OGH 14Os88/03

OGH14Os88/035.8.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. August 2003 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Habl, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart des Rechtspraktikanten Mag. Allmayer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Goran S***** wegen der Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 26. März 2003, GZ 123 Hv 22/03m-40, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Solé, des Angeklagten und seiner Verteidigerin Dr. Pfeifer zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Beurteilung der unter I./1.)a) beschriebenen Tat als Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und demzufolge im Strafausspruch (mit Ausnahme der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Goran S***** hat durch die ihm nach dem unberührt gebliebenen Schuldspruch zu I./1.)a) zur Last liegende Tat das Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 2 StGB begangen und wird hiefür sowie für die ihm nach den weiteren aufrecht gebliebenen Schuldsprüchen zur Last liegenden strafbaren Handlungen nach §§ 28 Abs 1, 142 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren verurteilt. Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Strafneubemessung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Goran S***** der Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (I./1.)a) und b)) sowie des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB (I./2.)) und des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (II./) schuldig erkannt. Danach hat er in Wien

I./ durch Gewalt bzw durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) durch Vortäuschen des Vorhandenseins einer Waffe anderen Personen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern,

1.) abgenötigt, und zwar

a) Mitte November 2002 dem Philipp O***** Bargeld in der Höhe von 20 EUR durch die Äußerung: "Ich habe etwas einstecken, was ich nicht benützen möchte, gib mir Geld";

b) am 19. November 2002 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit zwei unbekannten Mittätern dem Daniel G***** einen Walkman Sony im Wert von ca 300 EUR durch Versetzen eines kräftigen Stoßes verbunden mit den Worten: "Ich habe eine Pistole eingesteckt" und "Gib mir deinen Walkman, sonst mache ich von meiner Waffe Gebrauch";

2.) abzunötigen versucht, und zwar am 19. November 2002 der Daniela T***** einen Discman Sony im Wert von ca 100 EUR, indem er seine Hand über ihre Schulter legte und äußerte: "Ich will dir nicht weh tun und ich will dich auch nicht anschießen, aber ich habe eine Waffe", wobei er bei seinem Vorhaben durch Franz M***** gestört wurde; II./ am 19. November 2002 Franz M***** durch die Äußerung: "Ich habe einen Revolver", wobei er in die Jackentasche griff und so tat, als ob er eine Waffe ziehen wollte, gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Rechtliche Beurteilung

Diese Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 3, 5, 9 lit a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der nur teilweise Berechtigung zukommt.

Der Verfahrensrüge (Z 3) zuwider wurden die Angaben des zur Hauptverhandlung nicht erschienen Zeugen Philipp O***** einverständlich verlesen (§ 252 Abs 1 Z 4; S 243).

Die Mängelrüge (Z 5) bezieht sich mit der Behauptung eines Widerspruchs in den Angaben des zu Faktum II./ bedrohten Zeugen Franz M***** in Bezug darauf, ob es sich bei der vorgetäuschten Waffe um einen Revolver (S 41) oder um ein Messer (S 237) handelte, auf keine entscheidende Tatsache. Im Übrigen sind die Tatrichter bei ihrer Beweiswürdigung von der geständigen Verantwortung des Angeklagten ausgegangen (US 7), dessen betreffende Erklärung (S 233) sich ohne Einschränkung auf den Anklagesachverhalt bezog.

Die mangelnde Konstatierungen zur subjektiven Tatseite behauptende Rechtsrüge (Z 9 lit a) übergeht hinwieder die diesbezüglichen expliziten Urteilsannahmen (US 7).

Verabsäumt die Subsumtionsrüge (Z 10) einerseits mit der lapidaren Behauptung, weil die zu I./2.) angelastete Tat keine Folgen nach sich gezogen habe, "wäre jedenfalls § 142 Abs 2 anzuwenden gewesen", eine methodisch vertretbare Ableitung aus dem Gesetz, welches kumulatives (Eder-Rieder, WK2 § 142 Rz 55) Vorliegen der Voraussetzungen minderschweren Raubes verlangt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588), kommt ihr andererseits im Ergebnis hinsichtlich Faktum I./1.)a) Berechtigung zu:

Nach den erstgerichtlichen Feststellungen tippte der Angeklagte dem am 4. April 1984 geborenen Philipp O***** auf die Schulter und sagte in der Folge: "Gib mir dein Geld", wobei er in seine Tasche griff, diese ausbeulte und hinzufügte: "Ich habe etwas einstecken, was ich nicht benützen möchte," worauf ihm das Opfer 20 EUR aushändigte, weil es durch diese Vorgangsweise eingeschüchtert war und meinte, der Angreifer habe eine Waffe. Als Philipp O***** in den folgenden Tagen das Foto des Angeklagten in der Zeitung sah, erstattete er Anzeige (US 5).

Angesichts dieser Konstatierungen liegen sämtliche zur Beurteilung als minderschwerer Raub erforderlichen Voraussetzungen vor, handelt es sich beim Tatobjekt doch jedenfalls um eine Sache geringen Werts (Fabrizy StGB8 § 142 Rz 7), die dem Opfer ohne Anwendung erheblicher Gewalt abgenötigt wurde.

Da die Bestimmung des § 142 Abs 2 StGB unter den Tatmitteln nur bei jenen der Gewalt abstuft, schließt eine gefährliche Drohung, selbst mit dem Tod, als Begehungsmittel des Raubes die Anwendung der Privilegierung nicht aus (Eder-Rieder aaO Rz 56 mwN, zuletzt 15 Os 20/03).

Der vom Schöffengericht gezogene Schluss, in derart gelagerten Sachverhalten seien die sonstigen Tatfolgen - insbesondere wenn es sich um jüngere Opfer handelt - generell nicht als gering anzusehen, ist hingegen nicht zulässig, ist doch das Vorliegen sämtlicher privilegierender Tatbestandsmerkmale, also auch der nur unbedeutenden Tatfolgen - auch auf der psychischen Ebene, wie etwa Angst- und Schockzustände - in jedem Einzelfall gesondert unter Zugrundelegung des jeweiligen Sachverhalts zu prüfen. Feststellungen, dass derartige Umstände vorgelegen sein könnten, wurden vom Erstgericht - wie beschrieben - nicht getroffen und könnten angesichts der Angaben des Tatopfers, das weder vor der Bundespolizeidirektion Wien noch vor dem Untersuchungsrichter (S 143 f, 165 ff) in diese Richtung weisende Angaben gemacht, sondern lediglich auf seine Einschüchterung zum Tatzeitpunkt hingewiesen hat, in einem zweiten Rechtsgang auch nicht getroffen werden, sodass sogleich in der Sache selbst entschieden werden konnte.

Bei der demzufolge erforderlichen Strafneubemessung waren das Zusammentreffen dreier Verbrechen mit einem Vergehen, drei wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Taten erfolgte, an sich rückfallsbegründende (§ 39 StGB) Vorverurteilungen und der äußerst rasche Rückfall als erschwerend zu berücksichtigen; mildernd war hingegen, dass es in einem Fall beim Versuch blieb und der Angeklagte ein reumütiges Geständnis ablegte.

Im Gegensatz zu den Ausführungen des Erstgerichts, das nur eine Vorstrafe als einschlägig erachtete, mit Recht aber hiebei wegen erfolgter Bedachtnahme die beiden unter anderem wegen schweren Raubes verhängten Erstverurteilungen des Angeklagten zusammenfasste, beruhen Verbrechen nach dem Suchtmittelgesetz und strafbare Handlungen gegen Leib oder Leben auf der gleichen schädlichen Neigung (Jerabek, WK2 § 71 Rz 8).

Auch unter Berücksichtigung, dass mit Blick auf die aktenkundigen Vollzugsdaten eine Strafschärfung bei Rückfall an sich möglich wäre, erachtet sich der Oberste Gerichtshof zum Ausspruch einer gegenüber der erstgerichtlichen fünfjährigen Sanktion maßvoll niedrigeren Strafe bestimmt. Handelt es sich doch um Beschaffungskriminalität eines in ungünstigen Verhältnissen lebenden schwer süchtigen Täters mit relativ geringem (hinsichtlich der Fakten I./1.)b) und 2.) aber die Grenze des § 142 Abs 2 StGB jedenfalls übersteigendem) Beutewert und waren die getätigten Drohungen mangels Mitführens einer betreffenden Waffe nicht realisierbar.

Mit seiner Berufung, der nur entgegengehalten sei, dass ein bloß angekündigter, aber nicht umgesetzter Wille zur Lebensumgestaltung nicht als mildernd zustatten kommt, war der Angeklagte auf die Strafneubemessung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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