OGH 3Ob120/03y

OGH3Ob120/03y17.7.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei R***** reg. GenmbH, ***** vertreten durch Dr. Hans-Jörg Schachner, Dr. Hubert Schweighofer und Dr. Gerhard Taufner, Rechtsanwälte in Melk, wider die verpflichtete Partei Walter E*****, vertreten durch Dr. Walter Kossarz, Rechtsanwalt in Krems an der Donau, wegen 51.146,89 EUR = 703.796,57 S sA, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 31. März 2003, GZ 7 R 11/03b-35, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Melk vom 12. Dezember 2002, GZ 3 E 522/00a-30, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen die teilweise Einstellung des Verfahrens betreffend das zu C-LNR 6a auf der Liegenschaft EZ ***** einverleibte Fruchtgenussrecht richtet, zurückgewiesen.

Im Übrigen wird der angefochtene Beschluss aus Anlass des Revisionsrekurses einschließlich der Kostenentscheidung als nichtig aufgehoben.

Dem Rekursgericht wird die neuerliche Entscheidung über den Rekurs der Verpflichteten gegen den Beschluss ON 30 aufgetragen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekurses bleibt der Entscheidung über den Rekurs der verpflichteten Partei vorbehalten.

Text

Begründung

Das Erstgericht bewilligte mit Beschluss vom 14. März 2000 der betreibenden Partei gegen den Verpflichteten rechtskräftig zur Hereinbringung einer vollstreckbaren Forderung von 703.796,57 S = 51.146,85 EUR sA die Exekution durch Pfändung eines unter C-LNR 1 und 6 im Grundbuch eingetragenen Fruchtgenussrechts an der im Miteigentum von zwei Personen stehenden Liegenschaft EZ 477 ... (im Folgenden nur Liegenschaft). Die Entscheidung über den Verwertungsantrag (durch Zwangsverwaltung) behielt sich das Erstgericht vor. Über den Einstellungsantrag des Verpflichteten vom 31. Juli 2000 ON 5 entschied das Erstgericht bisher nicht. Einen weiteren Einstellungsantrag stellte der Verpflichtete am 2. November 2000 (ON 7). Auch darüber erfolgte bisher keine Entscheidung, ebensowenig über den weiteren Einstellungsantrag vom 14. März 2001 (ON 11). In der Tagsatzung vom 4. August 2000 ON 6 hatte sich die betreibende Partei damit einverstanden erklärt, die zur Deckung des dringenden Wohnbedürfnisses des Verpflichteten erforderlichen Räumlichkeiten im Erdgeschoß des Hauses aus dem Zwangsverwaltungsverfahren auszuscheiden.

Mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2001 ON 13 beantragte die betreibende Partei ausdrücklich die Fortsetzung des Verwertungsverfahrens. Darin brachte sie u.a. vor, die Liegenschaftshälfte der einen Drittschuldnerin sei ihr am 22. Juni 2001 (in einem anderen Exekutionsverfahren) zugeschlagen worden. Da der Fruchtgenuss ideell teilbar sei, bleibe dieses Exekutionsverfahren nach Verbücherung des Zuschlags ob der Liegenschaftshälfte der zweiten Miteigentümerin weiter aufrecht. Sie setze nunmehr das Verwertungsverfahren fort und beantrage die Einleitung eines Zwangsverwaltungsverfahrens, wofür ein Zwangsverwalter namhaft gemacht wurde. Gleichzeitig beantragte sie, zur anzuberaumenden Tagsatzung zur Vernehmung der Parteien beide Drittschuldnerinnen zu laden.

Das Erstgericht bewilligte rechtskräftig diesen Antrag. Am 14. März 2002 zog die betreibende Partei unter ausdrücklicher Aufrechterhaltung des erworbenen Pfandrechts auf dem Fruchtgenussrecht des Verpflichteten ihren Antrag auf Verwertung durch Zwangsverwaltung zurück und beantragte, die schon anberaumte Tagsatzung abzuberaumen (ON 22).

Mit Beschluss vom 12. Dezember 2002 ON 30 stellte das Erstgericht die Exekution "mit Zustimmung der betreibenden Partei unter Aufrechterhaltung des Pfandrechts gemäß § 129 Abs 4 EO" ein und bestimmte die Kosten des Einstellungsantrags ON 22 als weitere Kosten des Exekutionsverfahrens.

Mit Punkt III. des angefochtenen Beschlusses gab das Rekursgericht dem gegen diese Entscheidung erhobenen Rekurs des Verpflichteten dahin Folge, dass es die bewilligte Exekution auf das für den Verpflichteten auf der Liegenschaft unter C-LNR 1a und C-LNR 6a einverleibte Fruchtgenussrecht gemäß § 39 Abs 1 Z 8 EO einstellte. Es verwies die betreibende Partei mit ihrem Antrag auf Aufrechterhaltung ihres Pfandrechts auf diese Entscheidung und trug dem Erstgericht die grundbücherliche Durchführung seines Beschlusses auf. Die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses begründete die zweite Instanz damit, dass zur Frage der gänzlichen Einstellung eines Exekutionsverfahrens auf einen nur auf einer Liegenschaftshälfte eingetragenen Fruchtgenuss oberstgerichtliche Entscheidungen fehlten.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der betreibenden Partei ist teils unzulässig, teils ist aus seinem Anlass der angefochtene Beschluss als nichtig aufzuheben.

a) In ihrem Revisionsrekurs macht die betreibende Partei im Wesentlichen geltend, die zweite Instanz gehe zu Unrecht davon aus, dass kein verwertbares Exekutionsobjekt mehr vorhanden sei. Tatsächlich sei die vom Fruchtgenussrecht belastete ideelle Hälfte der Liegenschaft nicht ident mit dem Erdgeschoß des Hauses, in dem der Verpflichtete derzeit wohne. Die Fruchtnießung sei auch auf einem Miteigentumsanteil oder einem ideellen Anteil eines Alleineigentümers möglich. Es scheine rechtlich unerheblich, dass die betreibende Partei durch Zuschlag vom 22. Juni 2001 einen Hälfteanteil der Liegenschaft erworben habe. Auf dem ideellen Hälfteanteil der zweiten Miteigentümerin sei das Fruchtgenussrecht weiterhin einverleibt. Das Erlöschen des Fruchtgenussrechts hinsichtlich eines Hälfteanteils habe keinen Einfluss auf den Fortbestand desselben auf dem verbliebenen ideellen Hälfteanteil, dessen Eigentümer nicht gewechselt habe.

Wie sich auch aus dem offenen Grundbuch ergibt und, wie eben dargelegt, im Revisionsrekurs zugestanden wird, ist nicht nur die betreibende Partei selbst durch Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren Hälfteeigentümerin der Liegenschaft geworden, in diesem wurde auch das auf dieser Liegenschaftshälfte einverleibte Fruchtgenussrecht des Verpflichteten gelöscht. Dieses Exekutionsobjekt ist damit untergegangen, weil gemäß § 237 Abs 3 EO das Exekutionsgericht die Löschung der vom Ersteher nicht übernommenen Lasten und Rechte nach Rechtskraft des Verteilungsbeschlusses auf dessen Antrag zu bewilligen hat. Dementsprechend ist auch die betreibende Partei schon in ihrem (wiederholten) Verwertungsantrag ON 13 davon ausgegangen, dass das Fruchtgenussrecht des Verpflichteten lediglich auf der nicht versteigerten Liegenschaftshälfte weiter aufrecht sei. Ist aber das Exekutionsobjekt untergegangen und damit der Vollzug der bewilligten Exekution nach §§ 331 ff EO insoweit undurchführbar geworden, liegt also eine perplexe Exekutionshandlung vor, war das Verfahren insoweit jedenfalls als undurchführbar einzustellen (vgl Heller/Berger/Stix, EO4, 1248). Daraus folgt aber, dass die betreibende Partei, wie sich auch aus ihren Ausführungen im Revisionsrekurs ableiten lässt, durch die Einstellung des Verfahrens im Umfang des untergegangenen Fruchtgenussrechts auf dem von ihr ersteigerten Liegenschaftsanteil nicht beschwert sein kann. Insoweit ist ihr Revisionsrekurs daher zurückzuweisen.

b) Im übrigen Umfang der Entscheidung der zweiten Instanz liegt dagegen eine von der Revisionsrekurswerberin nicht geltend gemachte Nichtigkeit infolge Überschreitens der funktionellen Zuständigkeit des Rekursgerichts vor.

Da hier keine Ausnahmebestimmung anzuwenden ist, ist zur Einstellung (im hier noch fraglichen Umfang: Einschränkung) der Exekution jenes Gericht zuständig, bei dem die Bewilligung der Exekution in erster Instanz beantragt wurde, oder aber das Exekutionsgericht, wenn der Antrag nach Beginn des Exekutionsvollzugs gestellt wird (§ 45 Abs 2 EO). Da hier Bewilligungs- und Exekutionsgericht identisch sind, kommt für die Einstellungsentscheidung allein das Exekutionsgericht als zuständig in Betracht. Dagegen mangelt es dem Rekursgericht insoweit an der funktionellen Zuständigkeit, als das Rekursverfahren nicht wegen gerade der ausgesprochenen Einstellung geführt wurde (EvBl 1977/37; EvBl 1980/209; Rebernig in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, § 39 Rz 67). Wie in der zuletzt genannten Entscheidung ausgeführt wird, beschränkt sich die Zuständigkeit des Rechtsmittelgerichts auf die Entscheidung über die Rechtsmittelanträge. Dementsprechend wurde in dieser Entscheidung klargestellt, dass in einem Rekurs gegen einen Meistbotsverteilungsbeschluss nicht die Einschränkung oder Einstellung der Exekution begehrt und in der Folge vom Rekursgericht ausgesprochen werden kann.

In diesen Entscheidungen kommt der allgemeine Grundsatz zum Ausdruck, dass ein Rekursgericht nicht ohne Überschreitung seiner funktionellen Zuständigkeit die Entscheidung einer anderen als der vom Erstgericht behandelten Frage an sich ziehen kann. Dies wird insbesondere im Zusammenhang mit der Wahrnehmung von Nichtigkeiten vom Obersten Gerichtshof in stRsp judiziert (RIS-Justiz RS0005849). Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht über einen - in Wahrheit gar nicht vorliegenden - Antrag auf Einstellung des Verwertungsverfahrens entschieden, das Vorliegen eines Einstellungsgrunds nach § 39 EO aber in keiner Weise behandelt. Dass in Wahrheit gar kein Einstellungsantrag gestellt wurde, sondern die betreibende Partei lediglich ihren Verwertungsantrag zurückgezogen hat, spielt keine Rolle für diese Entscheidung. Mit seiner Entscheidung ist das Rekursgericht über jene des Erstgerichts hinausgegangen und hat in Wahrheit nicht den vom Erstgericht zur Grundlage seiner Entscheidung genommenen Antrag der betreibenden Partei behandelt, sondern den allerdings im Verfahren erster Instanz wiederholt gestellten Einstellungsantrag des Verpflichteten nach § 39 Abs 1 Z 8 EO. Dies bewirkt die Nichtigkeit seiner Entscheidung, soweit nicht mangels Beschwer der betreibenden Partei Rechtskraft eingetreten ist. In diesem Umfang ist daher seine Entscheidung aufzuheben (RIS-Justiz RS0042059). Das Rekursgericht wird daher erneut über den Rekurs des Verpflichteten zu entscheiden haben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 78 EO iVm § 52 ZPO.

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