Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben.
Es werden
das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Bernd
A***** betreffenden Strafausspruch, sowie
der Beschluss nach § 494a StPO auf Absehen vom Widerruf der zum AZ 23 Hv 101/01w des Landesgerichtes Innsbruck bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe und
die im vorbezeichneten Verfahren gemäß § 50 StGB erteilte Weisung aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:
Bernd A***** wird wegen der ihm zur Last liegenden Verbrechen nach § 3g VerbotsG unter Anwendung der §§ 28 Abs 1, 36 StGB und gemäß §§ 31, 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 2. Oktober 2002, GZ 36 Hv 94/02d-19, zu einer Zusatz-Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt. Mit ihrer diesen Angeklagten betreffenden Berufung und Beschwerde wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen. Der Berufung der Staatsanwaltschaft betreffend den Angeklagten Manuel S***** wird Folge gegeben und die Zusatzfreiheitsstrafe auf neun Monate erhöht.
Gemäß § 43a Abs 3 StGB wird ein Teil dieser Freiheitsstrafe von sieben Monaten unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen; der nicht bedingt nachgesehene Teil der Strafe beträgt sohin zwei Monate.
Die hinsichtlich Manuel S***** angeordnete Bewährungshilfe und die ihm erteilte Weisung bleiben unberührt.
Gemäß § 390a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden, auch rechtskräftig gewordene (Teil-)Freisprüche der Angeklagten Bernd A***** Manuel S***** und Christian G***** enthaltenden Urteil wurden die beiden Erstgenannten (zu I.1. und 2.) der Verbrechen nach § 3g VerbotsG schuldig erkannt. Danach haben sie sich in Lienz auf andere als die in den §§ 3a bis 3f VerbotsG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt, und zwar
1. am 13. Oktober 2001 zusammen mit den wegen Todes außer Verfolgung gesetzten Andreas A***** und Daniel G***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter, indem sie im D***** mehrfach öffentlich die nationalsozialistische Parole "Sieg Heil" riefen und Bernd A***** dabei die Hand zum Deutschen Gruß (Hitlergruß) erhob;
2. am 29. September 2001 zusammen mit den wegen Todes außer Verfolgung gesetzten Andreas A***** und Daniel G***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter, indem sie im Stadtpark gemeinsam mehrfach öffentlich die Hand zum Deutschen Gruß (Hitlergruß) erhoben, wobei sie dem nationalsozialistischen Wortschatz entlehnte ausländerfeindliche Parole ua des Inhaltes "Ausländer raus, Ausländer raus, Deutschland den Deutschen!" riefen. Unter Bedachtnahme gemäß § 31 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 4. Dezember 2001, AZ 23 Hv 1101/01w, sah das Geschworenengericht bei Bernd A***** von der Verhängung einer Zusatzstrafe (§ 40 StGB) ab (US 10).
Rechtliche Beurteilung
Der gegen den Strafausspruch beim Angeklagten Bernd A***** gerichteten, aus Z 13 (erster Fall) des § 345 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft kommt Berechtigung zu. Zutreffend moniert die Anklagebehörde, dass die Bedachtnahme auf das am 8. Dezember 2001 rechtskräftig gewordene (vgl S 135/II) Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 4. Dezember 2001, AZ 23 Hv 1101/01w, mit dem der Angeklagte Bernd A***** wegen "des jeweils im Zeitraum vom 26. August 2000 bis 26. April 2001 begangenen Verbrechens" nach § 3g VerbotsG sowie der Vergehen der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB und "der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1, Abs 2 Z 1, 84 Abs 3 StGB" schuldig erkannt wurde, verfehlt war.
Das zuvor bezeichnete Urteil wurde zwar zeitlich nach den gegenständlichen, am 29. September und 13. Oktober 2001 verübten Straftaten gefällt, es nahm aber seinerseits (zu Recht) auf das am 24. Juli 2001 in Rechtskraft erwachsene Urteil des Bezirksgerichtes Lienz vom 20. Juli 2001, GZ 3 U 124/00v-49, Bedacht, welches mit dem angefochtenen Urteil nicht im Sinn des § 31 StGB tatzeitmäßig verknüpft ist. Die Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB hat zwar auch in Ansehung mehrerer Vor-Urteile zu erfolgen, doch ist dafür vorausgesetzt, dass die zuletzt abgeurteilte Tat vor dem ersten der in Betracht kommenden früheren Urteile verübt worden ist. Nimmt ein Vor-Urteil seinerseits auf ein (noch) früheres Urteil gemäß §§ 31, 40 StGB Bedacht, so kommt daher eine Bedachtnahme auf dieses Vor-Urteil nur dann in Betracht, wenn die nunmehr abgeurteilte Tat nach der Zeit ihrer Begehung auch schon im früheren (ersten) Verfahren hätte abgeurteilt werden können. Wurden aber - wie hier - die Taten zwar vor dem Vor-Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 4. Dezember 2001, aber nach dem ersten Vor-Urteil des Bezirksgerichtes Lienz vom 20. Juli 2001 verübt, so ist § 31 StGB nicht anwendbar (Ratz, WK2 Rz 5; Fabrizy StGB8 Rz 10a; Leukauf/Steininger Komm3 Rz 15, jeweils zu § 31 StGB; EvBl 1995/99).
Da aber die im gegenständlichen Verfahren abgeurteilten Taten am 29. September und 13. Oktober 2001, somit vor dem zu AZ 36 Hv 94/02d am 2. Oktober 2002 gefällten, am 7. Oktober 2002 rechtskräftig gewordenen Urteil des Landesgerichtes Innsbruck, mit welchem über Bernd A***** wegen der am 24. März und 24. Mai 2002 verübten Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 und Abs 3 StGB eine nicht bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von sieben Monaten verhängt wurde (ON 19 des erwähnten Aktes), begangen worden waren, hätte auf dieses Vor-Urteil gemäß §§ 31, 40 StGB Bedacht genommen werden müssen.
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft waren daher der Bernd A***** betreffende Sanktionsausspruch aufzuheben und unter Anwendung der §§ 28, 31, 36 und 40 StGB eine Zusatzstrafe zu verhängen.
Bei der Strafbemessung waren als erschwerend das einschlägig getrübte Vorleben und die Verbrechenswiederholung, als mildernd das Alter des Täters zu werten. Unter Berücksichtigung auch der Art der zur Aburteilung gelangten Taten war die Verhängung einer Zusatzfreiheitsstrafe von fünf Monaten geboten, deren bedingte Nachsicht schon aus spezialpräventiven Gründen nicht näher getreten werden konnte.
Das Geschworenengericht verhängte über Manuel S***** nach § 3g VerbotsG unter Anwendung des § 28 StGB und des § 5 JGG sowie unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 26. März 2002, AZ 23 Hv 24/02, womit er wegen der Vergehen der Sachbeschädigung der gefährlichen Drohung nach §§ 125, 107 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen verurteilt worden war, eine Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten, welche es gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer zweijährigen Probezeit bedingt nachsah.
Mit ihrer Manuel S***** betreffenden Berufung begehrt die Staatsanwaltschaft eine Erhöhung der Zusatzfreiheitsstrafe und die Ausschaltung der bedingten Strafnachsicht. Sie ist mit diesem Begehren weitgehend im Recht. Die Freiheitsstrafe bedarf einer Erhöhung, weil durch die dem Angeklagten innewohnende Neigung zu Gewalttätigkeiten und die von ihm gezeigte Rücksichtslosigkeit (§ 32 Abs 2 und Abs 3 StGB) eine strengere Bestrafung geboten ist. Auch ist die gänzliche bedingte Nachsicht aus general-, vor allem aus spezialpräventiven Gründen zur Erzielung einer notwendigen Abhaltungswirkung nicht zielführend, sondern erfordern diese Umstände den Vollzug wenigstens eines Teiles der Freiheitsstrafe. Betreffend Manuel S***** war daher der Berufung der Staatsanwaltschaft wie aufgezeigt Folge zu geben, hinsichtlich Bernd A***** war sie mit ihrer Berufung und Beschwerde auf die Entscheidung in der Sache selbst zu verweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
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