OGH 9ObA110/03x

OGH9ObA110/03x8.10.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hradil und Univ. Doz. Dr. Bydlinski sowie durch die fachkundigen Laienrichter Prof. Mag. Dr. Günther Schön und Gottfried Winkler als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. Karl P*****, vertreten durch Mag. Helmut Holzer und Mag. Wolfgang Kofler, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wider die beklagte Partei A***** Krankenhaus *****, vertreten durch Dr. Erich Moser, Rechtsanwalt in Murau, wegen EUR 99.335,90 sA, infolge ordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. April 2003, GZ 8 Ra 18/03h-10, mit dem das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 19. November 2002, GZ 35 Cga 181/02d-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.924,92 (darin EUR 320,82 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Jedes Rechtsmittel stellt eine in sich geschlossene selbständige Prozesshandlung dar, die - jedenfalls im streitigen Verfahren - durch eine Bezugnahme auf den Inhalt anderer Schriftsätze nicht ergänzt werden kann (1 Ob 236/01i). Es ist nicht zulässig, sich bei Ausführung einer Revision mit dem Hinweis auf Ausführungen in einem anderen Schriftsatz zu begnügen (RIS-Justiz RS0043616). Verweisungen in der Revision auf den Inhalt der Berufungsschrift sind für den Obersten Gerichtshof unbeachtlich (RIS-Justiz RS0043579).

2. Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers stellt die Frage, ob ihm als Primararzt die Stellung eines "leitenden Angestellten" (richtig: leitenden Dienstnehmers) im Sinne des § 1 Abs 3 KA-AZG zukam, keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar.

Auch wenn zu dieser Bestimmung keine höchstgerichtliche Judikatur vorliegt - das Gesetz trat erst am 1. 1. 1997 in Kraft -, erscheint es evident, dass die Begriffsbestimmung nach den selben Kriterien wie zu § 1 Abs 2 Z 8 AZG vorzunehmen ist (so ausdrücklich auch die EB zum RV, 386 BlgNR 20. GP, 9, die allerdings unrichtig auf "§ 2 Abs 1 Z 8 AZG" verweisen), der vor Inkrafttreten des KA-AZG auch für Dienstnehmer in Krankenanstalten Anwendung fand. Die für den vorliegenden Fall einschlägige Vorschrift des KA-AZG ist mit jener des AZG - mit Ausnahme des Begriffs "leitende Dienstnehmer/innen" anstelle des Begriffs "leitende Angestellte" - inhaltsgleich; Anhaltspunkt dafür, dass mit der Sonderregelung für Krankenhausbedienstete auch im Zusammenhang mit der Definition des "leitenden Angestellten bzw Dienstnehmers" sachlich etwas geändert werden sollte, bestehen nicht und werden auch vom Revisionswerber nicht aufgezeigt.

Zur Begriffsbestimmung des "leitenden Angestellten" im Bereich des Arbeitszeitrechts hat der Oberste Gerichtshof - auch in Abgrenzung zur Regelung des § 36 Abs 2 Z 3 ArbVG - im Falle eines Leiters der chirurgischen Abteilung eines Krankenhauses dargelegt, dass die Ausnahme des § 1 Abs 2 Z 8 AZG dahin begründet ist, dass der Aufgabenbereich leitender Angestellter eine Bindung an fixe Arbeitszeitgrenzen und an die Arbeitszeitverteilung des AZG kaum zulässt, sowie dass sich diese Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit weitgehend selbst einteilen können und gewöhnlich ein überdurchschnittliches Entgelt beziehen (9 ObA 146/93 = ecolex 1994, 162 = Wbl 1994, 162 = DRdA 1994, 332 mit Anmerkung von Eypeltauer). Auch ein Kinderfacharzt, der (wie ein Primar) mit der eigenverantwortlichen und selbständigen Leitung einer Fachabteilung betraut war und somit maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich zu besorgen hatte, wurde als leitender Angestellter im Sinne des § 1 Abs 2 Z 8 AZG qualifiziert (9 ObA 259/89).

Diese Erwägungen sind auch auf die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 3 KA-AZG zu übertragen. Dass die vertragliche Rechtsstellung des Klägers in für das Arbeitszeitrecht maßgeblichen Punkten von der üblichen Stellung von Primarärzten in Krankenanstalten erheblich abgewichen wäre, hat der Kläger im Verfahren erster Instanz nicht behauptet. Das Vorbringen, es sei vorgekommen, dass der Verwaltungsdirektor des Krankenhauses vom Kläger gewünschte Dienste anderes verteilt und somit in dessen Arbeitszeitgestaltung eingegriffen habe, ist schon deshalb ohne Belang, weil er selbst behauptet, er habe während des gesamten Beschäftigungsverhältnisses "umfangreiche Überstundenleistungen" erbracht. Damit ist gerade jenes Kriterium erfüllt, dass der Aufgabenbereich leitender Dienstnehmer typischerweise eine Bindung an fixe Arbeitszeitgrenzen und an die Arbeitszeitverteilung des AZG bzw des KA-AZG nicht zulässt. Auch davon, dass dem Kläger keine maßgeblichen Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen worden wären, kann entgegen seiner Auffassung nicht die Rede sein, zumal im Dienstvertrag festgelegt wurde, dass er in medizinisch-fachlichen Belangen ... auftrag- und weisungsungebunden bleibt und in dieser Abteilung auch Turnusärzte auszubilden sind. Damit weicht der Tätigkeitsbereich des Klägers aber keineswegs in erheblicher Weise von dem der Mehrzahl anderer Primarärzte ab, die regelmäßig als "leitende Dienstnehmer/innen, denen maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen sind". Gerade im ärztlichen Bereich können sich diese Führungsaufgaben auch primär auf den fachlichen Bereich beziehen und müssen nicht unbedingt eine darüber hinaus gehende dienstrechtliche Personalhoheit beinhalten (vgl dazu auch Stärker, Sind Primarärzte leitende Dienstnehmer? RdM 1998, 67 ff).

3. Es trifft zu, dass nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes auch leitende Dienstnehmer - die an sich aus dem gesamten Anwendungsbereich des AZG bzw des KA-AZG herausfallen - Anspruch auf Überstundenentlohnung haben können, und zwar dann, wenn der Einzelarbeitsvertrag - oder ein anzuwendender Kollektivvertrag - Derartiges vorsieht (SZ 65/93, DRdA 1993, 463, RIS-Justiz RS0051261). Das Vorliegen einer solchen Vereinbarungen hat der Kläger im Verfahren erster Instanz jedoch nicht behauptet. Er hat weder - wie nun in der Revision - vorgebracht, das vereinbart worden wäre, dass auf das Arbeitsverhältnis die Bestimmungen des Vertragsbedienstetengesetz 1948 "in der derzeitig geltenden Fassung" analog anzuwenden sind, noch dass sich eine derartige Vertragsklausel auch auf seine Entgeltansprüche beziehen und die vertragliche Entgeltregelung in Punkt 9 des Dienstvertrags insoweit nicht abschließend sein sollte. Gegen eine solche Auslegung spricht im Übrigen auch die Tatsache, dass der Kläger unstrittigermaßen in einem Zeitraum von mehr als 22 Jahren niemals Überstundenentgelt erhalten hat, obwohl er selbst behauptet, während des gesamten Beschäftigungsverhältnisses umfangreiche Überstundenleistungen erbracht zu haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50 Abs 1 und 41 Abs 1 ZPO; die beklagte Partei hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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