OGH 11Os129/03

OGH11Os129/0320.10.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Oktober 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner und Dr. Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Proksch als Schriftführer, in der Strafsache gegen Jan S***** und einen anderen Beschuldigten wegen des Verdachtes des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall und 15 StGB, AZ 14 Ur 163/03p des Landesgerichtes für Strafsachen Graz, über die Grundrechtsbeschwerde des Jan Strauß gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Beschwerdegericht vom 29. August 2003, AZ 9 Bs 406, 407/03 (ON 116 des Strafaktes) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Jan S***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Im Rahmen gerichtlicher Vorerhebungen gegen unbekannte Täter im Zusammenhang mit diversen Teppichbetrügereien wurde gegen die staatenlosen, in der Bundesrepublik Deutschland wohnhaften Beschuldigten Roman A***** und Jan S***** mit Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 2. August 2003 (S 3 h vso/I) auf Antrag der Staatsanwaltschaft (S 3 h/I) die Voruntersuchung wegen "§§ 146 ff, zT 15 StGB" eingeleitet. Dem Antrag der Staatsanwaltschaft lag die Stellungsanzeige des Landesgendarmeriekommandos für Steiermark vom 1. August 2003 (ON 63) zugrunde, derzufolge Roman A***** und Jan S***** verdächtigt wurden, am 30. Juli 2003 in Bregenz die Pensionistin Eveline H***** um 25.000 EUR und in der Zeit vom 26. April bis 6. Mai 2003 in Graz den Pensionisten Adolf D***** um einen Betrag von 28.000 EUR jeweils unter dem Vorwand, damit Teppiche beim Zoll auszulösen, betrogen zu haben. Darüber hinaus wurden die beiden Beschuldigten dem Inhalt der Anzeige zufolge verdächtigt, "einer österreichweit agierenden Tätergruppe anzugehören, welche nach dem angeführten modus operandi gewerbsmäßig Teppichbetrügereien im gesamten Bundesgebiet begeht und damit ihren Lebensunterhalt bestreitet" (S 17/II). Zudem wurde ersichtlich auf ein weiteres zur Anzeige gebrachtes und zunächst anderen Beschuldigten angelastetes Betrugsfaktum (Herauslockung eines Betrages von 60.000 EUR zwischen 1. und 18. Februar 2003 in Graz zum Nachteil des Ferdinand G*****) und einen dieses Faktum betreffenden Aktenvermerk des Untersuchungsrichters vom 1. August 2003 (S 3h/I) Bezug genommen, wonach Jan S***** als einer der beiden Täter identifiziert worden sei.

Mit Beschluss vom 4. August 2003 wurde über die Beschuldigten wegen des (mit der Berufung auf die Anzeige des Landesgendarmeriekommandos für Steiermark vom 12. Mai 2003 nur unzureichend begründeten) dringenden Verdachtes, die drei konkret angeführten Betrugsdelikte und damit das Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall und 15 StGB begangen zu haben, die Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht-, Verabredungs- und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 1 und Abs 2 Z 1, 2 und 3 lit b StPO verhängt (ON 66) und mit Beschluss vom 13. August 2003 bis zum 13. September 2003 prolongiert, wobei Jan S***** im Fortsetzungsbeschluss nur mehr zum Betrugsfaktum G***** als dringend tatverdächtig bezeichnet wurde (ON 90). Der dagegen erhobenen Beschwerde des Beschuldigten S***** gab das Oberlandesgericht mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss nicht Folge. Zwar könne der vom Untersuchungsgericht angenommene dringende Verdacht der Täterschaft des Beschwerdeführers am Betrug zum Nachteil G*****s angesichts späterer Ermittlungsergebnisse nicht mehr begründet werden, doch liege ein solcher jedenfalls in Richtung einer Beteiligung des Beschuldigten als Mitglied an einer kriminellen Organisation nach § 278 Abs 1 StGB vor, der die Aufrechterhaltung der durch gelindere Mittel nicht substituierbaren Untersuchungshaft erfordere (ON 116).

Rechtliche Beurteilung

Mit seiner rechtzeitig erhobenen Grundrechtsbeschwerde, in welcher sich der Beschwerdeführer mit der eingehenden Begründung des dringenden Tatverdachtes nach § 278 Abs 1 StGB durch das Oberlandesgericht inhaltlich nicht auseinandersetzt, begründet Jan S***** die Verletzung des Grundrechtes auf persönliche Freiheit letztlich nur damit, dass wegen des Vergehens der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 und Abs 3 StGB eine gerichtliche Voruntersuchung weder eingeleitet noch beantragt worden sei und somit der weiteren Anhaltung des Beschuldigten in Untersuchungshaft die Rechtsgrundlage fehle.

Dabei übersieht er jedoch, dass der Anklagegrundsatz das Gericht nur hinsichtlich eines bestimmten (in der Vergangenheit gelegenen) Lebenssachverhalts, nicht aber bezüglich dessen rechtlicher Subsumtion durch den Ankläger bindet. In concreto lag dem Antrag der Staatsanwaltschaft Graz auf Einleitung der Voruntersuchung vom 2. August 2003 (S 3 h/I) das in der Anzeige des Landesgendarmeriekommandos für Steiermark vom 1. August 2003 (ON 63) beschriebene, eingangs wiedergegebene Tatgeschehen zu Grunde, damit auch, dass Jan S***** verdächtig sei, als Mitglied einer österreichweit agierenden Tätergruppe, die auf die Begehung gewerbsmäßiger Betrugshandlungen ausgerichtet gewesen sei, gewerbsmäßig mehrere Personen betrügerisch am Vermögen geschädigt zu haben. Weil das Oberlandesgericht von diesem Sachverhaltssubstrat, welches eine Beteiligung als Mitglied einer kriminellen Organisation nach § 278 Abs 1 und Abs 3 StGB indiziert, ausging, setzte es sich über den Einleitungsantrag der Anklagebehörde nicht im Tatsächlichen hinweg, sondern nahm lediglich in zulässiger Weise eine gegenüber der rechtlichen Beurteilung durch die Staatsanwaltschaft abweichende rechtliche Wertung vor.

Bei dieser Sach- und Rechtslage müssen sämtliche Beschwerdeeinwendungen ins Leere gehen.

Die Beschwerde war daher ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

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