OGH 14Os106/03

OGH14Os106/039.9.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. September 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Bauer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Williams E***** und einen anderen Angeklagten wegen der teilweise im Entwicklungsstadium des Versuchs (§ 15 StGB) gebliebenen Verbrechen nach § 28 Abs 2 zweiter, dritter und vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Umaru B***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 4. Juni 2003, GZ 22 Hv 72/03h-50, nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass (§ 290 Abs 1 StPO) wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Umfang des Schuldspruchs I. in der rechtlichen Unterstellung der festgestellten Tatsachen unter § 28 Abs 3 erster Fall SMG, demgemäß auch im beide Angeklagten betreffenden Strafausspruch (einschließlich der - teilweise fehlerhaften - Vorhaftanrechnung) aufgehoben. Die Sache wird insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Umaru B***** auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten Umaru B***** fallen auch die durch den erfolglos gebliebenen Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde verursachten Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem (auch einen rechtskräftig gewordenen Teilfreispruch der Angeklagten enthaltenden) Urteil wurden - soweit für das Rechtsmittelverfahren von Bedeutung - Williams E***** und Umaru B***** "des" teils versuchten, teils vollendeten Verbrechens (richtig: der teilweise im Entwicklungsstadium des Versuchs [§ 15 StGB] gebliebenen Verbrechen) nach § 28 Abs 2 zweiter, dritter und vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG, der Angeklagte B***** teilweise als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB, schuldig erkannt. Danach haben sie zu I (zu ergänzen: den bestehenden Vorschriften zuwider), gewerbsmäßig Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG) dadurch aus- und eingeführt sowie in Verkehr gesetzt, dass

1. Williams E***** im November oder Dezember 2002 ca 300 Gramm Haschisch von Spanien nach Österreich brachte;

2. Williams E***** im Jänner 2003 250 Gramm Haschisch von Spanien nach Österreich brachte, wobei Umaru B***** zu den unter Punkt 1. und 2. geschilderten Tathandlungen dadurch beitrug, dass er Williams E***** jeweils 1.000 Euro zum Ankauf von Suchtgift und die Telefonnummer des Suchtgiftverkäufers übergab;

3. Williams E***** und Umaru B***** in Linz im gemeinsamen Zusammenwirken Haschisch an nachstehende Personen verkauften, und zwar

a) von Dezember 2002 bis Anfang Februar 2003 insgesamt mindestens 30 Gramm an Bobby O*****,

b) von Dezember 2002 bis Februar 2003 in Linz 120 bis 130 Gramm an Felix I*****,

  1. c) im Februar 2003 25 Gramm an Michael D*****;
  2. d) am 11. Februar 2003 212 Gramm an Michael D*****, wobei es beim Versuch blieb;

    4. Umaru B***** alleine im Sommer 2002 in Linz 400 Gramm Haschisch an Bobby O***** verkaufte.

Rechtliche Beurteilung

Der aus Z 3, 5, 5a und 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Umaru B***** kommt keine Berechtigung zu.

Ein unter dem zuerst genannten Nichtigkeitsgrund erhobener Einwand, der Zeuge Bobby O***** sei bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung am 4. Juni 2003 nicht über sein Zeugnisentschlagungsrecht belehrt worden, geht deswegen ins Leere, weil sich dieser Zeuge in dem gegen ihn selbst geführten Strafverfahren als Beschuldigter bei der fortgesetzten Vernehmung vom 1. April 2003 (29 Ur 67/03d) im Umfang der im gegenständlichen Verfahren in der Hauptverhandlung erstmals erhobenen Behauptung, er habe vom Angeklagten B***** im Sommer 2002 400 Gramm Haschisch gekauft, geständig verantwortet hatte (vgl ZV S 401 und das von der Staatsanwaltschaft vorgelegte Vernehmungsprotokoll - Beilage zu S 402). Da somit für den Zeugen keine Selbstbelastungsgefahr (mehr) bestand, bedurfte es keiner Belehrung nach § 152 Abs 1 Z 1 StPO (vgl Ratz, JBl 2000, 298 f; EvBl 1998/82).

Im Hinblick auf die nach § 270 Abs 2 Z 5 StPO gebotene bloß gedrängte Darstellung der Entscheidungsgründe wurde die Annahme eines 6 %igen Reinheitsgrades des im Juli 2002 an Bobby O***** weitergegebenen Haschischs mit dem Hinweis auf die KTU-Untersuchung des bei der am 11. Februar 2003 von ihm versuchten Übergabe an Michael D***** sichergestellten Haschischs (US 10) - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers in der Mängelrüge (Z 5) - zureichend begründet. Die Tatsachenrüge (Z 5a) beschränkt sich im Wesentlichen nur darauf, die vom Erstgericht erwogenen (US 7 ff) Unterschiede in den (den Rechtsmittelwerber belastenden) Angaben des Angeklagten E***** und des Zeugen O***** weitwendig hervorzuheben und seiner eigenen (leugnenden) Verantwortung den Vorzug zu geben. Damit vermag der Beschwerdeführer aber keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen zu wecken. Vielmehr trachtet er lediglich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung die Beweiswürdigung der Tatrichter zu bekämpfen.

Soweit die Beschwerde in der Subsumtionsrüge (Z 10) beim tatverfangenen Haschisch von einem geringeren Reinheitsgrad als dem vom Erkenntnisgericht festgestellten Reinsubstanzgehalt von 6 % ausgeht und die Anwendung des Grundsatzes " in dubio pro reo" verlangt, führt sie mangels strikten Festhaltens an den Urteilsannahmen den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nicht prozessordnungsgemäß aus.

Die teils offenbar unbegründete, teils nicht dem Gesetz gemäß ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Umaru B***** war daher schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Aus deren Anlass war jedoch gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO der dem Erstgericht bei beiden Angeklagten unterlaufene Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10 StPO von Amts wegen wahrzunehmen, weil die Urteilsfeststellungen des Erstgerichtes keine ausreichende Grundlage für die rechtliche Beurteilung der Tat, sie sei gewerbsmäßig begangen worden, bieten.

Insoweit konstatierte das Schöffengericht lediglich die nicht weiter substantiierte Absicht der Angeklagten, "sich durch wiederkehrenden gewinnbringenden [Detail-]Verkauf von Suchtmitteln eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen". Des weiteren stellte es fest, dass es die Angeklagten von Anfang an und bei sämtlichen ihrer Tathandlungen (also auch bei der Aus- und Einfuhr) zumindest ernstlich für möglich hielten und sich damit abfanden, dass die auf die Reinsubstanz der Wirkstoffe bezogene große Menge iSd § 28 Abs 6 SMG überschritten wurde (US 5 f).

Für die Erfüllung der Qualifikation gewerbsmäßigen Handelns nach § 28 Abs 3 erster Fall SMG fordert das Gesetz jedoch, dass der Täter in der Absicht handelt (§ 5 Abs 2 StGB), sich durch wiederkehrende Aus- und Einfuhr sowie durch wiederkehrendes Inverkehrsetzen einer jeweils großen Menge (das ist die in § 28 Abs 2 SMG bezeichnete Tat) eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Unerheblich ist dabei, ob die von der Absicht des Täters auf fortlaufende Einnahmegewinnung umfassten großen Suchtgiftmengen auf einmal oder bewusst kontinuierlich in Teilmengen aus- und eingeführt bzw in Verkehr gesetzt werden sollen. Es kann daher auch ein fortlaufendes - der Zielsetzung des § 70 StGB entsprechendes - Tatgeschehen, bei dem die Grenzmenge letztlich überschritten wurde, dem § 28 Abs 3 erster Fall SMG zu unterstellen sein, sofern der qualifizierte (§ 5 Abs 2 StGB) Vorsatz des Täters beim Aus- und Einführen sowie beim Inverkehrsetzen kleiner, unter der Grenzmenge iSd § 28 Abs 6 SMG liegender Suchtgiftmengen darauf gerichtet war, die Tat durch weitere Teilakte, die jeweils zur Summierung des Suchtgiftes zu großen Mengen führen sollen, zu wiederholen (vgl 13 Os 10/03; 11 Os 145/02; 14 Os 166, 167/01; 15 Os 139/00). Mit dem festgestellten, einer Subsumtion unter den Grundtatbestand des § 28 Abs 2 SMG genügenden und lediglich auf den Additionseffekt bezogenen bedingten Vorsatz brachte das Erstgericht jedoch die zur Annahme der Qualifikation nach § 28 Abs 3 erster Fall SMG erforderliche (von Anfang an bestehende) Absicht, sich durch wiederkehrende Aus- und Einfuhr sowie durch wiederkehrendes Inverkehrsetzen zwar nicht im Einzelnen die Grenzmenge iSd § 28 Abs 6 SMG erreichender, aber in Summe jeweils großer Suchtgiftmengen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, nicht gesetzkonform zum Ausdruck.

Daher war die beim Schuldspruch I. angenommene Gewerbsmäßigkeitsqualifikation ebenso wie der Strafausspruch aufzuheben und in diesem Umfang die Verfahrenserneuerung anzuordnen. Mit seiner Berufung war der Angeklagte B***** auf dieses kassatorische Erkenntnis zu verweisen.

Dessen Kostenersatzpflicht gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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