OGH 11Os108/03

OGH11Os108/037.10.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Oktober 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Schwab als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Dokalik als Schriftführer, in der Strafsache gegen Peter S***** und Walter Sch***** sowie einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der namentlich genannten Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft Graz gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 8. April 2003, GZ 10 Hv 45/03a-71, nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Den Angeklagten S***** und Sch***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil - das auch die unangefochtenen in Rechtskraft erwachsene Bestrafung des Mitangeklagten Gerald Sche***** enthält - wurden Peter S***** und Friedrich Sch***** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB (S***** teilweise in der Entwicklungsstufe des Versuches - § 15 StGB) und des Vergehens (richtig: der Vergehen) der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 1 StGB (Angeklagter Sch*****) und § 223 Abs 2 StGB (Angeklagter S*****) schuldig erkannt. Danach haben sie in Graz in jeweils mehreren Angriffen

I. mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich unrechtmäßig zu bereichern und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, andere, nämlich Bedienstete der Österreichischen Post AG, durch das Vortäuschen, die diesem zum Weitertransport übergebenen Postsendungen seien bereits vergebührt worden, sohin durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen, nämlich der Entgegennahme und unvergebührten Weiterbeförderung der Postsendungen verleitet, die die Post AG in einem 40.000,- EUR übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten, indem

1. Peter S***** und Friedrich Sch***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als unmittelbare Täter über den Zeitraum Juni 2000 bis Oktober 2001 unvergebührte Postsendungen zu solchen Zeitpunkten und an der Vergebührungsstelle vorbei an solchen Orten des Bahnpostamtes 8020 Graz abstellten, dass es den mit der Verladung der Poststücke befassten Bediensteten nicht auffiel, wenn einzelne dort abgestellte Poststücke nicht vergebührt waren und diese ohne Kontrolle der Weiterbeförderung zuführten (Schaden rund 3,8 Mio ATS, entspricht 278.870,- EUR),

2. Peter S***** als unmittelbarer Täter und Gerald Sche***** als Beitragstäter über den Zeitraum Oktober/November 2001 bis 9. Juli 2002 unvergebührte Postsendungen, welche über Auftrag des Peter S*****, teilweise auch unter seiner persönlichen Mitwirkung, zum Bahnpostamt 8020 Graz verbracht worden waren, vom dort beschäftigten Postbeamten Gerald Sche***** entgegen genommen und an der Vergebührungsstelle vorbei geschleust wurden (Schaden rund 1,147.000,- ATS, entspricht 83.370,- EUR), wobei es hinsichtlich der letzten Tathandlung am 9. Juli 2002 (intendierter Schaden 4.687,50 EUR) durch Betretung der Täter beim Versuch blieb;

II. jeweils eine nicht näher bekannte Anzahl falscher Urkunden

1. Friedrich Sch***** über den Zeitraum Juni 2000 bis Oktober 2001 mit dem Vorsatz hergestellt, dass diese im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache gebraucht werden sowie

2. Peter S***** über den Zeitraum Juni 2000 bis Juni 2002 im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache gebraucht,

indem sie von der Österreichischen Post AG über vereinnahmte Postgebühren zur Beförderung von Massensendungen ausgestellte Rechnungen einscannten, die Rechnungsbeträge auf den eingescannten Rechnungen derart veränderten, dass dadurch der buchmäßige Ausgleich des "Porto-Durchlaufkontos" annähernd erreicht wurde und Peter S***** diese, teils von ihm, teils von Friedrich Sch***** gefälschten Belege in die Buchhaltung aufnahm, um die zu I. geschilderten Tathandlungen zu verschleiern.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von den Angeklagten erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden (Peter S***** aus § 281 Abs 1 Z 10, hilfsweise auch Z 9 [lit] a StPO; Friedrich Sch***** aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 9 [lit] a StPO) schlagen fehl.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Peter S*****:

Dieser Nichtigkeitswerber versucht eine [gemeint bloß unechte] Idealkonkurrenz der Urkundendelikte mit dem Betrug darzustellen und fordert "Freispruch bzw" eine Subsumtion unter § 147 Abs 1 Z 1 StGB (statt unter § 223 StGB). Der mit Blick auf § 282 StPO gebotene Vergleich der Strafdrohungen erweist das angestrebte Ergebnis als nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers ausschlagend und fehlt es diesem somit an der Rügelegitimation (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 654 f, § 282 Rz 17; vgl 15 Os 130/02). Überdies geht er prozessordnungswidrig nicht von den den Schuldspruch tragenden Konstatierungen (Bestimmung der verfälschten Rechnungen nicht als Täuschungsmittel für den Betrug, sondern vielmehr zur Verschleierung nach dessen Vollendung - US 20, 21), sondern einem "schweren Betrug nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 und auch § 147 Abs 1 Z 1" StGB aus. Eine zur meritorischen Behandlung geeignete deutliche und bestimmte Bezeichnung materiellrechtlicher Nichtigkeit - was den Vergleich des Urteiles in seiner Gesamtheit mit dem darauf angewendeten Gesetz und die darauf gestützte Behauptung eines Rechtsirrtums voraussetzt - wird solcherart nicht erreicht.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Friedrich Sch*****:

Mit Verfahrensrüge (Z 4) moniert dieser Angeklagte die Abweisung seines Antrages auf Vernehmung der Zeugen Alfred U***** und Martin G***** (S 405, 406/II). Zu Unrecht: Ob sich im Büro der PMS (des Einzelunternehmens Post Mail Service des Peter S*****) ein Thermostreifendrucker befand, ist unerheblich, weil nur die Eingangsrechnungen der Post aus einem solchem Gerät stammten (vgl S 391/II), nie jedoch in Rede stand, dass (auch) die angelasteten verfälschten Rechnungen (Schuldspruch II) auf einem derartigen Gerät ausgedruckt wurden. Warum die genannten Zeugen Wahrnehmungen wiedergeben können sollen, dass es während ihrer Anwesenheit zu keiner Geldübergabe des Angeklagten S***** an den Angeklagten Sch***** gekommen sei, bleibt der Nichtigkeitswerber prozessordnungswidrig darzulegen schuldig (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 327, 330), zumal der Angeklagte S***** deponierte (S 402/II), dass bei den Geldübergaben an Sch***** nie jemand gegenwärtig gewesen sei. Der Vollständigkeit halber sei darauf verwiesen, dass der Zeuge U***** im Vorverfahren unter anderem ausgesagt hatte (S 583/I), S***** und Sch***** seien immer wieder auch nach Beendigung seiner Arbeitszeit [allein] im Büro gewesen. Ein Zeuge Martin G***** kommt in den Akten nicht vor, falls damit die Zeugin Margit G***** gemeint gewesen wäre, gilt für sie entsprechendes, war sie doch bloß Halbtagskraft (S 265, 278/I).

Die Mängelrüge (Z 5) verfällt inhaltlich durchgehend in den Fehler, die Beweiskraft einzelner Beweismittel, sohin die Beweiswürdigung in ihrem Kern nach Art einer dem kollegialgerichtlichen Verfahren fremden Berufung wegen Schuld zu thematisieren (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5 E 1) und lässt solcherart eine gesetzmäßige Darstellung der behaupteten formellen Nichtigkeit vermissen.

Dem Vorwurf unzureichender Begründung zum Schuldspruch I. 1. genügt der Hinweis auf US 29 bis 31, woraus klar erhellt, dass die Tatrichter die den Angeklagten Sch***** belastenden Feststellungen teils auf dessen eigene (wenngleich leugnende, jedoch widersprüchliche), schwergewichtig aber auf die Einlassung des Mittäterschaft deponierenden Angeklagten S***** stützten. Der Schuldspruch zu II. 1. wiederum wurde - den Rechtsmittelausführungen zuwider - formell unbedenklich ebenso mit dem Geständnis des Peter S***** begründet (US 31 iVm 20); überdies hatte der Beschwerdeführer selbst zugestanden, er habe die Rechnungen an die Kunden der PMS geschrieben (US 391/II).

Soweit der Nichtigkeitswerber einen Widerspruch der erstgerichtlichen Feststellungen mit den Einlassungen der Angeklagten rügt, geht er am Gesetz vorbei, das nur einen inneren Widerspruch im Urteil selbst als Nichtigkeit ansieht (Foregger/Fabritzy StPO8 § 281 Rz 45). Überdies sind die Angaben des Angeklagten S***** über seine eigene Verantwortlichkeit ohne Verstoß der Denkgesetze mit seiner Belastung des Angeklagten Sch***** vereinbar (S 380 ff/I), zumal dieser selbst die (wenngleich nach seiner Darstellung nicht fraudolose) Abgabe von Postsendungen zugestand. Der genaue Tageszeitpunkt dieser Handlungen ist - schon im Hinblick auf die einen Zeitraum ansprechende Formulierung im Ersturteil (US 10) - keine entscheidende Tatsache; der Rechtsmittelwerber selbst räumte ein, vor und nach 18 Uhr Postsendungen abgegeben zu haben (S 204/I).

Die Rüge der Aktenwidrigkeit einer Feststellung ist grundsätzlich verfehlt (Ratz aaO Rz 468; 11 Os 77/03). Die übrigen Ausführungen zu zwei vom Erstgericht als Forderungen des Angeklagten Sch***** gegen seinen Mittäter nach seinem "Anteil" eingeschätzte Urkunden (S 299, 301/I) sind reine Bekämpfung der Beweiswürdigung des Schöffensenates nach Art einer nur im einzelrichterlichen Verfahren zulässigen Berufung wegen Schuld ("lebensfremde, ja gar denkunmögliche Interpretationen"). Ob und wieviel der Angeklagte Sch***** aus den Malversationen für sich lukrieren konnte (und allenfalls für den Bau seines Hauses verwendete) tangiert den Tatbestand des Betruges nicht. Auch unter dem Gesichtspunkt der Z 5a vermag die Baukostenaufstellung (Beilagen ./II bis ./IV zum Hv-Protokoll ON 70) keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruches über entscheidende Tatsachen erwecken, weil durch die vorgelegten Urkunden keine Aussage über die sonstige Lebensführung des Nichtigkeitswerbers getroffen werden kann. Die kritische Erörterung der Erwägungen der Tatrichter dazu und die darauf gegründete Behauptung, "bei lebensnaher und gewissenhafter Würdigung dieser Urkunden hätten richtigerweise nicht die daraus gezogenen Feststellungen getroffen werden können", bekämpft die Beweiswürdigung nach Art einer durch den angezogenen formellen Nichtigkeitsgrund gerade nicht eröffneten Berufung wegen Schuld (Mayerhofer aaO § 281 Z 5a E 3, 4). Der Aufklärungsrüge hinsichtlich der Unterlassung einer Untersuchung der Urkunde S 301/I durch einen "grafologischen" (gemeint: schriftkundlichen) Sachverständigen steht entgegen, dass diese Urkunde - dem Beschwerdevorbringen zuwider - keinerlei handschriftliche Zeichen enthält, die Gegenstand der reklamierten Untersuchung hätten sein können.

Der Vorwurf "unvertretbaren Ermessensfehlgebrauches" hinsichtlich des Urteilsspruches II. lässt die an der Gesamtheit der beweiswürdigenden Erwägungen gemessene Bezugnahme auf konkrete Beweismittel vermissen (Ratz aaO Rz 487); schon in der Erledigung der Verfahrensrüge ist ersichtlich, dass nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens die ursprünglichen Rechnungen der Post, nicht aber deren Verfälschungen auf einem Thermostreifendrucker verfertigt wurden. Die Nichtverfügbarkeit eines Scanners stellt eine - im Widerspruch etwa zur Einlassung des Angeklagten S***** (S 381/II) stehende - Mutmaßung des Rechtsmittelwerbers dar. Schließlich ist unter diesem Gesichtspunkt auch die erstgerichtliche Beweiswürdigungpassage (US 29) unbedenklich, der Angeklagte Sch***** musste - um dem Postbeamten W***** gegenüber Verdachtsmomente zu den Taten des Schuldspruches I.

2. mitteilen zu können - von den früheren Umgehungen der Vergebührung Kenntnis gehabt haben. Der Zeuge W***** gab nämlich - neuerlich dem Rechtsmittel zuwider - an, Sch***** habe zwar nur Verdachtsmomente, aber jedenfalls in Richtung unverrechneter Transporte geäußert (S 395/II), was aus bloßen "Nachtfahrten" keineswegs zwingend folgt. Die eine Feststellung des Bereicherungsvorsatzes vermissende Rechtsrüge (Z 9 [lit] a) ist auf US 10 zu verweisen, wonach sich der Angeklagte Sch***** von der Idee des Angeklagten S*****, Massen- und Werbesendungen von der Post verschicken zu lassen, ohne hiefür die vorgeschriebene Gebühr am Großaufgabeschalter zu bezahlen, sehr angetan zeigte, zumal er zusätzliches Geld gut gebrauchen konnte. Damit wird hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass die Tatrichter vom Vorsatz unrechtmäßiger - weil durch Ersparung vorgeschriebener Gebühr erzielter - Bereicherung ausgingen. Soweit der Nichtigkeitswerber - nach Art einer Mängelrüge - den Schluss darauf wegen einer nicht festgestellten Gewinnbeteiligung zwischen den Angeklagten kritisiert, spricht er keine entscheidende Tatsache an, weil der Bereicherungsvorsatz unabhängig von einem tatsächlich erzielten Gewinn ist (Leukauf/Steininger Komm3 § 127 RN 54).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt, teils als offenbar unbegründet (§§ 285a Z 2, 285d Abs 1 Z 1, Z 2 StPO) bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen, woraus sich die Zuständigkeit des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Erledigung der unter einem erhobenen Berufungen ergibt (§ 285i StPO). Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.

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