Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei zu Handen ihres Vertreters binnen 14 Tagen die mit EUR 399,74 (hierin enthalten EUR 66,62 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger hat mit der beklagten Partei eine Vollkaskoversicherung für seinen PKW Renault mit dem Kennzeichen E***** abgeschlossen, welcher die Allgemeinen Bedingungen der V***** für die Kraftfahrzeug-Kaskoversicherung (AKKB 1997) zugrundeliegen. Art 6 Z 2 derselben lautet wie folgt:
"Art 6
Was ist nicht versichert? (Risikoausschlüsse)
Kein Versicherungsschutz besteht für Schadenereignisse,
1. ...
2. die bei der Verwendung des Kraffahrzeuges bei einer kraftfahrzeugsportlichen Veranstaltung, bei der es auf die Erzielung einer Höchstgeschwindigkeit ankommt, oder ihren Trainingsfahrten, entstehen; dies gilt sinngemäß auch für Perfektions- und Übungsfahrten, soweit nichts anderes vereinbart wurde;
..."
Am 11. 4. 2001 verursachte der am 3. 2. 1984 geborene Sohn des Klägers mit dem Fahrzeug seines Vaters anlässlich einer durchgeführten (und laut Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 9. 4. 2001 bewilligten) "L 17" Ausbildungsfahrt (gemäß § 19 Abs 3 Führerscheingesetz 1997; im Folgenden kurz: FSG) einen Unfall mit Sachschaden, wobei sich die Reparaturkosten (abzüglich Selbstbehalt) auf EUR 4.519,67 (im Ersturteil unrichtig: EUR 4.519,77 - S 64.692,-- abzüglich S 3.500,-- Selbstbehalt = restlich S 62.192,- -) beliefen.
Der Kläger hatte die gegenständliche Vollkaskoversicherung nicht mit der Absicht der Überwälzung des Risikos der Ausbildungsfahrten seines Sohnes abgeschlossen, sondern pflegte neue Fahrzeuge generell für die ersten zwei Jahre immer Vollkasko zu versichern. Bezüglich der "L 17" Ausbildungsfahrten war zwischen den Streitteilen nichts ("anderes") vereinbart worden.
Mit der am 13. 11. 2001 eingebrachten Klage begehrte der Kläger die Verurteilung der beklagten Partei zur Zahlung seines um den Selbstbehalt reduzierten Sachschadens.
Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren nur dem Grunde nach und wendete (zusammengefasst) Leistungsfreiheit nach Art 6 Z 2 AKKB 1997 ein, weil sich der Unfall "bei einer Übungsfahrt im weitesten Sinne des § 122 KFG" ereignet habe. Ohne Einwilligung des Versicherers sei aber auch vom Kläger eine Erhöhung der Gefahr vorgenommen worden, weil er unmittelbar nach dem Beginn der Ausbildungsfahrten seines Sohnes dem Versicherer hievon unverzüglich Anzeige hätte machen müssen, sodass auch gemäß § 23 VersVG Leistungsfreiheit gegeben sei.
Der Kläger replizierte hiezu, dass in den AKKB 1997 ein Haftungsausschluss für "L 17" Ausbildungsfahrten gar nicht enthalten sein könne, weil diese Form der Ausbildungsfahrten erst seit 1. 3. 1999 möglich sei; im Zeitpunkt des Abschlusses der Vollkaskoversicherung sei allerdings § 19 FSG bereits in Kraft gestanden und hätte daher ein spezieller (Risiko-)Ausschluss formuliert werden müssen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es beurteilte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, dass der Begriff "Übungsfahrt" in den AKKB "im Zuge einer logischen Interpretation" seit 1999 auch die "L 17" Ausbildungsfahrten mitumfasse. Es wäre nicht begründbar und auch nicht nachvollziehbar, warum ein Schadensfall während einer Übungsfahrt nach § 122 KFG zu keiner Leistungspflicht führe, anlässlich einer "L 17" Ausbildungsfahrt jedoch schon. Auch letztere falle daher unter den Begriff "Übungsfahrt" laut Art 6 Z 2 AKKB und somit unter diesen Risikoausschluss. Eine derart restriktive Auslegung, nämlich "Übungsfahrt" nur als solche im Sinne des § 122 KFG anzusehen, sei auch "nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht haltbar", spreche doch dafür auch, dass im gleichen Halbsatz von "Perfektionsfahrten" gesprochen werde, die weder im KFG noch im FSG erwähnt und behandelt würden.
Das Berufungsgericht gab der vom Kläger bloß wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es schloss sich der Auslegung und damit dem rechtlichen Ergebnis des Erstgerichtes an. Die Revision wurde für zulässig erklärt, weil zur Frage der Auslegung des Wortes "Übungsfahrten" in den AKKB 1997 keine oberstgerichtliche Judikatur existiere und somit auch nicht durch den Obersten Gerichtshof bisher geklärt sei, ob Ausbildungsfahrten gemäß § 19 FSG "Übungsfahrten" im Sinne der AKKB 1997 seien; der Auslegung dieser Bestimmung komme eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, da die AKKB 1997 als Allgemeine Geschäftsbedingungen vielen Kaskoversicherungsverträgen zugrundegelegt würden und wohl auch oft "Ausbildungsfahrten" im Sinne des § 19 FSG stattfinden würden.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, das bekämpfte Urteil im Sinne einer vollständigen Klagestattgebung abzuändern.
Die beklagte Partei hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in welcher der Antrag gestellt wird, dem gegnerischen Rechtsmittel keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht formulierten Grunde zulässig, jedoch nicht berechtigt.
Streitentscheidend ist die Auslegung des Begriffes "Perfektions- und Übungsfahrten" in Art 6 Z 2 der auf das vorliegende Versicherungsverhältnis anzuwendenden AKKB 1997.
Nach ständiger Rechtsprechung sind Allgemeine Versicherungsbedingungen nach Vertragsauslegungssätzen (§§ 914 f ABGB) auszulegen, wobei sich die Auslegung am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers zu orientieren hat (RIS-Justiz RS0050063, RS0008901; ebenso BGH NVersZ 2001, 117 uam; Fenyves, Das Verhältnis von Auslegung, Geltungskontrolle und Inhaltskontrolle von AVB als methodisches und praktisches Problem in FS F. Bydlinski [2001], 121 [123 f]). Einzelne Klauseln sind, wenn sie nicht auch Gegenstand von Vertragsverhandlungen waren (was hier nicht gegeben war), objektiv unter Beschränkung auf ihren Wortlaut auszulegen (RIS-Justiz RS0008901; 7 Ob 93/00b; 7 Ob 142/03p). In allen Fällen ist der einem objektiven Beobachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen (7 Ob 93/00b; 7 Ob 127/99y = SZ 72/96; zuletzt 7 Ob 142/03p; RIS-Justiz RS0112256, RS0017960).
Das Risiko des Versicherers ist die Möglichkeit der Verwirklichung der versicherten Gefahr (Schauer, Österr. Versicherungsvertragsrecht3 146). Risikoausschlüsse - wie der hier auch ausdrücklich als solcher übertitelte Art 6 der maßgeblichen Versicherungsbedingungen - schränken den zugesagten Versicherungsschutz ein (vgl 7 Ob 134/03m); ein Schaden, der nicht in den Deckungsbereich fällt, ist nicht versichert (Schwintowski in Berliner Komm Rn 22 ff zu § 6; Riedmeyer, Obliegenheitsverletzung in der Kraftfahrtversicherung, zfs 2000, 47 [48]). Der Zweck liegt in der Regel darin, dass ein für den Versicherer nicht überschaubares und nicht kalkulierbares (jedoch gefahrenrelevantes) Teilrisiko ausgenommen und eine sichere Kalkulation der Prämie ermöglicht werden soll (Schauer in Berliner Komm, Rn 8 Vorbem §§ 49 - 68a). Die Beweislast für einen Risikoausschluss trifft den Versicherer (Schauer, aaO Rn 68 mwN; RIS-Justiz RS0107031). Als Ausnahmetatbestand, welcher die vom Versicherer übernommene Gefahr einschränkt oder ausschließt, dürfen solche Ausschlüsse allerdings nicht weiter ausgelegt werden, als es ihr Sinn unter Betrachtung ihres wirtschaftlichen Zweckes und der gewählten Ausdrucksweise sowie des Regelungszusammenhanges erfordert (RIS-Justiz RS0107031; 7 Ob 26/97t).
Alle diese für eine Auslegung in Rechtsprechung und Lehre herausgearbeiteten Kriterien auf den vorliegenden Fall angewandt ergibt sich die Richtigkeit der vom Berufungsgericht vorgenommenen Beurteilung. Abgesehen von den in Art 6 Z 1, 2 erster Halbsatz, Z 3 und 4 AKKB 1997 verankerten und hier nicht weiter relevanten Tatbeständen soll auch der in Z 2 zweiter Halbsatz verankerte Ausschluss eines Versicherungsschutzes den Kaskoversicherer (jedenfalls auch) vor der Übernahme des schon nach der allgemeinen Lebenserfahrung höheren Risikos schützen, das ganz allgemein darin liegt, dass ein noch nicht völlig versierter, mit der Handhabung aller Fahrzeugbedienungselemente und der Vielzahl straßenverkehrstypischer Situationen noch nicht vertrauter Lenker (der gerade deswegen eben noch entsprechender "Perfektions- und Übungsfahrten" bedarf) ein gegenüber einem über diese Erfahrungen bereits verfügenden Verkehrsteilnehmer wesentlich höheres Risiko für die Verkehrssicherheit und damit für ein Schadensereignis darstellt (vgl hiezu schon SZ 42/71; zur Statistik in Verkehrsunfälle verwickelter Jugendlicher mit und ohne die Praxis von Ausbildungsfahrten vgl auch RV 714 BlgNR 20. GP, 40 zu § 19 FSG). Dieses Ergebnis folgt bereits aus dem insoweit klaren und eindeutigen Wortlaut der Ausschlussklausel, ohne dass es noch eines Rückgriffes auf weitere Interpretationskriterien bedürfte (vgl 7 Ob 218/97b). Der vom Revisionswerber aus dem zwischen erstem und zweitem Halbsatz gesetzten Strichpunkt abgeleiteten Schlussfolgerung, wonach letzterer Satzteil von einem "als Maßstab heranzuziehenden durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer so verstanden werden muss, dass der Ausschluss sich nur auf Perfektions- und Übungsfahrten im Zusammenhang mit kraftfahrsportlichen Veranstaltungen bezieht", vermag sich der Senat hiebei schon deshalb nicht anzuschließen, weil es sich - sprachlich wie grammatikalisch - um gleichrangige selbständige Sätze handelt, die auch durch einen Punkt getrennt hätten werden können, und für den (ersten) Anwendungsfall der "kraftfahrsportlichen Veranstaltung" (hiezu jüngst ausführlich 7 Ob 51/03f) der für eine solche wesentlich typischere Begriff der "Trainingsfahrten" gewählt wurde. Insoweit bedarf es hiefür auch keines Rückgriffes auf die Unklarheitenregel des § 915 ABGB.
Dass der Gesetzgeber - nach ausländischen Vorbildmodellen (vgl RV 1309 BlgNR 17. GP, 11 zur 13. KFG-Nov BGBl 1990/458; RV 714 BlgNR 20. GP, 40 zum FSG) - die Verwendung von Fahrzeugen zu "Übungsfahrten" zulässt - wobei zur Vermeidung von Wiederholungen auf die diesbezügliche historische Zusammenfassung des Berufungsgerichtes verwiesen werden kann -, kann auf Grund des hiemit schlechthin verbundenen und bereits näher aufgezeigten höheren Risikos für den Versicherer auch nicht mit (aus einzelnen führerscheinrechtlichen Bestimmungen abgeleiteten) Argumenten zum Vorliegen bestimmter, dem Fahrer zuvor abverlangter "Theorieeinheiten", "Praxisstunden" oder dem "besonderen Naheverhältnis zwischen Begleiter und Bewerber" entkräftet werden. Bei aller Unterschiedlichkeit in den terminologischen Bezeichnungen einerseits und den inhaltlichen Voraussetzungen andererseits hält der erkennende Senat vielmehr dafür, dass der wirtschaftliche Zweck, die gewählte Ausdrucksweise sowie der dargestellte Regelungszusammenhang grundsätzlich Übungsfahrten (§ 122 KFG), Ausbildungsfahrten (§ 19 Abs 3 FSG; FSB-VBV BGBl II 1999/54) und Perfektionsfahrten (§ 4b Abs 1 Z 1 und 3 FSG) gleichermaßen unter die Risikoausschlussbestimmung des Art 6 Z 2 (zweiter Halbsatz) AKKB 1997 zu subsumieren sind. In jedem dieser Fälle handelt es sich zweifelsfrei - gleichsam als gemeinsames Bindeglied - um Fahrten, die dem theoretisch wie praktisch zwar (mehr oder weniger) geschulten, jedoch noch nicht sicheren Be- und Erwerber einer Lenkberechtigung die nötigen praxisbezogenen Erfahrungen zur Hintanhaltung eigener wie fremder Verkehrsgefährdungen liefern sollen, damit so "der jugendliche Fahranfänger lernt, sich verantwortungsbewusst im Straßenverkehr zu bewegen und das Fahrzeug besser zu beherrschen" (nochmals RV 714 BlgNR 20. GP, 40). Dieses damit dem Versicherer erwachsende (vermehrte) Risiko auszuschließen, ist Sinn und Zweck der vereinbarten Ausschlussklausel; Anderes (Gegenteiliges) zu vereinbaren, wäre dem Kläger als Versicherungsnehmer freigestanden, ist jedoch nach der Aktenlage nicht geschehen (und wird von ihm auch im Rechtsmittel nicht behauptet).
Seinem Rechtsmittel war damit ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 , 50 ZPO.
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