OGH 8Ob220/02i

OGH8Ob220/02i26.6.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer, Dr. Spenling, Dr. Kuras und Dr. Lovrek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P.*****, vertreten durch Dr. Paul Bauer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1) Dr. Gunther N*****, 2) Dr. Gunther N*****, und 3) Dr. Gunther N***** sowie des auf Seiten der erstbeklagten Partei beigetretenen Nebenintervenienten Dr. Heinz K*****, wegen Aussonderung (Streitwert gegenüber der erstbeklagten Partei EUR 73.508,56, gegenüber der zweitbeklagten Partei EUR 11.761,37 und gegenüber der drittbeklagten Partei EUR 97.117,80), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 22. Juli 2002, GZ 1 R 102/02p-35, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Die außerordentliche Revision wird, soweit sie sich gegen die Abweisung des Klagebegehrens gegen die zweitbeklagte Partei wendet, mit dem Akt dem Erstgericht zurückgestellt.

2. Die außerordentliche Revision wird, soweit sie sich gegen die Abweisung des Klagebegehrens gegen die erst- und die drittbeklagte Partei wendet, gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Die klagende Leasinggesellschaft stand mit den Gemeinschuldnerinnen in einer ständigen Geschäftsbeziehung. Danach konnten die KFZ-Händler und späteren Gemeinschuldnerinnen innerhalb eines vereinbarten Rahmens von 2 Mio S und später 8 Mio S Neuwagen an die klagende Leasinggesellschaft fakturieren, die den Gemeinschuldnerinnen (KFZ-Händlern) dann die Ankaufspreise zahlte. Eine Übergabe des Fahrzeuges erfolgte nicht, sondern nur des Typenscheines. Unmittelbar dazu wurden auch zwischen der klagenden Leasinggesellschaft und den Gemeinschuldnerinnen Leasingverträge für grundsätzlich ein Jahr geschlossen. Dazu wurde aber auch vereinbart, dass die KFZ-Händler diese Leasingverträge jederzeit auflösen bzw verlängern konnten, je nach dem, wann es ihnen gelang das Fahrzeug zu verkaufen oder zu verleasen. Die Abrechnung erfolgte dann je nach der Dauer bis zur Auflösung im Wesentlichen auf Grundlage des "Ankaufspreises" durch die klagende Leasinggesellschaft mit einem bestimmten Zinssatz. Die Gefahr für den Untergang bzw die Beschädigung der Fahrzeuge trugen die Gemeinschuldnerinnen. Die Fahrzeuge wurden nach Konkurseröffnung vom Masseverwalter verkauft.

Die klagende Partei begehrte die Herausgabe folgender Kaufpreisbeträge: gegenüber der erstbeklagten Partei EUR 73.508,56, gegenüber der zweitbeklagten Partei EUR 11.761,37 und gegenüber der drittbeklagten Partei EUR 97.117,80.

Rechtliche Beurteilung

Zu Pkt 1 des Beschlusses:

Hatte das Berufungsgericht - wie im Anlassfall - über verschiedene Klagebegehren gegen verschiedene Beklagte zu entscheiden, so ist die Zulässigkeit der Revision nach der Höhe des Entscheidungsgegenstands jedes einzelnen Rechtsstreits zu beurteilen, wenn nicht die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 Z 2 JN iVm § 11 Abs 1 Z 1 ZPO vorliegen, diese also materielle Streitgenossen sind (vgl allgemein auch Kodek in Rechberger ZPO2 § 502 Rz1). Für eine materielle Streitgenossenschaft liegen hier aber keine Anhaltspunkte vor. Handelt es sich doch um verschiedene Ansprüche.

Nach § 502 Abs 3 ZPO idF BGBl I 2001/98 ist die Revision - außer im Fall des § 508 Abs 3 ZPO - jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert, über den das Berufungsgericht entschied, zwar 4.000 EUR, nicht aber insgesamt 20.000 EUR übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO - wie hier - für nicht zulässig erklärte. Unter solchen Voraussetzungen kann eine Partei nach § 508 Abs 1 und 2 ZPO binnen vier Wochen nach der Zustellung des Berufungserkenntnisses nur den gemäß § 508 Abs 2 erster Satz ZPO beim Erstgericht einzubringenden Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde. Ein derartiger Antrag, der mit der ordentlichen Revision zu verbinden ist, muss die Gründe dafür anführen, warum entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 502 Abs 1 ZPO die ordentliche Revision für zulässig erachtet wird. Die beklagte Partei brachte ihre "außerordentliche Revision" rechtzeitig beim Erstgericht ein. Darin wird ua ausgeführt, warum die Revision entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts als zulässig angesehen wird. Dem Rechtsmittel fehlt freilich ein Antrag auf Abänderung des Ausspruchs über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision durch das Berufungsgericht (§ 508 Abs 1 ZPO). Nach dieser Rechtslage ist der Rechtsmittelschriftsatz jedenfalls nicht dem Obersten Gerichtshof vorzulegen. Sind doch im Streitwertbereich des § 502 Abs 3 ZPO Revisionen gegen Entscheidungen, die nach dem Ausspruch des Gerichts zweiter Instanz nicht mit ordentlicher Revision bekämpfbar sind, gemäß § 507b Abs 2 ZPO sofort dem Berufungsgericht, vorzulegen. Sollte das Erstgericht allerdings der Ansicht sein, einem solchen Vorgehen stehe der Mangel des ausdrücklichen Antrags entgegen, das Berufungsgericht möge seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision abändern, und es genüge die im Rechtsmittel ohnehin enthaltene Zulassungsbeschwerde deshalb nicht, weil sie sich - gleich den Revisionsausführungen zur Sache - (offenkundig) an den Obersten Gerichtshof wendet, so kann es einen mit Fristsetzung verbundenen Verbesserungsauftrag erteilen. Sollte der Rechtsmittelwerber eine solche Verbesserung sodann verweigern, wäre die Revision jedenfalls unzulässig (vgl RIS Justiz RS0109501 mwN zuletzt etwa 1 Ob 134/02s und 1 Ob 391/02z uva).

Somit sind die Akten hinsichtlich der Revision gegen die Abweisung gegenüber der zweitbeklagten Partei dem Erstgericht zurückzustellen.

Zu Pkt 2 des Beschlusses:

Die Vorinstanzen haben übereinstimmend die vorliegenden Rechtsbeziehungen zwischen der Leasinggesellschaft und den KFZ-Händlern als Darlehensgewährung, verbunden mit einer Sicherungsübereignung, qualifiziert. Dementsprechend sind sie der ständigen Judikatur folgend davon ausgegangen, dass "Sicherungseigentum" durch Besitzkonstitut nicht begründet werden kann und daher die klagende Leasinggesellschaft auch ihren Aussonderungsanspruch nicht geltend machen kann (vgl RIS-Justiz RS0010394 mzwN zuletzt OGH 3 Ob 2403/96w und OGH 3 Ob 308/97h; RIS-Justiz RS0011202 mwN).

Grundsätzlich kann nun auch im Rahmen von "Sale-and-lease-back-Verträgen" als Sonderform des mittelbaren Finanzierungsleasings durch Besitzkonstitut ein Investitionsgut erworben werden (vgl RIS-Justiz RS0011217 mzwN etwa SZ 61/70). Dies gilt aber nicht, wenn es sich in Wahrheit um eine Darlehensgewährung handelt, zu deren Absicherung die Sale-and-lease-back-Konstruktion dient (vgl allgemein schon OGH 24. 1. 1989, 4 Ob 623/88). Beim Leasingvertrag wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass dieser sowohl die Elemente von Miete und Kauf enthält und je nach seiner individuellen Ausgestaltung eher dem einen als auch dem anderen Typ entspricht (vgl RIS-Justiz RS0020007 mwN zuletzt OGH 1 Ob 416/97a). Dabei geht es beim Finanzierungsleasing darum, dass der Leasingnehmer, der bestimmte Gegenstände benötigt, die vielfach nach seinen individuellen Wünschen und Bedürfnissen hergestellt werden, die Leasinggesellschaft veranlasst, diese zu kaufen und ihm dann zu überlassen. Die Dauer der Überlassung wird so bemessen, dass sie hinter der zu erwartenden Gebrauchsdauer um einiges zurückbleibt (vgl RIS-Justiz RS0019912 mwN zuletzt 2 Ob 60/00p). Schon dabei nähert sich der Leasinggeber der Funktion eines Kreditgebers an (vgl RIS-Justiz RS0020750 mwN insb OGH 5 Ob 137/99d). Inwieweit dies aber jedenfalls dann anzunehmen ist, wenn in einem "Kreditrahmen" Sale-and-lease-back-Verträge im Ergebnis einer Sicherungsübereignung dienen, kann nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles ermittelt werden und stellt damit regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar (vgl Kodek in Rechberger ZPO2 § 502 Rz 3).

Eine Fehlbeurteilung der Vorinstanzen, die ein Aufgreifen dieser Rechtsfrage durch den Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit erforderlich machte, liegt hier nicht vor. Ist doch in Erwägung zu ziehen, dass von vornherein nie daran gedacht war, dass der Leasinggeber den Leasinggegenstand wieder zurückerhält (vgl dazu Czermak, Das Besitzkonstitut beim Sale-and-lease-back-Verfahren ÖBA 1987, 232 ff insb 248). Es ist darauf hinzuweisen, dass nicht die Gebrauchsüberlassung im Mittelpunkt der Vertragsbeziehung stand, sondern dass nur innerhalb eines bestimmten Rahmens ("Kreditrahmens") die von den KFZ-Händlern (nunmehr Gemeinschuldnerinnen) angeschafften Fahrzeuge vorweg von der Leasinggesellschaft finanziert werden und die Abrechnungen nach dem vereinbarten Zinssatz jeweils bei Vertragsauflösung erfolgen sollten. Damit stand aber eindeutig im Vordergrund, dass den KFZ-Händlern für diese Zeit der Geldbetrag ("Ankaufspreis") zur Verfügung gestellt werden sollte, womit die Charakteristika eines Darlehens überwiegen (vgl §§ 983, 984 ABGB).

Soweit die Klägerin nun auf verschiedene Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes zu den Fragen des Finanzierungsleasings Bezug nimmt, stellt sie im Ergebnis nicht dar, warum diese gegen die Qualifikation des vorliegenden Sachverhaltes als Darlehensgewährung mit einer Sicherungsübereignung sprechen sollten.

Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu 1 Ob 586/79 (= SZ 52/71) und zu 8 Ob 649/90 setzen sich im Wesentlichen nur mit der Abgrenzung zwischen Finanzierungs- und Operatingleasing unter dem Aspekt der Überwälzung der Gefahrtragung auseinander. Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu 8 Ob 545/91 befasste sich mit einem Anfechtungsanspruch. Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu 2 Ob 501/79 (= SZ 52/34) behandelte primär die Abgrenzung des mittelbaren Finanzierungsleasings und die in dem Zusammenhang vereinbarten Haftungsbeschränkungen.

In der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu 4 Ob 123/00t ging es wieder um die Frage eines Anfechtungsanspruches und des "Zug-um-Zug-Prinzips", während der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu 3 Ob 532/95 die Abgrenzung der Anwendung des § 21 KO von der des § 23 KO zugrundelag.

In dem vom Obersten Gerichtshof zu 6 Ob 108/98w entschiedenen Verfahren ging es primär um die Wirkungen des gutgläubigen Eigentumserwerbes nach § 367 ABGB und wurden die weiteren Fragen des Sale-and-lease-back-Vertrages und seiner Abgrenzung zu einer Darlehensgewährung nicht releviert. Auch ist ersichtlich, dass es damals tatsächlich um die Nutzung des Leasinggegenstandes durch den Leasingnehmer ging und wurde ein Andienungsrecht gar nicht erörtert. In der letztlich noch herangezogenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu 6 Ob 575/86 (= SZ 61/70) war im Wesentlichen die Frage der Dauer des Anspruches auf Leasingentgelt entscheidend und wurde ausdrücklich auf die Stellung des Leasingnehmers als einem am Gebrauch des Leasinggutes interessierten "Nutznießers" abgestellt. All diesen Entscheidungen lag also kein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde ("Finanzierungsrahmen" zur Zwischenfinanzierung; Dauer je nach der für den Verkauf erforderlichen Zeit; keine Rückgabe an Leasinggeber; unmittelbarer Ankauf durch Leasingnehmer etc). Insgesamt vermag es die Klägerin jedenfalls nicht, eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 darzustellen.

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