten des Baurechtsgebers mit den diesfalls im Vordergrund stehenden Interessen des Bauberechtigten (vgl Forchheimer, Das Baurecht 48 und FN 21 in 84) argumentiert wurde, ergab sich aus den entsprechenden Fallkonstellationen. Nichts spricht dagegen, auch Interessen des Rechtsgebers ins Kalkül zu ziehen, wenn eine Auslegung des § 4 BauRG infolge einer dem Baurechtsnehmer im Vertrag eingeräumten vorzeitigen Auflösungsmöglichkeit vorzunehmen ist. Unberechtigt ist die Annahme, der Bauberechtigte sei in der Regel der wirtschaftlich Schwächere, dem der Baurechtsbesteller vertragliche Auflösungsgründe diktieren könne. Beim Bauberechtigten handelt es sich vielmehr häufig um einen kapitalkräftigen Investor, der imstande ist, für eine nicht geringe Bausumme aufzukommen. Der Baurechtsbesteller hingegen kann ein Grundstückseigentümer sein, der sich um die Verwertung einer Liegenschaft bemüht und sich von daher nicht so leicht leisten kann, einen Investor mit überzogenen Forderungen zu vertreiben (vgl Schaffgotsch aaO, 122). Dazu kommt, dass im Fall der vorzeitigen Auflösung eines Baurechtsverhältnisses dem Liegenschaftseigentümer ein Eigentümerbaurecht aufgedrängt würde, das keineswegs in seinem Sinne liegen muss. Unter diesem Aspekt ist es nur konsequent, den Bestandrechtsschutz des § 4 BauRG auch dem Baurechtsgeber zugute kommen zu lassen, wenn eine Auslegung zum Zweck der Prüfung der Zulässigkeit vorzeitiger Auflösungsvereinbarungen durch den Baurechtsnehmer zu prüfen ist.

Als Ergebnis dieser Überlegungen gilt, dass auch die Zulässigkeit vorzeitiger Kündigungs- oder Auflösungsvereinbarungen zugunsten des Baurechtsnehmers mit dem Baurecht nur so weit vereinbar sind, als die vereinbarten Gründe an Gewicht den in § 4 Abs 2 BauRG normierten Erlöschungsgrund erreichen. Das ist aber, wie schon in SZ 66/73 ausgeführt, infolge der beschränkten Kognitionsmöglichkeiten im Grundbuchsverfahren nicht zu prüfen. Auch hier gilt, dass jede in einem Baurechtsvertrag vereinbarte über den Tatbestand des § 4 Abs 2 BauRG hinausgehende Kündigungsmöglichkeit, auch die des Baurechtsnehmers, zunächst einmal als unzulässig zu betrachten ist und damit die Verbücherung des Baurechts verhindert. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Auflösungsmöglichkeit als außerordentliche Kündigungsmöglichkeit oder wie hier als Recht der fristlosen Auflösung des Vertrages formuliert ist.

Es muss daher auf den Inhalt der unzähligen Auflösungsgründe, die praktisch sämtliche denkbare Gewährleistungsansprüche des Baurechtsnehmers sichern sollen, auch solche, die ohne weiteres in Geld bemessbar sind, nicht eingegangen werden, insbesondere nicht auf ihre Eignung als wesentliche Gründe im obigen Sinn.

Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.

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