Spruch:
Die Nichtigkeitsklage und die Wiederaufnahmsklage werden zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die Klägerin des Vorverfahrens (nunmehr Beklagte) schenkte der damals mit ihrem Sohn verheirateten - später geschiedenen - Beklagten des Vorverfahrens (nunmehrigen Klägerin) im Jahre 1990 ¾ Anteile einer Liegenschaft samt Haus im 13. Wiener Gemeindebezirk, behielt sich aber ein lebenslängliches Fruchtgenussrecht vor. Im Zusammenhang mit verschiedenen Vorfällen schlug die Beschenkte aus Zorn gegen den früheren Ehegatten in diesem Haus ein Verbundfenster aus Thermoglas ein, zertrümmerte mit einem Hammer einen Toilettendeckel, beschädigte im Badezimmer die Wandfliesen, zerbrach die Glasscheiben der Duschkabine, beschädigte im Schlafzimmer den Lattenrost des Doppelbettes, zerschlug in der Küche die Verglasung einer Vitrine und hämmerte auch mehrmals gegen die Wand, wodurch dort mehrere Einkerbungen in einer Breite von 3 cm entstanden. Die 1913 geborene Schenkerin (Klägerin des Vorverfahrens), die sich zu dieser Zeit in der Mansarde des Hauses befand, konnte auf Grund ihrer Gebrechlichkeit nicht eingreifen. Sie begehrte mit ihrer Klage die Aufhebung des Schenkungsvertrages wegen groben Undanks.
Das Erstgericht wies - nachdem es vorerst der Klage stattgegeben hatte - im Vorverfahren im zweiten Rechtsgang, unter Beachtung die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes in dessen Aufhebungsbeschluss die Klage ab.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Klägerin im Vorverfahren nicht statt, da es der Beschenkten an einem Bewusstsein, der Klägerin des Vorverfahrens als Geschenkgeberin eine Kränkung zuzufügen, gefehlt habe.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat mit der Entscheidung vom 23. 1. 2003 zu GZ 8 Ob 230/02k der gegen dieses Urteil gerichteten außerordentlichen Revision der Klägerin des Vorverfahrens Folge gegeben, weil die Zerstörungen auch gegen das Vermögen der Geschenkgeberin selbst gerichtet waren und auch vom Gewicht der Handlungen hier davon auszugehen ist, dass diese einen groben Undank darstellen. Er änderte die Urteile der Vorinstanzen im klagsstattgebenden Sinne ab.
Die Wiederaufnahms- und Nichtigkeitsklägerin bekämpft diese im Vorverfahren ergangene Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes. Die Wiederaufnahms- und Nichtigkeitsklage stützt sie darauf, dass die Unterschrift des Klagevertreters auf der Revision im Vorverfahren gefälscht gewesen sei. Im Vorverfahren habe Anwaltszwang geherrscht. Ein Verbesserungsverfahren sei nicht zulässig. Die gefälschte Urkunde habe dem Nachweis dienen sollen, dass rechtzeitig eine den zwingenden gesetzlichen Bestimmungen entsprechende Revision erhoben wurde. Es liege ein Wiederaufnahmsgrund im Sinne des § 530 Abs 1 ZPO, insbesondere der Z 3 und 7, vor. Die Nichtigkeitsklage nach § 529 ZPO werde darauf gestützt, dass die Klägerin nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten gewesen sei und die Prozessführung auch nicht nachträglich genehmigt wurde.
Sowohl die Nichtigkeitsklage als auch die Wiederaufnahmsklage sind gemäß § 538 Abs 1 ZPO mangels Geltendmachung entsprechender Anfechtungsgründe ohne Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung bereits im Vorprüfungsverfahren zurückzuweisen.
Hinsichtlich der Wiederaufnahmsklage ist schon ganz allgemein darauf zu verweisen, dass diese dazu dient materielle Mängel der Entscheidung infolge unvollständiger oder verfälschter Entscheidungsgrundlage zu relevieren. Es muss sich also im Zusammenhang mit verfälschten Urkunden um solche handeln, die tatsächlich als Beweismittel aufgenommen wurden, weil es ja um Mängel bei der Feststellung des Sachverhaltes gehen muss (vgl allgemein Rechberger/Simotta Grundriß des österreichischen Zivilprozessrechts4, 485; Kodek in Rechberger ZPO2 § 530 Rz 1; RIS-Justiz RS0111113 mwN = 7 Ob 102/98w). Da die Rechtsmittelschrift jedoch kein Beweismittel darstellt und auch nicht der Feststellung des Sachverhaltes dient, fehlt es der Wiederaufnahmsklage schon deshalb an einem geeigneten Anfechtungsgrund.
Nach § 529 Abs 1 Z 2 ZPO kann eine rechtskräftige Entscheidung, durch welche eine Sache erledigt ist, durch Nichtigkeitsklage angefochten werden, wenn eine Partei in dem Verfahren gar nicht, oder, falls sie eines gesetzlichen Vertreters bedarf, nicht durch einen solchen vertreten war.
Die behauptete Verletzung der Anwaltspflicht stellt aber höchstens einen Verfahrensmangel dar (vgl RIS-Justiz RS0110667 mwN zuletzt 4 Ob 92/00h).
Im Übrigen ist grundsätzlich zur Nichtigkeitsklage nach § 529 Z 2 ZPO nur die Partei berechtigt, auf deren Seite einer der in dieser Gesetzesstelle bezeichneten Mängel vorlag, während die andere Partei ja gar nicht in ihrem Recht verletzt ist und auch nicht in § 529 Abs 1 Z 2 und § 534 Abs 2 Z 2 ZPO genannt wird (vgl RIS-Justiz RS0044428 mwN etwa SZ 11/146 und JBl 1979, 98).
Zuletzt hat sich der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 29. 1. 2002 zu 1 Ob 10/02f (= EvBl 2002/113 = JBl 2002, 802) umfassend auch mit den Befürwortern einer Nichtigkeitsklage der "anderen" Partei - Fasching (LB2 Rz 2036), Böhm (ZfRV 1971, 53, 54 ff), Bajons (Von der formellen zur wirkungsbezogenen Beschwer, in JBl 1978, 113 ff und 183 ff) und Steininger (Wiederaufnahme durch den Prozesssieger, in JBl 1963, 1, 17) - auseinandergesetzt. Der Oberste Gerichtshof hat für den Fall, dass die im Verfahren unterlegene Partei berechtigt ist, Nichtigkeitsklage zu erheben, weil auf ihrer Seite einer der im § 529 Abs 1 Z 2 ZPO bezeichneten Mängel gegeben ist, die Beschwer der anderen Partei auch dann bejaht, wenn die von einem solchen Mangel (offenbar gemeint "nicht") betroffene andere Partei im Verfahren obsiegte. Muss sie doch trotz formeller Rechtskraft der Entscheidung damit rechnen, dass deren Nichtigkeit im Zuge der Vollstreckung aufgegriffen wird und kann deshalb von der Entscheidung keinen Gebrauch machen. Daher wurde für den Fall, dass das rechtliche Gehör der Gegenpartei verletzt wurde und dies zur Folge hat, dass der ersiegte Exekutionstitel nicht vollstreckt werden kann, auch der obsiegenden Partei, die nicht vom Mangel betroffen ist, das Recht zur Bekämpfung einer solchen Entscheidung eröffnet.
Dieser Fall liegt hier aber aus zwei Gründen nicht vor. Einerseits hat die Nichtigkeitsklägerin im Vorverfahren nicht obsiegt, sondern ist zur Gänze unterlegen. Anderseits stünde es der - im Übrigen ja obsiegenden - Klägerin der Vorverfahrens auch schon deshalb gar nicht mehr frei, selbst eine Nichtigkeitsklage einzubringen, da sie spätestens mit der Zustellung der Entscheidung über die Revision am 4. 3. 2003 Kenntnis von der Erhebung ihrer behauptetermaßen mit einer verfälschten Unterschrift versehenen Revision haben musste.
Eine allfällige Nichtigkeit wegen der Verletzung des rechtlichen Gehörs der Klägerin des Vorverfahrens kann die nunmehrige Nichtigkeitsklägerin also nicht geltend machen.
Sowohl die Nichtigkeitsklage als auch die Wiederaufnahmsklage sind daher gemäß § 538 Abs 1 ZPO mangels Geltendmachung entsprechender Anfechtungsgründe ohne Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung bereits im Vorprüfungsverfahren zurückzuweisen.
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