Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Text
Gründe:
Über Antrag der Privatanklägerin G***** GmbH leitete der Untersuchungsrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien mit Beschluss vom 29. November 1999, GZ 28a Vr 10228/99-3 in ON 46 des Aktes 282 Ur 3326/99h die Voruntersuchung gegen Markus H***** und Wolfgang B***** wegen des Vergehens nach § 42 Abs 1 und 2 GMG ein. Den Beschuldigten wird (zusammengefasst) zur Last gelegt, durch die Herstellung von mit einer bestimmten Niederhaltevorrichtung ausgestatteten Eckformmaschinen ein Gebrauchsmuster verletzt zu haben (ON 2 in ON 46).
Der gegen die Verfahrenseinleitung gerichteten Beschwerde der Beschuldigten gab das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 27. März 2000, AZ 21 Bs 45, 62, 63/00 (ON 50), nicht Folge. In der Begründung führte es unter anderem aus, dass sich für die Ansicht der Beschwerdeführer die Einleitung der Voruntersuchung sei unzulässsig, auch nichts aus der im strafgerichtlichen Verfahren über eine Gebrauchsmusterverletzung sinngemäß anzuwendenden Bestimmung des § 156 Abs 3 PatG gewinnen lasse, derzufolge (sofern die Nichtigkeit des Patentes nicht offenbar zu verneinen sei) das Gericht das Verfahren zu unterbrechen habe, wenn ein Urteil davon abhänge, ob das (Patent oder das) Gebrauchsmuster nichtig sei.
Diese zur Vermeidung von Doppelgleisigkeiten, aber auch - ableitbar aus § 156 Abs 5 PatG - von Wiederaufnahmen rechtskräftig abgeschlossener Verfahren in das Gesetz aufgenommene Bestimmung hindere daher schon nach ihrem Wortssinn - dem der Vorzug zu geben sei - nicht die Anklageerhebung und sei auf das Vorverfahren nicht anwendbar, wofür auch spreche, dass § 156 Abs 3 PatG (und mit ihm § 161 leg cit sowie § 42 Abs 4 GMG) im Falle von Zweifeln an der Schutzfähigkeit der Erfindung nur die Unterbrechung des Verfahrens, nicht aber generell die Verweigerung der Verfahrenseinleitung statuiere (S 9 und 10).
Das bezeichnete, gemäß § 56 StPO in das Verfahren AZ 282 Ur 3326/99h des Landesgerichtes für Strafsachen Wien einbezogene Privatanklageverfahren befindet sich im Stadium der Voruntersuchung.
Nach Ansicht des Generalprokurators verletzt der Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 27. März 2000 in der Begründung, wonach § 156 Abs 3 PatG auf das strafprozessuale Vorverfahren nicht anwendbar sei, das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 161, 156 Abs 3 PatG. In der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes wird ausgeführt:
Nach der - zufolge §§ 42 Abs 4 GMG, 161 PatG auch im Strafverfahren (wegen Gebrauchsmusterverletzungen) sinngemäß anzuwendenden - Vorschrift des § 156 Abs 3 erster Satz PatG (idF PatG-Novelle 1977, BGBl 349/1977) hat das Gericht das Verfahren zu unterbrechen, wenn ein Urteil davon abhängt, ob das Patent nichtig (§ 48 PatG, für Gebrauchsmuster vgl § 28 GMG) ist, sofern die Nichtigkeit nicht offenbar zu verneinen ist.
Mit dieser - von der allgemeinen Regel des § 5 StPO abweichenden - Sonderbestimmung wurde den Gerichten (außer im Falle des erwähnten Nichtvorliegens eines derartigen Scheinpatentes) in Abänderung der vorherigen Rechtslage (§ 107 PatG 1950; vgl hiezu Losing/Serini, Österreichisches Strafprozessrecht4 88) die Möglichkeit entzogen, die Nichtigkeit eines Patentes (als Vorfrage) im Verletzungsverfahren selbständig zu beurteilen (EBRV 490 BlgNR 14. GP 16).
Der daraus hervorgehende wesentliche Zweck des § 156 Abs 3 PatG besteht daher (im Umfang der den Gerichten entzogenen Entscheidungskompetenz) offenkundig in der Vermeidung der Wiederaufnahme von - rechtskräftig abgeschlossenen - (gerichtlichen) Patentverletzungsverfahren infolge anderer ("außerrechtliche Kenntnisse" erfordernder - vgl EBRV 265 BlgNR 16. GP 24 zu Z 57) Vorfragebeurteilung durch die Patentbehörden (vgl auch EBRV aaO 23 f zu § 156 Abs 5 PatG).
Derartige - von der ratio des § 156 Abs 3 PatG erfasste - verfahrensbeendende Entscheidungen kommen aber auch im strafprozessualen Vorverfahren in Betracht.
Zufolge § 109 Abs 2 StPO ist nämlich der Untersuchungsrichter (auch in Privatanklageverfahren) ermächtigt, von Amts wegen die Voruntersuchung (auch gegen den Willen des berechtigten Anklägers) einzustellen, wenn etwa der dem Verfolgungsbegehren zugrundeliegende Sachverhalt in keinem Fall eine gerichtliche Strafbarkeit begründet (Foregger/Fabrizy StPO8 § 109 Rz 2; Wedrac, Das Vorverfahren in der StPO 146; Bertel/Venier, Strafprozessrecht7 Rz 562; vgl auch 12 Os 111/02). Diese Art der Verfahrensbeendigung bewirkt, dass eine neuerliche Strafverfolgung wegen derselben Tat nur im Wege der Wiederaufnahme des Strafverfahrens möglich ist (Foregger/Fabrizy aaO Rz 1 mwN).
Demnach käme im gegebenen Zusammenhang die (amtswegige) Verfahrenseinstellung etwa dann in Betracht, wenn das gemäß §§ 156 Abs 3, 161 PatG (§ 42 Abs 4 GMG) befasste Patentamt die - ex tunc wirkende (§ 28 Abs 3 erster Satz GMG; § 48 Abs 3 erster Halbsatz PatG; 4 Ob 403/86) - Nichtigkeit des verfahrensverfangenen Patentes oder Gebrauchsmusters bejaht hat (vgl Friebel/Pulitzer, Österreichisches Patentrecht2 396 mwN).
Hingegen hätte der Untersuchungsrichter - bei Unanwendbarkeit des § 156 Abs 3 PatG im Vorverfahren - die Vorfragen zum (allfälligen) Scheincharakter des gewerblichen Schutzrechtes iSd § 5 StPO (anders als das im Hauptverfahren erkennende Gericht) selbständig zu prüfen, was der eingangs erwähnten Gesetzesintension, nämlich der Verhinderung von Wiederaufnahmeanträgen diametral zuwiderlaufen würde.
Der danach aus teleologischer Sicht gebotenen (unbeschränkten) Anwendbarkeit des § 156 Abs 3 PatG im strafrechtlichen Vorverfahren steht auch nicht dessen Wortinterpretation (Markel, WK-StPO § 1 Rz 29) entgegen. Dass in dieser - vom Ansatz her zivilprozessualen - Bestimmung enthaltene Wort "Urteil" dient nämlich nach der den Gesetzesmaterialien entnehmbaren Intention vor allem der Klarstellung, dass eine Unterbrechung des (beschlussmäßig zu erledigenden) Provisorialverfahrens über einstweilige Verfügungen unzulässig sein soll, weil in einem solchen Verfahren die Rechtsbeständigkeit des Patentes (des Gebrauchsmusters) eine widerlegbare Vermutung darstellt (EBRV 490 BlgNR 14. GP 16; 4 Ob 6/96; Weiser, Österreichisches Patentgesetz/Gebrauchsmustergesetz § 156 PatG Rz 7.1). Eine Übertragung dieser Unterscheidung auf den - ein eigenes (besonders eilbedürftiges) Provisorial- neben dem (sacherledigenden) Erkenntnisverfahren nicht normierenden - Strafprozess ist somit weder naheliegend noch zwingend geboten, was auch durch die nicht zwischen verschiedenen Verfahrensstadien unterscheidenden - Verweisungsbestimmungen der §§ 161 PatG, 42 Abs 4 GMG, welche die sinngemäße Anwendbarkeit des § 156 Abs 3 erster Satz PatG auf das Strafverfahren anordnen, erhärtet wird.
Anzumerken bleibt, dass der in einer Glosse zur Veröffentlichung der betroffenen Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien (Engin-Deniz, ecolex 2000, 732) betonte - im bezeichneten Beschluss jedoch nicht eigens hervorgehobene - Sicherungszweck der Voruntersuchung keinen Grund für die Unanwendbarkeit des § 156 Abs 3 PatG im Vorverfahren darstellt, weil das Gericht trotz einer vorläufigen Verfahrensunterbrechung (ähnlich § 412 StPO) keineswegs an der Vornahme unpräjudizieller und unaufschiebbarer (beweissichernder) Maßnahme gehindert ist (vgl auch § 90a GOG). Der Gefahr von Verfahrensverzögerungen durch mutwillige Nichtigkeitseinwände des Beschuldigten trägt das Gesetz ohnehin durch das dem Gericht belassene Überprüfungsrecht im Bezug auf die offenkundige Haltlosigkeit derartiger Behauptungen (§ 156 Abs 3 zweiter Halbsatz PatG) Rechnung.
Weil - wie das Oberlandesgericht im Ergebnis zutreffend erkannte - § 156 Abs 3 PatG die Zulässigkeit der (vorliegend von der Beschwerde erfassten) Einleitung der Voruntersuchung nicht tangiert, hat sich die aufgezeigte Gesetzesverletzung nicht zum Nachteil der Beschuldigten ausgewirkt.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:
Wer ein Gebrauchsmuster verletzt, ist vom Gericht mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. Ebenso ist der Inhaber oder Leiter eines Unternehmens zu bestrafen, der eine im Betrieb des Unternehmens von einem Bediensteten oder Beauftragten begangene Gebrauchsmusterverletzung nicht verhindert. Ist der Inhaber des Unternehmens eine juristische Person, so ist die Bestimmung auf Organe des Unternehmens anzuwenden, die sich einer solchen Unterlassung schuldig gemacht haben. Für das Strafverfahren gelten die §§ 160, 161 und 164 PatG sinngemäß (§ 42 Abs 1, 2 und 4 GMG).
Gemäß § 161 PatG gilt für das Strafverfahren auch § 156 PatG mit bestimmten Abweichungen.
Nach § 156 Abs 1 PatG kann die Gültigkeit oder Wirksamkeit eines Patentes, auf das die (zivilrechtliche) Verletzungsklage gestützt wird, vorbehaltlich des Abs 3 vom Gericht als Vorfrage selbständig beurteilt werden. § 156 Abs 3 PatG lautet:
Hängt ein Urteil davon ab, ob das Patent nichtig (§ 48) ist, so hat das Gericht das Verfahren zu unterbrechen, sofern die Nichtigkeit nicht offenbar zu verneinen ist. Wenn der Beklagte nicht binnen einem Monat ab Zustellung des Unterbrechungsbeschlusses nachweist, dass er beim Patentamt einen Nichtigkeitsantrag eingebracht hat, dass ein Nichtigerklärungsverfahren zwischen den Streitteilen bereits anhängig ist oder dass er sich einem solchen Verfahren als Nebenintervenient angeschlossen hat, hat das Gericht das Verfahren auf Antrag des Klägers fortzusetzen. In diesem Fall hat das Gericht ohne Rücksicht auf den Einwand der Nichtigkeit zu entscheiden. Eine hierüber vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung ergehende Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung ist jedoch zu berücksichtigen.
Für das Strafverfahren ordnet § 161 PatG folgende Abweichungen bezüglich der Geltung des § 156 PatG an:
Der Lauf der Monatsfrist des § 156 Abs 3 beginnt mit der Zustellung einer Aufforderung des Strafgerichtes an den Beschuldigten, zu bescheinigen, dass er beim Patentamt einen Nichtigkeitsantrag eingebracht hat, dass ein Nichtigerklärungsverfahren zwischen den Streitteilen bereits anhängig ist oder dass er sich einem solchen Verfahren als Nebenintervenient angeschlossen hat. Bringt der Beschuldigte den Nichtigkeitsantrag nicht rechtzeitig ein, so hat das Gericht, wenn es die Nichtigkeit des Patentes für möglich hält, den Nichtigkeitsantrag von Amts wegen zu stellen. Parteien in diesem Verfahren sind das antragstellende Gericht, der Privatankläger und der Beschuldigte; die in diesem Verfahren erwachsenden Kosten sind Kosten des Strafverfahrens.
Unter Berücksichtigung der prinzipiellen Unterschiede von Zivil- und Strafverfahren (vgl die Hervorhebung des "das Strafverfahren beherrschenden Grundsatzes der Erforschung der materiellen Wahrheit" in der RV zur PatG-Novelle 1977, 490 BlgNR 14. GP, 17) ist zur Beantwortung der Frage, was die genannte Anordnung sinngemäßer Geltung des § 156 Abs 3 PatG im Licht der erwähnten Modifikationen bedeutet, davon auszugehen, dass der Strafprozess eine für den Zivilprozess in § 163 ZPO geregelte "Unterbrechung des Verfahrens" nicht kennt.
Nach jener Bestimmung hat eine Unterbrechung im Zivilverfahren die Wirkung, dass während ihrer Dauer Ladungen zur Verhandlung der Streitsache nicht erfolgen können, die etwa schon früher für die Zeit nach Eintritt der Unterbrechung ergangenen Ladungen ihre Wirksamkeit verlieren und endlich der Lauf einer jeden Frist zur Vornahme einer Prozesshandlung aufhört. Die während der Unterbrechung von einer Partei in Ansehung der anhängigen Streitsache vorgenommenen Prozesshandlungen sind der anderen Partei gegenüber ohne rechtliche Wirkung (§ 163 Abs 1 und 2 ZPO).
Weiters ist zu bedenken, dass § 156 Abs 3 PatG eine "Unterbrechung" überhaupt nur für den Fall vorsieht, dass ein Urteil davon abhängt, ob das Patent nichtig ist. Steht aber ein Urteil - wie im strafprozessualen Vorverfahren - gar nicht an, fehlt es von vornherein an einer Grundlage für eine sinngemäße Anwendung der in Rede stehenden Bestimmung.
Auch die von der Wahrungsbeschwerde angeführte Teleologie schlägt nicht durch. Im Vorverfahren gibt es keine vergleichbaren verfahrensbeendenden Entscheidungen, die von einem Wiederaufnahmeverfahren bedroht sind. Denn davon bedroht ist in Wahrheit nur der Schuldspruch, dem eine Nichtigkeitserklärung des Patentamts folgt. Ein - aus welchen Gründen immer erfolgter - strafrechtlicher Freispruch hingegen kann durch eine nachfolgende Entscheidung des Patentamts nicht tangiert und somit auch nicht Gegenstand einer Wiederaufnahme werden. Denn eine Entscheidung des Patentamts, dass ein Patent "nicht nichtig" sei, beinhaltet keine gegenüber der ursprünglichen Patentsgewährungsentscheidung neuen Tatsachen. Überdies sieht das Patentgesetz keine Möglichkeit des Patentinhabers vor, eine Entscheidung des Patentamts herbeizuführen, der zufolge sein Patent "nicht nichtig" sei. Ebenso wenig wie ein Freispruch kann in diesem Sinn eine im Vorverfahren erfolgte Einstellung des Verfahrens durch den Untersuchungsrichter zu einem Wiederaufnahmeverfahren führen. Daher schlägt das Argument fehl, die Wiederaufnahme von Einstellungsbeschlüssen des Untersuchungsrichters solle vermieden werden.
Schließlich ist zu beachten, dass infolge der von § 161 PatG gezielt angeordneten Modifikation des § 156 Abs 3 PatG für das Strafverfahren dem Beschuldigten gerade kein Unterbrechungsbeschluss, sondern nur eine Aufforderung zur Bescheinigung der Anhängigkeit eines Nichtigerklärungsverfahrens zuzustellen ist.
Aus diesen Regelungsinhalten, dem in der Beschwerde genannten Regelungszweck der Vermeidung der Wiederaufnahme eines (mit Schuldspruch beendeten) Verfahrens nach Nichtigerklärung eines zuvor vom Gericht als verletzt erachteten Patentes (§ 48 PatG) oder Gebrauchsmusters (§ 28 GMG) und der Anordnung des dritten Satzes des § 161 PatG, dass das Gericht, wenn der Beschuldigte den Nichtigkeitsantrag nicht rechtzeitig einbringt und es die Nichtigkeit des Patentes für möglich hält, den Nichtigkeitsantrag von Amts wegen zu stellen hat, ergibt sich, dass § 156 Abs 3 PatG nur ein schuldig sprechendes Urteil vorübergehend hindert. Eine Missachtung des temporären Verfolgungshindernisses würde Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO bedeuten.
Im strafprozessualen Vorverfahren hat § 156 Abs 3 PatG dagegen der Beschwerde zuwider wie dargelegt keinen Anwendungsbereich.
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