OGH 7Ob238/03f

OGH7Ob238/03f15.10.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** KEG, *****, vertreten durch Dr. Hansjörg Vogl, Rechtsanwalt in Feldkirch, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch Czernich Hofstädter Guggenberger & Partner, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen EUR 36.000,-- (sA), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 11. August 2003, GZ 4 R 164/03d-11, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508 Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin, die ein Versicherungsmaklerunternehmen betreibt, schloss bei der Beklagten eine Berufshaftpflichtversicherung für Versicherungsmakler ab. Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Berufshaftpflichtversicherung von Versicherungsmaklern zugrunde, deren Art 6 ("Ausschlüsse vom Versicherungsschutz") Z 2 lit a wie folgt lautet:

Der Versicherungsschutz umfasst keine Schadenersatzverpflichtungen des Versicherungsnehmers

a) wegen Schadensstiftung durch wissentliches Abweichen von Gesetz, Vorschrift, Anweisung oder Bedingung des Machtgebers oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung.

Im Juli 1999 übernahm die Klägerin die Vertretung der Versicherungsinteressen der H***** GmbH (im Folgenden kurz Kundin genannt). Deren Geschäftsführer Heinrich H***** kam mit dem geschäftsführenden Gesellschafter der Klägerin Peter B***** überein, dass anstelle der bestehenden Versicherungsverträge der Kundin neue, für die Kundin vorteilhaftere abgeschlossen werden sollten. Keinesfalls aber sollte eine mit der A***** AG bestehende, im Vergleich zu Konkurrenzprodukten sehr gute Konditionen bietende Veranstaltungs-Ausfallversicherung gekündigt werden.

In der Folge wurde von einer, grundsätzlich mit solchen Aufgaben betrauten, Angestellten der Klägerin irrtümlich (weil ihr die betreffende Polizzennummer in das die Kündigung anderer Versicherungsverträge betreffende Schreiben "hineinrutschte") auch die Veranstaltungs-Ausfallversicherung bei der Allgemeinen *****versicherungs AG gekündigt, was sich, als man diesen Irrtum bemerkte, vom Geschäftsführer der Klägerin trotz diesbezüglicher Bemühungen nicht mehr rückgängig machen ließ.

Die Kundin, die bei einem anderen Versicherer (über Vermittlung der Klägerin, die dafür Provisionszahlungen von EUR 5.262,95 erhielt) eine teurere Veranstaltungs-Ausfallversicherung abschließen musste, nahm die Klägerin betreffend ihren dadurch erlittenen Schaden von EUR 72.144,02 (zuzüglich Zinsen) klagsweise in Anspruch und obsiegte. Die Klägerin musste den geforderten Betrag plus Zinsen bezahlen. Die angefallenen Prozesskosten von EUR 18.014,06 erhielt die Kundin von der Beklagten ersetzt.

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte die Klägerin von der Beklagten zuletzt (nachdem sie zunächst die Feststellung der Versicherungsdeckung begehrt hatte) aus der Berufshaftpflichtversicherung - aus prozessökonomischen Gründen, ohne auf den Restbetrag Verzicht zu leisten - eine Teilleistung von EUR 36.000,- -. Da die schadenauslösende Kündigung versehentlich erfolgt sei, habe die Beklagte Versicherungsschutz zu gewähren.

Die Beklagte wendete ein, gemäß Art 6 Z 2 lit a der Allgemeinen Bedingungen für die Berufshaftpflichtversicherung von Versicherungsmaklern leistungsfrei zu sein, weil die Kündigung wissentlich erfolgt sei. Dafür genüge es, dass der Versicherungsnehmer die Pflichtenverletzung gekannt habe und diese für den Schaden ursächlich gewesen sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Für "wissentliche Abweichungen" iSd Art 6 Z 2 lit a der Allgemeinen Bedingungen für die Berufshaftpflichtversicherung von Versicherungsmaklern werde vorsätzliches Handeln nicht gefordert. Es genüge die Kenntnis des Umstandes, dass das Verhalten von Gesetz, Vorschrift etc abweiche und für die Schadensstiftung kausal gewesen sei. Die betreffende Angestellte der Klägerin habe im Kündigungsschreiben die Polizzennummer der Veranstaltungs-Ausfallversicherung versehentlich angeführt. Der Geschäftsführer der Klägerin habe dieses Schreiben zwar auf Grund eines Organisationsverschuldens, das als grob fahrlässig eingestuft werden müsse, nicht mehr kontrolliert, wodurch es ihm jedoch an der Kenntnis des Umstandes fehlte, dass die Kündigung von der dezidierten Anweisung der Kundin, die Veranstaltungs-Ausfallversicherung keinesfalls zu kündigen, abgewichen sei. Die Beklagte könne sich daher nicht auf den geltend gemachten Ausschluss vom Versicherungsschutz berufen. Der Schaden der Klägerin werde durch die aus dem schadensstiftenden Verhalten lukrierte Provision gemindert. Auch nach Abzug der Provision verbleibe aber ein weit über den geltend gemachten Betrag von EUR 36.000,-- hinausgehender Schaden, sodass dem Klagebegehren zur Gänze stattzugeben sei.

Das von der Klägerin angerufene Berufungsgericht teilte die Rechtsansichten des Erstgerichtes und bestätigte daher dessen Entscheidung. Nachdem feststehe, dass der Geschäftsführer der Klägerin in der (der Angestellten mit dem Auftrag, die angekreuzten Versicherungsverträge zu kündigen, übergebenen) Polizzenaufstellung die Veranstaltungs-Ausfallversicherung nicht als zu kündigenden Vertrag anzeichnete, habe er nicht gegen die Anweisung der Kundin verstoßen. Ob sich die Klägerin die Handlungen ihrer das Kündigungsschreiben verfassenden Angestellten zurechnen lassen müsse oder nicht, sei daher "rein theoretischer Natur", weil ein wissentliches Abweichen iS eines bewussten Verstoßes gegen die Anweisungen des Auftraggebers auch seitens der Angestellten nicht vorgelegen sei. Art 6 Z 2 lit a der in Rede stehenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen sei ein verhaltensabhängiger Risikoausschlusstatbestand, der sich allein auf das Handeln oder Unterlassen des Versicherungsnehmers bzw der für ihn handelnden Personen beziehe; es handle sich nicht um einen Obliegenheitsverletzungstatbestand, dessen Verwirklichung zur Leistungsfreiheit des Versicherers führe. Die Erfüllung eines Risikoausschlusses sei grundsätzlich von der Versicherungsunternehmung nachzuweisen. Dies - nämlich der Beweis des Risikoausschlusstatbestandes des Art 6 Z 2 lit a der dem gegenständlichen Versicherungsvertrag zugrundeliegenden Bedingungen durch wissentliches Abweichen von Anweisungen des Machtgebers oder eine sonstige wissentliche Pflichtverletzung - sei der Beklagten nicht gelungen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil es sich bei den zu lösenden Rechtsfragen an einer einhelligen, durch Entscheidungszitate belegten höchstgerichtlichen Judikatur orientieren habe können.

In der Zulassungsbeschwerde ihrer außerordentlichen Revision macht die beklagte Partei geltend, das Berufungsgericht weiche in der Auslegung des Art 6 Z 2 lit a der Bedingungen für die Berufshaftpflicht von Versicherungsmaklern von den in 7 Ob 134/98a und 7 Ob 3/92 dargelegten Grundsätzen ab, indem es subjektive Tatbestandselemente fordere, die in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung keine Deckung fänden. Auch gebe es zur Frage, inwieweit Handlungen von Personen im Betrieb des Versicherungsnehmers, die für sich genommenen Risikoausschlusstatbestände verwirklichen, für oder gegen den Versicherungsnehmer wirkten, noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung.

Die Revisionswerberin vermag damit eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO bzw einen tauglichen Grund für die Zulassung der Revision nicht aufzuzeigen.

Rechtliche Beurteilung

In den erwähnten Entscheidungen 7 Ob 3/92 (= RdW 1992, 274 = VR 1992, 260 = AnwBl 1993, 195) und 7 Ob 134/98a war die mit der gegenständlichen Bedingung Art 6 Z 2 lit a im Wesentlichen wortgleiche Bestimmung des Art 4 I Z 3 der Allgemeinen Bedingungen zur Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden (AVBV 1951) auszulegen. Der Oberste Gerichtshof hat dazu ausgeführt, dass - gemessen am Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers, auf das bei der Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen abzustellen ist (RdW 1989, 329; SZ 67/180 uva) - ein wissentliches Abweichen von Gesetz, Anweisung des Machtgebers etc bzw eine sonstige wissentliche Pflichtverletzung im Sinne dieser Bestimmung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen, die zum Ausschluss des Versicherungsschutzes führt, bei Bewusstsein der Rechtswidrigkeit der Handlungsweise vorliegt. Es bedarf also keines vorsätzlichen Vorgehens, sondern es genügt die Kenntnis des Umstandes, dass das Verhalten von Gesetz, Vorschrift etc abweicht und dass der Pflichtverstoß für den Schaden ursächlich war (vgl SZ 67/180 mwN; Prölss/Martin VVG26 AVB Vermögen § 4 Rz 13 mwN).

Inwiefern die Entscheidung des Berufungsgerichtes mit diesen Grundsätzen - wie die Revisionswerberin meint - im Widerspruch stehen soll, ist nicht zu erkennen. Nach den vom Erstgericht getroffenen und vom Berufungsgericht gebilligten Feststellungen kann keineswegs davon ausgegangen werden, dass die klagende Versicherungsnehmerin ihre Pflichtverletzung (Abweichen von der Anweisung ihrer Kundin) positiv gekannt hätte, ihr also die Rechtswidrigkeit der Handlungsweise bewusst gewesen wäre. Da die Entscheidung des Berufungsgerichtes sohin mit der zitierten oberstgerichtlichen Judikatur im Einklang steht, liegt der behauptete Zulassungsgrund nicht vor.

Weil die betreffende Angestellte der Klägerin, wie die Vorinstanzen ausdrücklich festgestellt haben, die gegenständliche Kündigung irrtümlich vorgenommen hat und demnach ebenso keineswegs wissentlich von der Anweisung der Machtgeberin der Klägerin abgewichen ist, muss die Frage, ob eine wissentliche Pflichtverletzung einer Angestellten der Versicherungsnehmerin dieser zuzurechnen wäre oder ob, wenn die Versicherungsnehmerin - wie hier - eine juristische Person ist, eine Zurechnung nur über die Figur eines Organes zu bejahen wäre (vgl Baumann in BK Rn 8 zu § 152 VVG), wie schon das Berufungsgericht zutreffend betont hat, hier nicht diskutiert werden. Die von der Revisionswerberin in diesem Zusammenhang noch für erheblich erachtete Rechtsfrage stellt sich daher gar nicht.

Deshalb und da die Beklagte auch sonst keine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO genannten Bedeutung aufzuzeigen vermag, ist die Revision unzulässig.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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