OGH 7Ob179/03d

OGH7Ob179/03d5.8.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D***** AG, *****, vertreten durch Dr. Philipp E. Lettowsky, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1. Z*****, und 2. Brigitte S*****, beide vertreten durch Dr. Michael Drexler, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 6.478,55 (sA), über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Handelsgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 5. Februar 2003, GZ 1 R 5/03m-20, womit das Urteil des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien vom 16. August 2002, GZ 11 C 365/02k-16, infolge Berufung der beklagten Parteien bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 549,34 (darin enthalten EUR 91,56 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Erstbeklagte, deren persönlich haftende Gesellschafterin die Zweitbeklagte ist, hat bei der Klägerin für die Zeit von 1. 1. 1998 bis 1. 1. 2008 eine Betriebsgesamtversicherung ("Betriebs-Top-Vollschutz-Versicherung mit Sofortschutz") abgeschlossen, die die Sparten (Risikobereiche) Feuer, Betriebsunterbrechung, Glasbruch, Haftpflicht und Einbruchsdiebstahl umfasst. Dem Versicherungsvertrag wurden die Allgemeinen und Ergänzenden Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherungen (AHVB 1995 und EHVB 1995) der Klägerin zugrundegelegt, deren Art 12 Pkt 2.1. für jeden Teil eine Kündigungsmöglichkeit nach Eintritt des Schadensfalls vorsieht, wenn der andere Teil eine ihm im Zusammenhang mit dem Schadensfall gesetzlich oder vertraglich auferlegte Pflicht verletzt habe. Pkt 2.2. des genannten Artikels lautet:

"Jeder Teil ist berechtigt, unabhängig vom Vorliegen der Verletzung einer gesetzlichen oder vertraglichen Pflicht durch den anderen Teil das Versicherungsverhältnis nach Eintritt eines Schadensfalles zu kündigen, wenn

- die für diesen Schadensfall zu leistende Entschädigung 5 % der Versicherungssumme, mindestens aber einen Betrag von S 50.000,-- [= EUR 3.633,64] übersteigt oder

- in der jeweiligen Versicherungsperiode insgesamt bereits zwei Schadensfälle eingetreten sind und die dafür insgesamt zu leistende Entschädigung eine Jahresprämie übersteigt."

Die Beklagten haben nach Haftpflicht-Schadensfällen am 22. 6. 1999, 2. 8. 1999 und am 28. 4. 2000, für die ihnen die Klägerin EUR 472,37, EUR 886,97 und EUR 200,14 zu bezahlen hatte, jeweils erklärt, den Haftpflichtteilversicherungsvertrag aufzukündigen. Von der Klägerin wurde die Kündigung jeweils mit der Begründung zurückgewiesen ("abgelehnt"), die in Art 12 Pkt 2.2. der AHVB 1995 genannten Voraussetzungen für eine vorzeitige Vertragsauflösung seien nicht erfüllt.

Die Beklagten leisteten in der Folge keine Prämienzahlungen mehr und wurden deshalb von der Klägerin wegen rückständiger Prämien zuletzt (nach Klagsausdehnung) mit EUR 6.478,55 mit der vorliegenden Klage in Anspruch genommen.

Die Beklagten beantragten Klagsabweisung und wendeten ein, mit Schreiben vom 3. 3. 2002 doch wirksam gekündigt zu haben, weshalb keine Prämienforderungen offen seien. Zwar habe der Schadensfall, den sie zum Anlass ihrer Kündigung gemäß § 158 VersVG genommen hätten, S 50.000 nicht erreicht; die betreffende, in Art 12 Pkt 2.2. enthaltene Beschränkung des Kündigungsrechts benachteilige sie jedoch gröblich und sei daher iSd § 879 Abs 3 ABGB nichtig.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. § 158 VersVG sehe die Möglichkeit der Kündigung eines Versicherungsvertrags nach Eintritt eines Versicherungsfalls grundsätzlich vor. Davon dürfe gemäß § 158a Abs 2 VersVG nur in der Weise abgewichen werden, dass das Kündigungsrecht für beide Teile gleich geregelt werde. Als Beispiel für zulässige Abweichungen werde in den Gesetzesmaterialien zur Einführung der §§ 158a Abs 2, 108 Abs 1 und 115 Abs 3 VersVG ausdrücklich eine beide Parteien bindende Bagatellgrenze zur Ausübung des Kündigungsrechts genannt. Zwar sei auch bei formaler Gleichheit der Rechte von Versicherungsnehmer und Versicherer grundsätzlich eine Benachteiligung des Versicherungsnehmers möglich. Eine gröbliche Benachteiligung, die eine solche Bestimmung iSd § 879 Abs 3 ABGB unzulässig und damit ungültig machte, setze jedoch jedenfalls eine sachlich ungerechtfertigte Abweichung vom dispositiven Recht voraus. Im Hinblick darauf, dass die gegenständliche Haftpflicht-Versicherungssumme S 10 Mio betrage, erscheine die mit S 50.000 gezogene Grenze für die Annahme von Bagatellschäden angemessen. Es liege somit keine gröbliche Benachteiligung der beklagten Versicherungsnehmer vor.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Gemäß § 158a Abs 2 VersVG dürfe von § 158 VersVG durch Vereinbarung nur in der Weise abgegangen werden, dass das Kündigungsrecht für beide Teile gleich sei. Mit Gleichheit iSd § 158a Abs 2 VersVG sei formale Gleichheit gemeint. Auch formal gleiche Einschränkungen des Kündigungsrechts seien aber daraufhin zu überprüfen, ob sie inhaltlich angemessen seien oder den Versicherungsnehmer iSd § 879 Abs 3 ABGB gröblich benachteiligten; im Sinne dieser Bestimmung sei also eine Inhaltskontrolle vorzunehmen. Eine solche führe im vorliegenden Fall zu keiner Ungültigkeit der gegenständlichen Klausel des Art 12 Pkt 2.2. AHVB 1995: Durch diese Klausel werde nicht die Möglichkeit des Versicherungsnehmers eingeschränkt, den Versicherungsvertrag aus wichtigem Grund vorzeitig aufzulösen. Die Klausel betreffe vielmehr ausschließlich Fälle einer außerordentlichen Kündigung, die zwar keinen wichtigen Grund zur vorzeitigen Aufkündigung, aber eine Beeinträchtigung des Vertrauensverhältnisses zwischen den Streitteilen darstellten. Auf die Möglichkeit einer günstigeren Prämie bei einem anderen Versicherungsunternehmen sei bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit nach § 879 ABGB hier nicht Bedacht zu nehmen. Es sei auch nicht die Meinung zu teilen, das außerordentliche Kündigungsrecht nach dem Versicherungsfall diene überwiegend den Interessen des Versicherungsnehmers. Auch für diesen bringe der Abschluss längerer Versicherungsverträge gewisse Vorteile, nämlich eine etwas geringere Prämie und dass man für längere Zeit seiner Sorge um eine gleichmäßige Versicherungsdeckung enthoben sei. Der Umstand, dass Versicherungsnehmer dieses Kündigungsrecht unter Umständen häufiger in Anspruch nähmen als Versicherer, habe bei der Abwägung der Rechtspositionen der Vertragsparteien ebenfalls außer Betracht zu bleiben. Die Rechtsposition beider Vertragsteile werde durch die Einschränkung des Rechtes der außerordentlichen Kündigung in gleicher Weise beeinträchtigt. Die Beschränkung der Aufkündbarkeit auf einen erheblichen Versicherungsfall (S 500.000 = EUR 36.336,42) oder zwei weniger erhebliche Versicherungsfälle innerhalb eines Jahres mit einer über einer Jahresprämie liegenden Entschädigung, könne unter dem Gesichtspunkt einer langfristigen Kalkulation der Versicherung und zur generellen Hintanhaltung von fingierten Bagatellschäden auch nicht als sachlich ungerechtfertigt bezeichnet werden. Dass alle Vereinbarungen nach § 879 Abs 3 ABGB unzulässig seien, die das Recht des Versicherungsnehmers zur Schadensfallkündigung zu stark einschränkten, könne in dieser Allgemeinheit nicht gesagt werden. Dabei sei nämlich zu bedenken, dass § 158 VersVG ein außerordentliches Kündigungsrecht unter der Schwelle der Auflösung aus wichtigem Grund normiere, das im allgemeinen Zivilrecht außerhalb vertraglicher Vereinbarungen nicht vorgesehen sei. Eine gröbliche Benachteiligung einer paritätischen Erschwerung dieser Sonderauflösungsmöglichkeit bei einer keinen wichtigen Grund darstellenden Vertrauenserschütterung oder anderen Motiven des Versicherungsnehmers im Versicherungsfall sei daher an sich schon schwer vorstellbar. Die Beklagten hätten eine besondere verdünnte Willensfreiheit beim Abschluss des Vertrages nicht behauptet. Ihnen sei zwar zuzugestehen, dass der Entfall einer Auflösungsmöglichkeit im Zuge der Abwicklung eines Versicherungsfalles eine gewisse Benachteiligung des Versicherungsnehmers im Anwendungsbereich der gegenständlichen Klausel verwirklichen könne. Dieser Nachteil überschreite aufgrund der paritätischen Ausgestaltung und der vereinbarten Grenze jedoch nicht die für § 879 Abs 3 ABGB erforderliche Erheblichkeitsschwelle. Von einer groben Verletzung rechtlich geschützter Interessen und/oder einem groben Missverhältnis rechtlich geschützter Interessen im Sinne einer Sittenwidrigkeit könne im gegenständlichen Fall nicht ausgegangen werden.

Seinen Ausspruch der Zulässigkeit der Revision begründete das Berufungsgericht damit, die Entscheidung hänge von der Lösung einer bisher vom Obersten Gerichtshof noch nicht entschiedenen Rechtsfrage (Reichweite des § 158a Abs 2 VersVG - Erfordernis der formellen oder materiellen Gleichheit) ab. Der Auslegung der vielfach verwendeten klagsgegenständlichen Einschränkung des außerordentlichen Kündigungsrechtes gemäß § 158 Abs 1 VersVG in Allgemeinen Versicherungsbedingungen komme für einen großen Teil der Bevölkerung erhebliche Bedeutung zu.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Beklagten, die unrichtige rechtliche Beurteilung geltend machen und beantragen, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Entscheidung der zweiten Instanz zu bestätigen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist aber - allerdings nur im Ergebnis - nicht berechtigt.

Nach hM kann ein Versicherungsvertrag, wie jedes Dauerschuldverhältnis, aus wichtigem Grund gekündigt werden (vgl Baumann in BK Rz 25 zu § 158 VVG). "Wichtiger Grund" für den Versicherer können beispielsweise betrügerische Machenschaften des Versicherungsnehmers ihm gegenüber sein. Für den Versicherungsnehmer kann eine fristlose Kündigung in Betracht kommen, wenn der Versicherer einen Versicherungsfall grob fehlerhaft oder anhaltend verzögerlich bearbeitet (Schmalzl, Die Berufshaftpflichtversicherung des Architekten und des Bauunternehmers Rn 217). Gleiches gilt, wenn etwa der Versicherer schuldhaft unberechtigt den Versicherungsschutz verweigert (Johannsen in Bruck/Möller VVG8 IV Anm D 27; Prölss in Prölss/Martin VVG26 § 8 Rn 26). Um das Vorliegen eines wichtigen Grundes, der ohne Einhaltung einer Frist zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, annehmen zu können, müssen im Allgemeinen Tatsachen vorliegen, die es für den Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar erscheinen lassen, das Dauerschuldverhältnis bis zu seiner vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen (Schmalzl aaO; Späte, Haftpflichtversicherung 654 f mwN).

Einige wichtige Gründe, die eine außerordentliche Kündigung ermöglichen, werden im VersVG ausdrücklich angeführt (§§ 6, 23 ff, 39, 60 und 70 VersVG - vgl Schauer, Versicherungsvertragsrecht3 304). Im Bereich der Haftpflichtversicherung sieht § 158 VersVG (ebenso wie § 96 VersVG in der Feuerversicherung und § 113 VersVG in der Hagelversicherung) ein Kündigungsrecht für beide Vertragspartner vor, wenn ein Versicherungsfall eingetreten ist. Diese Regelung dient in erster Linie dem Zweck, einer möglichen Störung des Vertrauensverhältnisses unter den Vertragsparteien Rechnung zu tragen, die gerade im Versicherungsfalle naheliegt (Voit in Prölss/Martin VVG26 § 158 Rz 3; Späte aaO 647; vgl Baumann aaO Rz 1 zu § 158). In Betracht kommen zB die Verärgerung über den Vorwurf der Arglist oder falscher Angaben, über eine verzögerte Abwicklung sowie das Unbehagen bei fehlender Beweisbarkeit entscheidender Umstände uam. (vgl Voit aaO). § 158 VersVG beruht (ebenso wie §§ 96 und 113 VersVG) darauf, dass das Versicherungsverhältnis in besonderem Maße auf gegenseitigem Vertrauen basiert. Dem Kündigungsrecht im Versicherungsfall liegt der Erfahrungssatz zugrunde, dass die Wahrnehmungen anlässlich des Schadensfalls häufig bei dem einen oder dem anderen Teil den begründeten Wunsch hervorrufen, an den Vertrag nicht weiter gebunden zu bleiben. Für den Versicherungsnehmer ist das Kündigungsrecht gewissermaßen ein Korrelat dafür, dass er das Ergebnis einer Schadensbearbeitung durch den Versicherer grundsätzlich hinzunehmen hat (Baumann aaO). Für den Versicherer begründet es die Möglichkeit, sich von schadensträchtigen Verträgen lösen zu können (Späte aaO 647 f mwN). Der Grund für das außerordentliche Kündigungsrecht kann auch darin gesehen werden, dass sich der Wert einer Versicherung erst im Ernstfall erweist (Johannsen aaO V Anm D 28).

Das für die Haftpflicht-, Feuer- und Hagelversicherung normierte gesetzliche Kündigungsrecht aus Anlass des Versicherungsfalls ist grundsätzlich dispositiv; die durch die VersVG-Novelle 1994 eingeführten §§ 158a Abs 2, 108 Abs 1 und 115a Abs 3 VersVG statuieren allerdings, dass Abweichungen für beide Teile gleich sein müssen (Erfordernis der "paritätischen Kündigungsmöglichkeit"). Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass unter "Gleichheit" formale Gleichheit zu verstehen ist, da nur durch diese relativ leicht eine sichere, für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer auch durchführbare Gleichheitsprüfung erfolgen kann. Würde man für das Vorliegen von "Gleichheit" auch "materielle" (inhaltliche) Gleichheit der Kündigungsrechte beider Parteien genügen lassen, müsste der Versicherungsnehmer, um dessen Schutz es dem Gesetzgeber offensichtlich in erster Linie ging, unter Umständen aufwändige Abwägungen vornehmen, um beurteilen zu können, ob er kündigen kann oder ob der Versicherer zu Recht gekündigt hat - Abwägungen, die ihn in aller Regel überfordern werden (Fenyves in Fenyves/Kronsteiner/Schauer, Komm VersVG-Novellen Rz 2 zu § 108).

Ebenfalls zutreffend haben die Vorinstanzen aber (Fenyves aaO folgend) auch erkannt, dass die aus Evidenzgründen jedenfalls zu fordernde formale Gleichheit der Kündigungsrechte der beiden Parteien noch nicht bedeuten muss, dass eine diesem Erfordernis entsprechende Abweichung von § 158 VersVG (bzw §§ 96 und 113 VersVG) auch zulässig ist. (In den Versicherungsbedingungen enthaltene) Abweichungen sind vielmehr auch noch einer Inhaltskontrolle iSd § 879 Abs 3 ABGB zu unterziehen.

Während nun die Vorinstanzen die Meinung vertreten, die gegenständliche, von § 158 VersVG abweichende, für beide Teile formal gleiche Klausel des Art 12 Pkt 2.2. AHVB 1995/EHVB 1995 sei inhaltlich angemessen und halte daher einer Kontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB stand, vertreten die Beklagten auch in der Revision weiterhin die Ansicht, dass sie diese Vertragsbestimmung iSd § 879 Abs 3 ABGB gröblich benachteilige und daher nichtig sei.

Der erkennende Senat des Obersten Gerichtshofs hat dazu erwogen:

Der Gesetzgeber hat mit der genannten, durch die KSchG-Novelle 1947 eingeführten Bestimmung angeordnet, dass in AGB oder Vertragsformblättern enthaltene, Nebenleistungen betreffende Bestimmungen nichtig sind, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls einen Teil "gröblich benachteiligen". Dies soll, wie der Oberste Gerichtshof etwa in der Entscheidung 1 Ob 1/00d, SZ 73/158 = RdW 2001, 147 = EvBl 2001, 221/49 = ecolex 2001, 199 = ZVR 2001, 320/87 ausgeführt hat, der Verhinderung unfairer Vertragsbestimmungen dienen und den in der Regel schwächeren Vertragspartner vor dem Missbrauch der Privatautonomie durch einen typischerweise überlegenen Vertragspartner schützen. Nach den Materialien (RV 744 BlgNR 14. GP, 46; JAB 1223 BlgNR 14. GP, 5) treffen bei den in AGB und Vertragsformblättern enthaltenen Klauseln über Nebenbestimmungen des Vertrags häufig zwei Momente aufeinander: Einerseits die objektive Unbilligkeit solcher Bestimmungen infolge einseitiger Verschiebung des vom Gesetz vorgesehenen Interessenausgleichs durch den Vertragsverfasser zum Nachteil seines Partners und andererseits die "verdünnte Willensfreiheit" bei diesem Vertragspartner, durch die dieser Vertragsbestandteile zum Inhalt seiner Erklärung macht, die er nicht wirklich will (SZ 56/62 = JBl 1983, 534 [zust. F. Bydlinski] = EvBl 1983/129 mwN; Apathy in Schwimann 2 V § 879 Rz 30). Bei der in einem beweglichen System vorzunehmenden Beurteilung (Krejci, Bewegliches System und kombinatorisch gestaltete Anfechtungs- und Nichtigkeitstatbestände in F. Bydlinski ua, Das bewegliche System im geltenden und künftigen Recht 138), ob eine in AGB oder in einem Vertragsformblatt enthaltene Bestimmung eine "gröbliche" Benachteiligung des Vertragspartners bewirkt, hat sich der Rechtsanwender am dispositiven Recht als dem Leitbild eines ausgewogenen und gerechten Interessenausgleichs zu orientieren (JBl 1982, 652; RIS-Justiz RS0014676; Krejci in Rummel 3 § 879 Rz 240). Nach stRspr können Abweichungen vom dispositiven Recht unter Umständen schon dann eine gröbliche Benachteiligung sein, wenn sich dafür keine sachliche Rechtfertigung ins Treffen führen lässt (SZ 56/62; SZ 57/41 = JBl 1985, 233 = EvBl 1984/110; 9 ObA 179/89, RdW 1989, 370 = DRdA 1991, 324 [Ritzberger, Moser] = Arb 10.816), jedenfalls aber dann, wenn die dem Vertragspartner zugedachte Rechtsposition in einem auffallenden Missverhältnis zur vergleichbaren Rechtsposition des anderen steht (1 Ob 638/94, ecolex 1995, 332 = RdW 1995, 258; RIS-Justiz RS0016914). Die Beurteilung, ob die Abweichung von der für den Durchschnittsfall getroffenen Norm sachlich gerechtfertigt ist, erfordert damit eine umfassende, die Umstände des Einzelfalls berücksichtigende Interessenabwägung, bezogen auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (SZ 56/62; SZ 57/41 je mwN; 6 Ob 320/98x, RdW 1999, 460 = ecolex 1999, 538 [Wilhelm] = bbl 1999, 161; Krejci aaO).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist bei Prüfung der Frage, ob Art 12 Pkt 2.2. AHVB/EHVB 1995 für die Beklagten iSd § 879 Abs 3 ABGB gröblich benachteiligend ist, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts allerdings sehr wohl auch ins Kalkül zu ziehen, dass der Kündigungsgrund nach dem Versicherungsfall überwiegend dem Interesse des Versicherungsnehmers dient (Kohlhosser in Prölss/Martin 26, Rz 1 zu § 96; Fenyves aaO), der ihn auch häufiger in Anspruch nimmt als der Versicherer (vgl Martin, Sachversicherungsrecht3 950; Fenyves aaO). Berücksichtigt man dies und weiters auch den Umstand, dass der Gesetzgeber das Kündigungsrecht nach dem Versicherungsfall geschaffen hat, um beiden Partnern eine erleichterte Möglichkeit zur Auflösung des Versicherungsvertrags einzuräumen, die nach den allgemeinen Regeln für Dauerschuldverhältnisse nicht gegeben wäre, so erweist sich auch der Hinweis des Berufungsgerichts, dem Versicherungsnehmer bleibe ja immer die Möglichkeit, den Vertrag aus (allgemein) "wichtigen Gründen" vorzeitig aufzulösen, als nicht stichhältig. Vielmehr ist auch der weiteren Argumentation von Fenyves, aaO, beizupflichten, Vereinbarungen seien trotz formaler Gleichheit gemäß § 879 Abs 3 ABGB unzulässig, die das Recht des Versicherungsnehmers zur Schadenfallkündigung zu stark einschränkten, ihm dieses Recht also in der Mehrzahl der Fälle wegnähmen.

Betrachtet man Art 12 Punkt 2.2. AHVB/EHVB 1995 unter diesem Aspekt, bestehen gegen die Bestimmung der Beschränkung der Kündigungsmöglichkeit darauf, dass in der Versicherungsperiode insgesamt bereits zwei Schadensfälle eingetreten seien und die dafür insgesamt zu leistende Entschädigung eine Jahresprämie übersteige, in Ansehung des gegenständlichen Vertrags keine Bedenken. Kann doch diese Klausel noch als eine beide Partner bindende Bagatellgrenze für die Ausübung des Kündigungsrechts nach dem Versicherungsfall angesehen werden, die in den schon von den Vorinstanzen zitierten Gesetzesmateralien (JAB 1722 BlgNR 18. GP S. 6 f) als Beispiel für eine zulässige Abänderung des in den §§ 96 bzw 113 VersVG vorgesehenen Kündigungsrechts angeführt wird.

Anders verhält es sich allerdings mit der die Kündigungsmöglichkeit darauf einschränkenden Klausel, dass die für einen Schadensfall zu leistende Entschädigung 5 % der Versicherungssumme übersteigen müsse, was im vorliegenden Fall bei einer Versicherungssumme von EUR 726.728,34 (= S 10 Mio) eine Mindestschadenssumme von EUR 36.336,41 (= S 500.000,- -) bedeutet: Demnach soll bei einer von den Beklagten zu leistenden Jahresprämie von EUR 3.406,90 erst ein EUR 36.336,41 übersteigender Schaden für eine Schadenfallkündigung ausreichen. Bei - der Klägerin ohne weiteres zuzusinnender - realistischer Prämiengestaltung kann eine durchschnittliche Kalkulation mit einem oder gar mehreren solch hohen Schadensfällen keineswegs angenommen werden; würde doch im vorliegenden Fall ein solcher Schaden sogar die Summe aller Prämien im gesamten vereinbarten Versicherungszeitraum von 10 Jahren übersteigen. Damit liegt klar auf der Hand, dass die "5 %-Klausel" hier eine Schadensfallkündigung in der Mehrzahl der Fälle ausschließt und daher im aufgezeigten Sinn unzulässig ist. Im Gegensatz dazu erscheint die als Untergrenze genannte Mindestschadenssumme von EUR 3.633,64 im Sinne einer erlaubten Bagatellbegrenzung unbedenklich.

Bei dieser Situation eines nur teilweise unzulässigen Inhalts der gegenständlichen Vertragsklausel stellt sich die Frage nach einer geltungserhaltenden Reduktion: Nach hA ist eine unerlaubte Bestimmung, insbesondere eine gröblich benachteiligende Klausel in AGB nicht gänzlich nichtig, sondern nur insoweit, als sie unzulässig ist (Apathy in Schwimann 2 V Rz 38 zu § 879 mwN), maW also nur insoweit nichtig, als die Gröblichkeit ihrer Nachteiligkeit reicht (Krejci in Rummel 3 Rz 256 zu § 879 mwN; aA Iro, RdW 1987, 7; Fitz, FS Schnorr 645, aber auch die dt Lehre - wN siehe bei Krejci aaO). Krejci hält aaO diesen ablehnenden Stimmen entgegen, bei der geltungserhaltenden Reduktion gehe es keineswegs um eine "Meistbegünstigung" des AGB-Verwenders, sondern um ein gerade bei der Interpretation von AGB besonders gebotenes, weitgehend objektives Verständnis des gemeinsamen Willens der Vertragsparteien. Die geltungserhaltende Reduktion sei insofern nichts anderes als eine vertragsteleologische Reduktion des Inhaltes der gesetzwidrig formulierten AGB-Klausel auf das gesetzlich Erlaubte, also ein Konversionsfall. Eine derartige Deutung des Vertragsinhaltes sei freilich nur dann möglich, wenn ein entsprechender hypothetischer Parteiwille mit hinreichender Stringenz überhaupt erkennbar sei. Im Ergebnis sei der Unterschied zwischen einer geltungserhaltenden Reduktion und einer Vertragsergänzung unter Berücksichtigung der aus dem Vertrag ableitbaren Maximen und des redlichen Parteiwillens unter Annahme des Wegfalles der gesetzwidrigen AGB-Klausel eher ein methodischer als ein inhaltlicher.

Der erkennende Senat hält diese Ausführungen Krejcis für überzeugend und geht daher davon aus, dass unter den genannten Prämissen AGB-Klauseln im Sinne einer geltungserhaltenden Reduktion mit ihrem zulässigen Inhalt bestehen bleiben (Koziol/Welser, Bürgerliches Recht12 I 165). Nur bei Verbraucherverträgen scheidet diese Lösung allerdings seit der Einfügung des § 6 Abs 3 KSchG aus, weil zu weit gefasste Klauseln dem Transparenzgebot widersprechen (Koziol/Welser aaO mwN). Diese Einschränkung ist im vorliegenden Fall aber nicht weiter von Belang, da der gegenständliche Betriebshaftpflichtversicherungsvertrag - wie nicht näher erläutert werden muss - jedenfalls kein Verbrauchergeschäft darstellt.

Ausgehend demnach davon, dass im Sinne einer geltungserhaltenden Reduktion der Bestimmungen des Art 12 Pkt 2.2. AHVB/EHVB 1995 in Ansehung des gegenständlichen Versicherungsvertrags lediglich die "5 %-Klausel" als nichtig zu entfallen hat, erweist sich die von der Klägerin nicht akzeptierte Kündigung als unzulässig, weshalb die Beklagten weiterhin zur Prämienzahlung verpflichtet waren. Im Ergebnis zu Recht haben die Vorinstanzen daher dem - der Höhe nach nicht mehr strittigen - Klagebegehren stattgegeben, weshalb die Revision erfolglos bleiben muss.

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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