Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 1. April 2003, GZ 24 C 1126/01p-21, unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
Text
Begründung
Mit Urteil vom 1. April 2003, GZ 24 C 1126/01p-21, wies das Erstgericht das gesamte Klagebegehren ab und legte der klagenden Partei die Verfahrenskosten zur Zahlung auf. Am 7. April 2003 wurde das Urteil in der zuständigen Geschäftsabteilung des Erstgerichtes abgefertigt. Zur Post gegeben wurde es hinsichtlich des Klagevertreters am 11. April 2003 hinsichtlich des Beklagtenvertreters am 8. 4. 2003. Das ergibt sich aus den dem Originalurteil angehefteten Zustellausweisen, insbesondere dem Stampiglienaufdruck des Bezirksgerichtes Klagenfurt samt entsprechendem Aufdruck des Aufgabepostamts. Während dem Beklagtenvertreter das Urteil am 9. April 2003 zugestellt wurde, wurde dem Klagevertreter das Urteil erster Instanz am 14. April 2003 zugestellt. Der 11. April 2003 war ein Freitag, an dem Silvia M***** in der Kanzlei des Klagevertreters mit der Übernahme der Post, Ausstellung der Übernahmebestätigungen auf Rückscheinen und Eintragung sämtlicher Fristen befasst war. Sie unterfertigt mit ihrer Paraphe "M".
In der Woche ab 14. April (Karwoche) war Silvia M***** urlaubsbedingt abwesend, Frau Tanya W***** erledigte daher am 14. April 2003 die Übernahme der Post und die Eintragung aller Fristen im Fristenbuch. Ihr unterlief der Fehler, bei Bestätigung der Übernahme des verfahrensgegenständlichen Ersturteils den Poststempel vom letzten Werktag, nämlich dem 11. 4. 2003, zu verwenden, sodass dieser Rückschein am 14. April 2003 vom Zustellpostamt an das Erstgericht zurückgeschickt wurde und die Eingangsstampiglie 11. April 2003 unkorrigiert aufwies, dies mit der Unterschrift der Frau W*****.
Das Urteil wurde von ihr mit dem Eingangsvermerk 14. April 2003 versehen und als Berufungsfrist der 12. 5. vorgemerkt.
Diese Diskrepanz fiel niemandem auf, sodass auch bei Fristüberprüfung anlässlich der Erstattung der Berufung am 12. Mai 2003 in der Kanzlei des Klagevertreters die Berufung rechtzeitig erschien. An diesem Tag wurde die Berufung bei der Einlaufstelle des Erstgerichtes abgegeben. Die Berufung enthält gleich im ersten Satz die Ausführung, dass dem Klagevertreter das Urteil am 14. 4. 2003 zugestellt wurde.
Aufgrund des Akteninhalts, nämlich der Originalzustellscheine, gelangte das Berufungsgericht zur Ansicht, die Berufung sei verspätet, weil - ausgehend vom Originalzustellschein - die Zustellung am 11. 4. 2003 erfolgt sei und damit der Fristablauf mit 9. 5. 2003 bewirkt worden sei. Das Berufungsgericht wies daher die Berufung zurück.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der klagenden Partei, der zufolge § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässig ist. Er ist auch berechtigt.
Der Rechtssatz, dass ein Rechtsmittel bis zur sicheren Widerlegung von Zweifeln die Vermutung der Rechtzeitigkeit für sich habe (EvBl 1974/30 ua), kann nicht auf jene Fälle angewendet werden, in denen eine öffentliche Urkunde, hier ein Rückschein (vgl hiezu Fasching III, 364) vorliegt, der zunächst vollen Beweis ausmacht. In solchen Fällen muss der Rechtsmittelwerber den Gegenbeweis im Sinn des § 292 Abs 2 ZPO antreten (5 Ob 113/02y). Ausführungen im Rekurs über die Rechtzeitigkeit eines als verspätet zurückgewiesenen Schriftsatzes verstoßen dabei nicht gegen das auch im Rekursverfahren sonst geltende Neuerungsverbot (RZ 1964, 139).
Im vorliegenden Fall wurden zwar die dafür notwendigen Erhebungen vom Erstgericht vor Vorlage des Rechtsmittels an den Obersten Gerichtshof nicht vorgenommen, doch konnten aus den im (unerledigten) Wiedereinsetzungsantrag vom 29. Juli 2003 erliegenden eidesstättigen Erklärungen und der der klagenden Partei zugestellten Ausfertigung des Ersturteils samt Eingangs- und Fristvermerk sowie aus den Originalrückscheinen auf der Rückseite des Ersturteils die oben getroffenen Feststellungen gewonnen werden. Zur Unterstützung der Aussage der Angestellten des Klagevertreters diente vor allem der auf dem Originalrückschein gerade noch erkennbare Aufgabepostamtsstempel mit 11. 4. 2003. Es ist daher durchaus nachvollziehbar und schlüssig, dass nicht am selben Tag das Poststück in der Kanzlei des Klagevertreters eingegangen sein konnte. Der Stempel des Zustellpostamtes trägt üblicherweise dasselbe Datum wie jenes der Zustellung. Auch das weist auf den 14. 4. 2003 hin.
Ein allfälliges Verschulden der Angestellten des Klagevertreters muss hier nicht geprüft werden.
Der klagenden Partei ist damit der Gegenbeweis im Sinn des § 292 Abs 2 ZPO gelungen, sodass davon auszugehen ist, dass die am 12. 5. 2003 bei Gericht überreichte Berufung der klagenden Partei rechtzeitig war.
Das hatte zur Beseitigung des berufungsgerichtlichen Beschlusses und zum entsprechenden Entscheidungsauftrag zu führen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 2 ZPO.
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