OGH 15Os91/03

OGH15Os91/0321.8.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. August 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Dachsberger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Gyula V***** wegen des Verbrechens des versuchten Totschlags nach §§ 15, 76 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Eisenstadt vom 28. April 2003, GZ 15 Hv 22/03s-91, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen - auf den Wahrspruch der Geschworenen beruhenden - Urteil wurde Gyula V***** des Verbrechens des versuchten Totschlags nach §§ 15, 76 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 28. August 2002 in Pama Rita S***** in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung vorsätzlich zu töten versucht, indem er ihr mit einem Jagdmesser der Marke Rozstamentes (mit einer Klingenlänge von 12 cm, einer Klingenbreite von 1,8 cm, einer Klingenstärke am Rücken bis 0,5 cm, wobei der Messerrücken eine Säge aufwies) Stiche in den Bauch sowie gegen die linke Halsseite versetzte, und zwar "weil er schon seit längerem eifersüchtig und wütend war, weil Rita S***** ihm kurz zuvor finanzielle Unterstützung versagte sowie auch ablehnte, zu ihm zurückzukehren". Die Geschworenen verneinten die Hauptfrage 1 nach versuchtem Mord, bejahten die Eventualfrage 1 nach versuchtem Totschlag, verneinten die Zusatzfrage 1 nach freiwilligem Rücktritt vom Versuch sowie die Zusatzfrage 2 nach § 11 StGB und ließen somit die auf das Verbrechen der absichtlich schweren Körperverletzung lautende Eventualfrage 2 und auf das Vergehen der schweren Körperverletzung gerichtete Eventualfrage 3 unbeantwortet.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5 und 8 des § 345 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel. Die Verfahrensrüge (Z 5) kritisiert die Abweisung der in der Hauptverhandlung gestellten Anträge auf Vernehmung der Beamten St***** und Sk***** zum Beweis dafür, "dass die Zeugin Rita S***** bei ihrer Einvernahme zum Sachverhalt ausdrücklich erklärte, dass sie stehend nur einen Stich in den Bauch erhalten hat, im Anschluss daran ein Sturz beider erfolgte und nach der Behauptung der Zeugin, welche Behauptung übrigens vom Angeklagten bestritten wurde, dann am Boden liegend vom Angeklagten versucht wurde gegen deren Hals zu stechen", sowie der Ausforschung und Vernehmung der den Befund der Zeugin Rita S***** am 28. August "vornehmenden" Ärzte zum Beweis dafür, "dass die Einstichstelle am Bauch ein Ausmaß von 1 cm nicht überschritten hat, wie auf AS 141 im Befund festgehalten ist, sofern es sich nicht dabei um einen Schreibfehler gehandelt hat".

Wie das erkennende Gericht in seinem abschlägigen Zwischenerkenntnis im Ergebnis zutreffend darlegt, konnte die Beweisaufnahme ohne Verletzung von Verteidigungsrechten unterbleiben.

Die Zeugin Rita S***** wurde vor dem Geschworenengericht auch mit den von ihren Angaben abweichenden Depositionen vor der Sicherheitsbehörde (S 267), wonach sie stehend nur einen Stich in den Bauch erhalten habe, konfrontiert (Hv S 49-50/II, dabei Vorhalt der Aussage vor der Sicherheitsbehörde S 267). Welche Verbreiterung der Entscheidungsgrundlage durch die zusätzliche Befragung der beiden Beamten, welche die Aussage der genannten Zeugin anlässlich ihrer Vernehmung vor dem Landesgendameriekomando für Burgenland am 29. August 2002 (S 267/Band I) so protokolliert hatten, wie sie in der Verhandlung vor dem erkennenden Gericht vorgehalten wurde, legt der Beweisantrag nicht dar (vgl Ratz aaO § 281 Rz 327 ff). Das ergänzende Vorbringen dazu im Rechtsmittel ist verspätet und somit unbeachtlich (aaO Rz 325). Gleiches gilt für das Begehren auf Ausforschung und Vernehmung der den Befund über die Verletzung am 28. August 2002 aufnehmenden Ärzte (S 141). Im Hinblick auf die dazu gutachterlich erstattete Äußerung der Sachverständigen vor dem Geschworenengericht, wonach das im Krankenhaus festgestellte Verletzungsbild nicht dem Gutachten widerspreche (S 99/II), wäre der Beweisantrag auch hier zur näheren Darlegung verpflichtet gewesen, welche relevante Verbreiterung der Entscheidungsgrundlage zu erwarten wäre und verfehlt damit mangels Substantiierung die notwendige Ausrichtung an den Verfahrensvorschriften.

Die in der Beschwerde zum Erfordernis der Durchführung dieses Beweisantrages nachgetragenen Erwägungen haben ebenso außer Betracht zu bleiben, weil bei der Prüfung der Berechtigung eines Antrages stets von der Verfahrenslage im Zeitpunkt der Entscheidung darüber und von den dazu vorgebrachten Gründen auszugehen ist. Die Instruktionsrüge (Z 8) moniert Unrichtigkeit bzw erhebliche Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung, indem sie zum einen aus dem Fehlen einer Belehrung zur Zusatzfrage 1 (nach freiwilligem Rücktritt vom Versuch) betreffend qualifizierten Versuch und zum andern aus dem Passus der Rechtsbelehrung S 7 "lediglich das Unterbleiben der Vollendung infolge freiwilligen Rücktritts vom Versuch bildet die Strafbarkeitsgrenze" ableitet, dass den Geschworenen dadurch vermittelt werde, dass der Angeklagte bei Bejahung der Zusatzfrage 1 trotz der bei der Zeugin entstandenen Verletzung freizusprechen gewesen wäre.

Dieses Vorbringen missachtet allerdings die zu den Eventualfragen 2 und 3 (nach absichtlicher schwerer Körperverletzung und schwerer Körperverletzung) (ergänzend) aufgenommene Anleitung, wonach deren Beantwortung (auch) zu erfolgen hatte, wenn die Hauptfrage 1 und Eventualfrage 1 (mehrheitlich) bejaht und gleichzeitig die Zusatzfrage 1 bejaht wird (sohin ein Freispruch bereits nach Bejahung der Zusatzfrage 1 ohne weitere Beantwortung von Fragen nicht Platz greifen hätte können) und gelangt damit nicht prozessförmig zur Darstellung (vgl aaO § 345 Rz 65). Die weitere spekulative Argumentation über abweichende beweiswürdigende Erwägungen der Geschworenen zu den sachverhaltsmäßigen Voraussetzungen für die Bejahung der Zusatzfrage 1 bei Vorliegen einer anderslautenden Rechtsbelehrung bedarf sohin keiner Erwiderung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur und entgegen der auf die Rechtsmittelausführung verweisenden Äußerung der Verteidung gemäß § 35 Abs 2 StPO - teils als offenbar unbegründet, teils als nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 iVm § 344 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 285i, 344 StPO).

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