OGH 1Ob162/03k

OGH1Ob162/03k2.9.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Isabella S*****, vertreten durch Dr. Albert Heiss, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Maria ***** H*****, vertreten durch Mag. Alfred Witzlsteiner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 4.014,71 EUR sA infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 28. Februar 2003, GZ 3 R 10/03x-12, womit das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 5. November 2002, GZ 16 C 734/02y-8, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Mutter der Beklagten schuldet der Klägerin 4.014,71 EUR. Dieser Betrag resultiert aus Kostenentscheidungen, die in den von der Klägerin gegen die Mutter der Beklagten betriebenen Exekutionsverfahren und in einem von der Mutter der Beklagten gegen die hier klagende Partei geführten Impugnationsstreit ergangen sind. Sämtliche Exekutionsverfahren und auch der Impugnationsprozess hatten ihre Grundlage in dem zu AZ 16 C 2202/95t des Erstgerichts zwischen der Mutter der Beklagten und der Klägerin abgeführten Rechtsstreit. Mit Übergabsvertrag vom 29. 12. 2000 übertrug die Mutter der Beklagten dieser das Hälfte- bzw Alleineigentum an mehreren Liegenschaften. Seither bezieht sie eine Pension von monatlich etwa 500 EUR zuzüglich 145 EUR Pflegegeld, hat aber kein weiteres Vermögen.

Die Klägerin begehrte mit ihrer am 7. 5. 2002 eingebrachten Klage die Zahlung von 4.014,71 EUR sA bei sonstiger Exekution in mehrere - nunmehr zur Gänze - der Beklagten gehörige Liegenschaften unter gleichzeitiger Anfechtung des Übergabsvertrags vom 29. 12. 2000 gemäß § 2 Z 3 AnfO. Die Beklagte sei über sämtliche Vorgänge, die zu den von der Klägerin erworbenen Exekutionstiteln geführt hätten, bestens informiert gewesen. Ihre Mutter habe ihr das gesamte Liegenschaftsvermögen in Schädigungsabsicht übereignet und so dem exekutiven Zugriff der Klägerin entzogen. Angesichts der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Mutter der Beklagten scheine eine Befriedigung der Ansprüche der Klägerin durch die Schuldnerin ausgeschlossen. Der Beklagten sei die Schädigungsabsicht ihrer Mutter bekannt gewesen.

Die Beklagte wendete ein, ihre Mutter habe nicht in Benachteiligungsabsicht gehandelt, die Beklagte habe von einer solchen Absicht aber jedenfalls keine Kenntnis gehabt. Zweck des Übergabsvertrags sei es lediglich gewesen, das gesamte Vermögen "im Wege einer Altersversorgung für die Mutter auf ihre eigene, also die nächste Generation übergehen zu lassen". Die Beklagte beantragte ausdrücklich, im Anfechtungsprozess eine Überprüfung des seinerzeitigen Unterlassungsurteils und der der Klagsforderung zugrunde liegenden Exekutionstitel vorzunehmen. Alle Exekutionstitel seien zu Unrecht erlassen worden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Es stellte fest, der Beklagten sei bekannt gewesen, dass die Klägerin zu AZ 16 C 2202/95t des Erstgerichts mit ihrer Mutter prozessiert habe. Sie habe auch Kenntnis davon gehabt, dass der damalige Rechtsvertreter ihrer Mutter die Frist zur Erhebung der Berufung gegen das in diesem Verfahren ergangene Urteil des Erstgerichts versäumt habe, und sie sei aufgrund dessen Schreibens davon ausgegangen, er werde sämtliche aus diesem Urteil resultierenden Geldverpflichtungen begleichen. Vor Unterfertigung des Übergabsvertrags habe sich die Beklagte nicht erkundigt, ob aufgrund von Exekutionsverfahren (der Klägerin) gegen ihre Mutter Zahlungsverpflichtungen bestünden.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, die Beklagte habe als nahe Angehörige der Schuldnerin - ihrer Mutter - die Tatsachen zu behaupten und zu beweisen, aus denen verlässlich darauf geschlossen werden könne, dass sich ihre Mutter bei der angefochtenen Rechtshandlung "nicht einmal damit abgefunden" habe, "dass ihr Gläubiger - die Klägerin - nicht rechtzeitig befriedigt werde". Die Unterlassung, sich gewissenhaft über die Vermögenslage ihrer Mutter zu informieren, sei fahrlässiges Handeln, wodurch ihre Gutgläubigkeit ausgeschlossen werde. Der Beweis, dass sie schuldlos von der nach dem Gesetz zu vermutenden Benachteiligungsabsicht ihrer Mutter keine Kenntnis gehabt habe, sei ihr nicht gelungen. Eine allfällige Haftungsübernahme durch den Rechtsvertreter der Mutter der Beklagten im Vorprozess erweise sich gegenüber der Klägerin als vollkommen wirkungslos und könne der Beklagten daher nicht nützen.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück; es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Die Befriedigungsverletzung, die Befriedigungstauglichkeit der Anfechtung und die (objektive) Nachteiligkeit der Schuldnerhandlung seien unstrittig. Die Beklagte habe den ihr auferlegten Entlastungsbeweis dahin, dass ihre Mutter nicht in Benachteiligungsabsicht gehandelt habe bzw dass ihr eine solche Benachteiligungsabsicht weder bekannt gewesen sei noch habe bekannt sein müssen, nicht erbracht. Bei gewissenhafter Nachforschung, insbesondere nach dem Stand der ihr bekannten und gegen ihre Mutter geführten zahlreichen Exekutionsverfahren, habe ihr die offensichtliche Benachteiligungsabsicht nicht verborgen bleiben dürfen. Die Beklagte habe aber auch konkret und ausführlich begründet vorgebracht, warum das zu AZ 16 C 2202/95t des Erstgerichts ergangene Unterlassungsurteil sowie die in der Folge erlassenen und auf dieses Unterlassungsurteil gegründeten Exekutionstitel zu Unrecht ergangen seien. Mit diesem Vorbringen habe sich das Erstgericht überhaupt nicht auseinandergesetzt. Ein Dritter - hier die Beklagte - sei aber an eine Entscheidung, vor der er kein rechtliches Gehör gefunden habe, nicht gebunden. Gegen eine Gläubigeranfechtung stünden der Beklagten daher auch die Einwendungen zu, die der Schuldner - ihre Mutter - nicht mehr erheben könne. Sie sei berechtigt, die Richtigkeit der urteilsmäßigen Entscheidung des Vorstreites und die Rechtsbeziehungen der damaligen Streitteile, soweit sie für den Rechtsstreit erheblich seien, neu überprüfen zu lassen. Im Zuge dieser Überprüfung habe der Anfechtungsgegner - die Beklagte - die Unrichtigkeit der Exekutionstitel zu behaupten und zu beweisen. Das Erstgericht werde daher die Einwendungen der Beklagten, die gegen ihre Mutter ergangenen Kostentitel seien unberechtigt und es bestehe daher keine materiellrechtliche Forderung, überprüfen müssen. Die Überprüfungspflicht erfasse aber nicht auch das zu AZ 16 C 2202/95t ergangene Urteil, denn daraus resultiere keine (offene) Forderung der Klägerin gegen die Mutter der Beklagten, sodass der Beklagten ein rechtliches Interesse an einer nachträglichen Überprüfung der materiellen Richtigkeit der genannten Entscheidung abzusprechen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Klägerin ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Rekurswerberin wendet sich gegen die kassatorische zweitinstanzliche Entscheidung im Wesentlichen mit dem Argument, es sei nicht Aufgabe eines Anfechtungsprozesses, sämtliche Exekutionsverfahren neu aufzurollen, wenn die Beklagte die Benachteiligungsabsicht der Schuldnerin schon angesichts der Einleitung exekutiver Schritte gegen diese habe kennen müssen. Dem ist entgegenzuhalten, dass nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ein Dritter (hier die Beklagte) ohne rechtliches Gehör an eine Entscheidung nicht gebunden ist und gegen eine Gläubigeranfechtung daher auch Einwendungen zustehen, die der Schuldner (hier die Mutter der Beklagten) nicht mehr erheben kann. Der Anfechtungsgegner kann also die materielle Unrichtigkeit eines Exekutionstitels, auf dem der Anfechtungsprozess beruht, im Anfechtungsprozess geltend machen (SZ 73/200; SZ 70/262; ZIK 1997, 67; ÖBA 1996, 565; SZ 68/151; SZ 63/4, zuletzt wieder 3 Ob 132/02m). Demjenigen, dessen Rechtsbeziehungen durch einen individuellen Staatsakt berührt werden, steht das Recht zu, die Richtigkeit der urteilsmäßigen Entscheidung des Vorstreites und die Rechtsbeziehungen der damaligen Streitteile, soweit sie für den Rechtsstreit erheblich sind, neu überprüfen zu lassen (ZIK 1997, 67; SZ 63/4).

Unzweifelhaft beruhen die Kostenentscheidungen, die Grundlage der Klagsforderung sind, letztlich auf dem zu AZ 16 C 2202/95t des Erstgerichts ergangenen vollstreckbaren Urteil. In diesem Verfahren war das rechtliche Gehör der Beklagten nicht gewahrt, denn sie war an diesem Rechtsstreit nicht beteiligt. Würde sie im Zuge der Gläubigeranfechtung ohne neuerliche Überprüfung der materiellen Richtigkeit dieses Urteils zur Zahlung von im Ergebnis aus diesem Rechtsstreit resultierenden Kosten verpflichtet, so hätte dies eine - mangels Gewährung des rechtlichen Gehörs - unzulässige Bindung an die zu AZ 16 C 2202/95t gefällte Entscheidung zur Folge. Daran kann auch der Umstand nichts ändern, dass die Klägerin die Klagsforderung nicht unmittelbar aus dem genannten Rechtsstreit ableitet, sondern nur die Kosten von Exekutionsmaßnahmen einklagt, denn diese Exekutionsverfahren haben allesamt ihren Ursprung in dem zu AZ 16 C 2202/95t des Erstgerichts gefassten Urteil. Das rechtliche Interesse der Beklagten an der nachträglichen Überprüfung der materiellen Richtigkeit auch dieses Urteils ist demnach zu bejahen.

Dem Rekurs der Klägerin ist zwar ein Erfolg zu versagen, es ist aber, weil eine entsprechende wesentliche Rechtsfrage aufgezeigt wurde, im Rahmen dieser Entscheidung auch der Umfang der von der Beklagten geforderten Überprüfung der Vorentscheidungen klarzustellen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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